Politik - Der Skandal von Bad Kleinen

Tragische Pannen

Bundesinnenminister Rudolf Seiters tritt zurück, Generalbundesanwalt Alexander von Stahl wird entlassen, der Vizepräsident des Bundeskriminalamtes, Gerhard Köhler, wird abgelöst, der Leiter der Polizeiabteilung im Innenministerium, Wolfgang Schreiber, wird vorläufig pensioniert: Eine Polizeiaktion auf dem Kleinstadt-Bahnhof von Bad Kleinen im Juni 1993 führt zu personellen Konsequenzen, denn der Anti-Terror-Einsatz war von zu vielen Pannen begleitet.

1984 waren die gesuchten Terroristen Birgit Hogefeld und Wolfgang Grams untergetaucht. Neun Jahre später werden sie aufgestöbert, in Bad Kleinen, nördlich von Schwerin. Als die beiden eine Gaststätte verlassen, will ein Mobiles Einsatzkommando sie festnehmen. Es kommt zu einem Schusswechsel zwischen der Polizei und den mutmaßlichen Mitgliedern der Roten Armee Fraktion, bei dem der Beamte der Grenzschutzgruppe 9, Michael Newrzella, und Grams getötet werden. Hogefeld bleibt unverletzt.

Dem Einsatz folgen Fragen über Fragen. Wer hat den GSG-9-Beamten erschossen? Aus welcher Waffe wurde Grams getötet? Hat er Selbstmord begangen, oder wurde er gar exekutiert? Monatelang wird spekuliert. Der in Mogadischu erworbene Ruhm der GSG 9 scheint dahin.

Ein Zwischenbericht der Bundesregierung listet 17 Schwachstellen des Einsatzes auf. Da ist unter anderem von einem Funkloch die Rede, von oberflächlicher Spurensuche, fehlender Videodokumentation, erst bei der Festnahme wurde bei Hogefeld eine Waffe entdeckt, Parlament und Öffentlichkeit wurden unvollständig und teilweise unzutreffend informiert. Der Bericht stellt aber auch fest, dass Newrzella von Grams erschossen wurde.

Schließlich wird die Spezialtruppe doch entlastet. Ein Gutachten stellt fest, dass Grams sich selbst erschossen hat. Die Männer der in Hangelar stationierten GSG 9 atmen auf. Die Vorstellung, die Truppe hätte in Killermanier gehandelt, hat bis dahin auf den Beamten wie ein Mühlstein gelastet.

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