"Turmgespräch Sinzig" Karl-Friedrich Amendt erläuterte Status der Stadt im Mittelalter

SINZIG · „Was ist eine Stadt?“ – unter dieser Fragestellung rollte Karl-Friedrich Amendt beim „Turmgespräch im Schloss“ die Stadtwerdung Sinzigs auf.

 Karl-Friedrich Amendt hielt den Vortrag.

Karl-Friedrich Amendt hielt den Vortrag.

Foto: Martin Gausmann

Im Vorgriff auf die 750-Jahr-Feier 2017 hielt der Vorsitzende des Vereins zur Förderung der Denkmalpflege und des Heimatmuseums bereits den zweiten Vortrag, um den Zeitpunkt, ab dem Sinzig als Stadt gelten kann, näher zu bestimmen.

Denn, dass Sinzig seit dem Jahr 1267 Stadt sein soll, ist umstritten und, um es vorwegzunehmen, laut Amendts Ausführungen unzutreffend. Doch kreiste der Referent zuerst ein, was eine Stadt kennzeichnete. Größe allein war es nicht, arbeitsteiliges Gewerbe, Handel, Märkte, Verwaltung und Wehrhaftigkeit kamen hinzu. Obwohl es keine Rechtskontinuität aus römischer Zeit bis ins Mittelalter gab, behielt man bis ins 14. Jahrhundert die Unterscheidung von „Civitas“ - Siedlung mit Stadtrechten - und „Oppidum“ – stadtähnlicher Ort ohne Stadtrechte – bei. Doch in der deutschen Übersetzung heißt es einheitlich „Stadt“: „Damit sind Missverständnisse vorgegeben“, so Amendt.

Er grenzte im Wesentlichen freie Städte mit eigener Verwaltung und Gerichtsbarkeit von Titularstädten ab. Erstere akzeptierten, wenn überhaupt, nur Kaiser und König über sich. Die Freien hatten sich das Stadtrecht „ertrotzt, gekauft oder erstritten“, um wirtschaftlich unabhängig zu sein. Titularstädte bekamen dagegen durch König oder bevollmächtigten Landesherrn den Titel Stadt per Stadtrechtsurkunde verliehen und damit verbunden oft die mittelalterlichen Stadtrechte der „vier M“, Markt-, Mauer-, Maut- und Münzrecht.

Es gab die Stadtrechte auch ohne förmliche Stadternennung, wie in Sinzig, das 1310 Marktrecht, 1297 Mauerrecht und 1297 Mautrecht („Ungeld“ zum Bau der Mauer) erhielt. Verglichen mit den freien Städten waren die königlich und landesherrlich verliehenen Stadtrechte „eine Mogelpackung“, wie die Verpfändungen der Städte zeigen.

Sinzig fehlten die Voraussetzungen für eine freie Stadt. Es besaß keine eigene Wirtschafts- und Verteidigungskraft. Über den Eigenbedarf hinaus produzierte es nur Wein, und der floss in des Königs Hofhaltung oder die (Reichs)Stifte und Klöster zu Aachen, ebenso die im Handel erhobenen Zölle und Steuern. Für den Handel sprechen die urkundlich erwähnten Lombarden und Sinziger Juden, die als überregionale Händler unter dem Schutz des Herrschers standen und deshalb gerne in den Reichsstädten siedelten.

Als Königspfalz und gelegen an der Aachen-Frankfurter Heerstraße, Pilger-, Händler-, Militärweg, wies Sinzig freilich einige städtische Merkmale noch vor der Verleihung der Stadtrechte auf. Doch 1207 ging die Verwaltung hiesiger Reichsgüter an die Burg Landskron. Die große 1241 geweihte Pfarrkirche mochte das Selbstbewusstsein der Bewohner gestärkt haben.

Aber die größte Bedeutung erlangte Sinzig, als es zur Zeit des rivalisierenden Doppelkönigtums, „veranlasst oder unterstützt“ durch die Reichsburgen Landskron und Hammerstein, 1255 dem „Rheinischen Städtebund“ beitrat. Das Recht, diesem militärischen Schutz- und Trutzbündnis mit eigener Kriegsflotte auf dem Rhein anzugehören, nahmen sich bis dahin nur freie Städte heraus.

Das Jahr 1267, in dem eine Urkunde die Sinziger Bewohner „Oppidanos“ nennt und auf das sich das Stadtfest 2017 gründet, markiert indes einen gehörigen Statusverlust als Stadt: 1267 eroberte der Kölner Erzbischof als Landesherr Sinzig. Denn „seine“ Sinziger Schutz-Juden waren 1265 in einem Pogrom durch die übrige Bevölkerung ermordet worden.

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