Wirtschaftsmagazin Logistik 4.0 mit Ausrufezeichen

bonn · Kleine Start-ups sind Großkonzernen in Sachen Innovation oft überlegen. Die Logistik-Plattform „Saloodo!“ ist ein gutes Beispiel dafür

 Die Logistik-Plattform Saloodo! will die Branche vernetzen, besser koordinieren und so Leerfahrten vermeiden. FOTO: THINKSTOCK/TOMAS SEREDA

Die Logistik-Plattform Saloodo! will die Branche vernetzen, besser koordinieren und so Leerfahrten vermeiden. FOTO: THINKSTOCK/TOMAS SEREDA

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Das Thema Innovation wird bei der Deutschen Post DHL-Group groß geschrieben. Der Konzern betreibt in Bonn ein eigenes Innovationscenter, in dem über die Logistik 4.0 nachgedacht wird und in dem neue Dienstleistungen und Lösungen entwickelt werden. Doch der Konzern wagt auch neue Wege: Zum einen hat DHL eine strategische Partnerschaft mit der Startup- und Venture-Funding-Plattform Plug and Play abgeschlossen. Insbesondere in den Kernbereichen Logistik und Mobilität sollen neue Technologie-Startups ausfindig gemacht werden.

Ungebremster Optimismus

Darüber hinaus traut sich die alte Post auch, neue Türen im eigenen Haus zu öffnen und selbst Start-ups auf die Beine zu stellen. Ein gutes Beispiel dafür ist das 2016 gegründete Unternehmen „Saloodo!“, das im vergangenem Jahr mit einer Art Speditions-Börse online gegangen ist. Die 40 Mitarbeiter, die meisten darunter Softwareprogrammierer, einige Spezialisten für Marketing und Vertrieb und eine eigene Kundenhotline haben sich in einem eigens für die Truppe hergerichteten Gebäudetrakt in Bonn niedergelassen. Neben dem obligatorischen Kicker auf dem Flur sorgt auch Team-Hund Toby, den Entwicklungs-Chefin Elaine Tan täglich mit ins Büro bringt, für die nötige Start-up-Atmosphäre.

37 Prozent sind Leerfahrten

Auch ungebremster Optimismus gehört dazu. Thomas Grunau, der seit Februar als CEO die Geschicke des jungen Start-ups lenkt, ist überzeugt, dass Saloodo! das Zeug hat, den Güterverkehr-Markt auf der Straße neu aufzumischen. „Die Logistik-Branche ist nicht nur ein hart umkämpfter Markt, sondern auch unübersichtlich und höchst ineffektiv“, erklärt Thomas Grunau. Ökologisch und ökonomisch sei erheblich Luft nach oben.

Diesen Spielraum wollen Grunau und sein 40-köpfiges Team sinnvoll nutzen. Um welche Dimensionen es dabei geht, lassen einige wenige Zahlen ahnen: In Europa gibt es mehr als 350 000 Transportunternehmen. Allein in Deutschland sorgen laut Statistischem Bundesamt rund 34 500 Speditionsunternehmen dafür, dass Waren von A nach B kommen. Im Idealfall haben sie auch auf der Rückfahrt Ladung im Anhänger. In 37 Prozent der Fälle ist das jedoch nicht der Fall, sagt eine aktuelle Statistik des Kraftfahrtbundesamtes. Demzufolge fahren Lkw hierzulande 151 Millionen Mal im Jahr ohne Fracht. Das sind, so haben die Beamten es ausgerechnet, jährlich 6,5 Milliarden Leerkilometer mit den damit verbundenen Kosten, dem Kraftstoffverbrauch, der Zeit und dem Fahrbahnverschleiß. Dazu kommt die Umweltbelastung. Laut Bundesumweltamt blasen Lkw auf deutschen Straßen jährlich rund 40 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid in die Luft – und das eben oft mit leerer Ladefläche.

Branche transparenter machen

„Der Hauptgrund, warum mehr als jeder dritte Lastkraftwagen leer durch die Landschaft fährt, ist die hohe Intransparenz der Branche“, sagt Thomas Grunau. „Kunden, die Güter transportieren lassen wollen, greifen auf ihren Haus- und Hofspediteur zurück, blättern im Branchenbuch oder suchen im Internet“, so Grunau. Was ein angemessener Preis ist, bleibe eher nebulös. Und wie sich freie Kapazitäten sinnvoll nutzen lassen, ebenfalls.

„Natürlich wird ein Versender in Warschau eine grobe Idee haben, was ein Transport nach Saarbrücken kosten sollte. Aber er hat keine Ahnung, ob diese Summe marktgerecht ist. Denn diese Transparenz gibt es bisher nicht. Und der Spediteur aus Polen fährt vermutlich leer aus Saarbrücken zurück. Denn bislang fehlte ein funktionierender Marktplatz, um solche Kapazitäten einem großen Nutzerkreis anzubieten. Wir füllen diese Lücke nun“, so Grunau.

Saloodo! tritt als Spediteur auf

Auf dem Online-Marktplatz Saloodo! bieten Spediteure freie Kapazitäten zu ihren Preisen an. So finden Auftraggeber für den Versand ihrer Güter schnell einen passenden und aufgrund der Preistransparenz kostengünstigen Anbieter. Saloodo! erhält von den Spediteuren für die Vermittlung eine Provision. Das Unternehmen beschränkt sich dabei nicht allein aufs Makeln, sondern tritt Kunden gegenüber selbst als Spediteur auf und übernimmt die komplette Administration von der Warenannahme und Verfolgung der Lieferung bis zur Rechnungsstellung. Einen weiteren Joker spielt die Muttergesellschaft aus: DHL Freight bietet selbst mit auf der Plattform. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, passende Transportangebote zu finden.

Freiheitssuche in Köln

Das Konzept scheint zu funktionieren. Zwar scheut sich CEO Grunau, Zahlen zur Entwicklung seines Unternehmens zu nennen. Doch das Start-up rüstet bereits kräftig auf und zieht in diesen Tagen nach Köln um, in größere Räumlichkeiten. Und etwas weiter weg vom Mutterkonzern. „Es gibt einem manchmal etwas mehr Freiheiten, wenn man nicht Tür an Tür arbeitet“, sagt Thomas Grunau mit einem Schmunzeln. Mit dem Umzug werde sich natürlich nicht alles ändern. Team-Hund Toby zum Beispiel darf auch weiterhin am Rhein Gassi gehen.

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