Sportwagen als Tatwaffen Lebenslang für Ku’damm-Raser: "Mit Vollgas in der City"

Berlin · Zwei junge Männer stehen vor Gericht. Sie haben einen Menschen totgefahren. Die Staatsanwälte fordern die Höchststrafe wegen Mordes. Tatsächlich rechnet aber kaum jemand mit so einem Urteil.

 Richter Willi Thoms (l.) und der Vorsitzende Richter Ralph Ehestädt im Prozess um das tödliche Autorennen.

Richter Willi Thoms (l.) und der Vorsitzende Richter Ralph Ehestädt im Prozess um das tödliche Autorennen.

Foto: Gregor Fischer

Zuschauer schreien überrascht auf, die Angeklagten stehen wie vom Schlag getroffen: Erstmals in Deutschland sind zwei Raser nach einem illegalem Rennen mit tödlichem Ausgang des Mordes schuldig gesprochen worden. Lebenslange Freiheitsstrafen verhängt das Berliner Landgericht am Montag.

Lebenslang solle den beiden als Ku'damm-Raser bekannt gewordenen Männern, 28 und 25 Jahre alt, der Führerschein entzogen werden. Die Verteidigung kündigte Revision an.

Der 25-Jährige setzt sich langsam. Sein Blick geht ins Leere. Er stützt den kahlen Kopf auf. Der 28-Jährige bleibt zunächst stehen. Fassungslos wirkt der schmale Mann und wütend. Dann bricht es aus ihm heraus: "Was wollt ihr denn? Was soll das Ganze? Was soll ich mir das noch anhören." Noch minutenlang steht er während der Urteilsbegründung.

"Es ist immer eine Einzelfallentscheidung", beginnt Richter Ralph Ehestädt. Persönlichkeit der Täter, Motivation, Tatumstände. Die Gesamtschau führe zum Urteil. Die Angeklagten hätten einen tödlichen Ausgang des Rennens natürlich nicht gewollt. "Aber wir reden hier von einem bedingten Vorsatz." Davon, dass sie die Folgen "billigend in Kauf" genommen hätten. Mit bis zu 170 Stundenkilometer seien die Angeklagten gerast - "nicht auf einer Landstraße, sondern auf dem Kurfürstendamm, einer Hauptverkehrsstraße in der City".

Das Tempo spielt die besondere Rolle bei der Entscheidung. Es habe die beiden Sportwagen zu Tatwaffen, zu "gemeingefährlichen Mitteln" werden lassen, so das Gericht. "Es wurde mit Vollgas gefahren", sagt Ehestädt. Ob jemand von rechts kommt, sei nicht mehr einsehbar gewesen für die Raser. "Keine Chance für die Raser zu handeln." Und keine Chance für das Opfer.

Ein Unfallort, den Zeugen später als Schlachtfeld beschreiben. Bei Grün rollt ein kleiner Jeep am 1. Februar 2016 gegen 0.40 Uhr an der Tauentzienstraße auf die Kreuzung. Die beiden PS-starken Sportwagen - beide Fahrer sind bereits mehrfach wegen Delikten im Straßenverkehr aufgefallen - nähern sich rasend. Mit mindestens Tempo 160 rammt der 28-Jährige den Jeep. 72 Meter weit wird der pinkfarbene Geländewagen geschleudert. Der 69 Jahre alte Fahrer stirbt in seinem Auto.

Im März klickten für die beiden Raser die Handschellen. Über die Männer heißt es später im Prozess, sie würden ihre hochmotorisierten Autos lieben, sich darüber definieren, Selbstbestätigung holen. Einer der Verteidiger sagt: "Die ticken anders als unsereins." Sie würden ihre Fahrkünste derart überschätzen, dass ihnen gar nicht in den Sinn komme, es könnte zu einem Unfall kommen.

Das Risiko ausgeblendet? Das Argument zählt für die Richter nicht. "Auch der Raser bleibt ein Mensch, der einen Kopf hat", sagt Ehestädt. Die Folgen einer höchstgefährlichen Fahrweise seien ihnen sehr wohl bekannt. "Raserei ist keine seelische Erkrankung." Der Raser habe die Möglichkeit von Einsicht und Erkenntnis.

Vor dem Gerichtssaal drängen sich Kamerateams. Verteidiger Peter Zuriel kündigt Revision an und bezeichnet sich als einen "ungeheuer wütenden Verteidiger". Er hatte für den 28-Jährigen auf fahrlässige Tötung plädiert. Das Urteil sei nicht haltbar. Andere Verteidiger gehen wortlos. Ein Sohn des Getöteten verlässt den Saal langsam. Ob er sich freue? "Nein, aber ich bin erleichtert." Er hoffe, dass das Urteil ein Signal an andere Raser ist.

Ein Richterspruch, der bundesweit für Aufsehen sorgt. Bislang führten tödliche Verkehrsunfälle nach Raserei zu Schuldsprüchen wegen einer fahrlässig begangenen Tat. Die Debatte um härtere Strafen für illegale Rennen läuft. Eine Gesetzesinitiative liegt vor.

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