Lehrerschelte ist viel zu pauschal

Zum Bericht "Deutschlands Schüler holen auf - Pisa-Studie: 15-Jährige verbessern sich im internationalen Vergleich" vom 4. Dezember

 Beim neuen Pisa-Test behaupteten sich die 15-jährigen Schüler im Mittelfeld

Beim neuen Pisa-Test behaupteten sich die 15-jährigen Schüler im Mittelfeld

Foto: dpa

Kaum sind die Ergebnisse der neuesten Pisa-Studie bekannt, setzt reflexartig die wohlfeile Lehrerschelte ein. So auch im Leserbrief von Professor Ernst, der die Lehrerausbildung verbessern möchte. Zweifellos hat er recht, dass es ein Desaster ist, wenn angehende Lehrer erst in der Referendarzeit bemerken, dass sie für diesen anspruchsvollen Beruf vielleicht doch nicht geeignet sind. Bevor er dann aber fordert, dass Lehrer Betriebspraktika machen, in denen sie die spätere Arbeitswelt ihrer Schüler kennenlernen, sollte Professor Ernst vielleicht selbst mal einen Monat lang in die Schule gehen, um einen Eindruck in den nervenaufreibenden Alltag der Unterrichtenden zu bekommen.

Er würde viel zu große Klassen kennenlernen mit Kindern, deren Aufmerksamkeitsspanne und Frustrationstoleranz immer kleiner werden, und er würde auf Eltern treffen, die sich für die Bildung ihrer Kinder nur bedingt interessieren.

Zudem würde er Lehrer kennenlernen, die mit viel Engagement ihren Beruf ausüben, aber immer wieder dort an ihre Grenzen stoßen, wo sie von der gesellschaftlichen Entwicklung im Stich gelassen werden. Was würde Professor Ernst wohl der Mutter antworten, die auf die Klage eines Lehrers, dass ihr Sohn meistens weder Heft noch Buch zum Unterricht mitbringt: "Ach wissen Sie, ich war früher auch so!" Es ist kein Zufall, dass in der Pisa-Studie ausgerechnet asiatische Länder deutlich besser abschneiden als Deutschland. Spätestens seit dem Bestseller "Tigermum" wissen wir, dass Drill, Pauken Disziplin dort zum Alltag gehören in einer Weise, die wir uns kaum vorstellen können.

In diesen Ländern ist der Kontakt zwischen Elternhaus und Schule sehr eng, und viele Eltern investieren sehr viel Geld und Zeit in Nachhilfeunterricht. In unserer individualistischen Gesellschaft sind diese Methoden verpönt; wir setzen stattdessen mehr auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Dann dürfen wir uns aber auch nicht wundern, dass das asiatische Modell voraus ist.

Gisela Kirsten, Bonn

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort