Politik - Wo ist der Feind?

2002 - das erste Jahr in einem langen Krieg - Noch gibt es keine Strategie gegen den modernen Terrorismus

  Eine jüdische Pilgerin  zündet in der Synagoge La Ghriba auf Djerba eine Kerze an. Foto: dpa

Eine jüdische Pilgerin zündet in der Synagoge La Ghriba auf Djerba eine Kerze an. Foto: dpa

Seit dem Doppelanschlag auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington sind 111 Tage und ein Jahr vergangen. Jeder spürt inzwischen die politischen und wirtschaftlichen Auswirkungen, die Unbequemlichkeit aufwändiger Sicherheitsmaßnahmen, die Folgen für Luftfahrt und Tourismus, die Veränderungen des Bewusstseins. Die Welt ist im Krieg.

Aber wer ist der Feind? Wo hält er sich verborgen? Wo wird er zuschlagen? Welches sind seine Waffen und welches die Mittel, ihm zu begegnen? Klar ist nur, dass der moderne Terrorismus mit seinen Vorläufern - den RAF-Aktionen in Deutschland oder den Befreiungsbewegungen in Afrika und im Nahen Osten - nur noch wenig gemein hat. Vor allem die Dimensionen haben sich verändert.

Die Flüssiggas-Explosion vor der La-Ghriba-Synagoge auf Djerba am 11. April, der Angriff auf den französischen Tanker Limburg vor Jemens Küste am 6. Oktober, die Bombe vor dem Sari-Club auf Balis "Insel der Engel" am 12. Oktober, die Geiselnahme von 700 Besuchern des Moskauer Musical-Theaters am 23. Oktober, das Attentat auf die Gäste des Paradies-Hotels und der misslungene Raketenangriff auf die El-Al-Maschine in Mombasa - die schweren Anschläge des Jahres 2002 mit ihren mehr als 350 Todesopfern sind dafür der Beweis.

Terroraktionen dieser Art sind nur darauf bedacht, möglichst viele Menschen zu töten und möglichst großen wirtschaftlichen Schaden anzurichten. Die Terroristen entziehen sich jedem Dialog und jedem politischen Handel.

Neu ist vor allem die weltweite Vernetzung aller dieser Aktivitäten und die hohe Flexibilität der Gewaltstrategien. Dafür ist Osama bin Ladens El Kaida verantwortlich. Sie stellt das Netzwerk zur Verfügung, sorgt für die Finanzierung, die langfristige Planung und Vorbereitung. Sie ist auch zuständig für eine Art psychologischer Kriegführung, die auf Dogmen bewusst verzichtet und als gemeinsame Motivation allein den Hass schürt: gegen die USA, gegen Israel, gegen den Westen.

Die eigentlichen Operationen aber überlässt sie den angeschlossenen Terrororganisationen sowie gut getarnten und selbstständig agierenden Gruppen und Einzeltätern. Die Hoffnung, mit dem Sieg über die Taliban in Afghanistan auch El Kaida vernichtend zu treffen, hat getrogen.

Trotz aller Anstrengungen ist es den USA nicht gelungen, eine wirksame Gegenstrategie zu entwickeln. Auch dies ist ein Grund dafür, dass Washington den Sturz Saddam Husseins vorerst zum Hauptziel erkoren hat.

Dahinter steht der Plan einer politischen Neuordnung der gesamten Nahostregion, um dem islamistischen Terrorismus den Nährboden zu entziehen.

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