Von Russland bis Amerika Jetzt auch Brasilien? Der weltweite Vormarsch der Populisten

Berlin · Er spricht abfällig über Minderheiten, lobt die frühere Diktatur und will den "Saustall" in der Hauptstadt Brasilia ausmisten: Auch in Brasilien könnte mit Jair Bolsonaro bald ein Populist gewählt werden.

 Trotz teilweise extrem provokanter Aussagen genießt Jair Bolsonaro in großen Teilen der brasilianischen Bevölkerung starken Rückhalt.

Trotz teilweise extrem provokanter Aussagen genießt Jair Bolsonaro in großen Teilen der brasilianischen Bevölkerung starken Rückhalt.

Foto: Ian Cheibub

Der 63-Jährige, manchmal auch "Trump Brasiliens" genannt, hat mit Starker-Mann-Rhetorik die erste Runde der Präsidentenwahl gewonnen. In wenigen Wochen könnte sich Bolsonaro in eine wachsende Zahl von gewählten Staats- und Regierungschefs einfügen, die sich als Kämpfer gegen das sogenannte Establishment inszenieren - und dabei Stimmung gegen demokratische Werte machen. Einige bekannte Beispiele.

RUSSLAND: Als Wladimir Putin 1999 erstmals die Führung Russlands von Boris Jelzin übernahm, hatte die ehemalige Sowjetrepublik gerade ein Jahrzehnt Marktwirtschaft und Demokratie, aber auch wirtschaftliches Chaos und politische Ränkespiele hinter sich. Mit dem Vorgehen gegen Oligarchen und tschetschenische Rebellen präsentierte sich der ehemalige Geheimdienstler Putin als unerbittlicher, starker Mann, der wieder für Ordnung sorgte. In seinen Amtszeiten als Präsident, mittlerweile der vierten, erließ Russland Gesetze gegen politische Konkurrenten, Medien und Homosexualität und gerierte sich als Gegenspieler des Westens.

VENEZUELA: "Aló Presidente" hieß die skurrile Fernsehsendung, in der der 2013 verstorbene "Comandante" Hugo Chávez zu seinem Volk sprach. Nach einem Putschversuch 1992 wurde der Linkspopulist 1998, 2002 und 2006 zum Präsidenten gewählt - mit dem Ziel, Venezuela dank der Öleinnahmen mit umfassenden Sozialprogrammen und Umverteilung in einen "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" zu führen. Unter seinem Nachfolger Nicolas Maduro entwickelte sich das Land immer stärker in Richtung einer Diktatur, begleitet von einem wirtschaftlichen Niedergang. Bei Protesten gegen seine Herrschaft gab es zahlreiche Tote - sich selbst betitelt Maduro gern als "Beschützer des Volkes".

TÜRKEI: Seit 2003 dominiert Recep Tayyip Erdogan die Politik in der Türkei - zunächst als Regierungschef und dann als Präsident. Seit dem Putschversuch im Juli 2016 setzte er im Ausnahmezustand eine Anti-Terror-Agenda durch, die kritische Stimmen zum Verstummen brachte. Zehntausende wurden verhaftet, weitere Zehntausende aus dem Staatsdienst entlassen, Bildungseinrichtungen und Medien geschlossen. Mit dem Umbau der Türkei zum Präsidialsystem ist Erdogan seit dem Sommer Staats- und Regierungschef und kann per Dekret regieren. Er selbst nennt das neue System eine "demokratische Revolution".

UNGARN: Schon 1998 im Alter von 35 Jahren wurde Viktor Orban erstmals ungarischer Ministerpräsident - seine Partei "Fidesz" galt damals noch als bunt, jung und liberal. Als herrisch galt sein Führungsstil schon damals, nach vier Jahren wählten ihn die Ungarn ab. Seit seiner Rückkehr an die Macht 2010 baut Orban den Staat um und höhlt nach Meinung der Kritiker demokratische Institutionen aus. Als 2015 mehr als eine Million Flüchtlinge nach Europa kamen, schottete er sein Land ab. Die Maßnahme wurde von der EU kritisiert. "Man will uns wieder das Land wegnehmen", warnte er seine Anhänger vor seiner erneuten Wiederwahl 2018. Das EU-Parlament stimmte zuletzt für ein Verfahren wegen Rechtsstaatlichkeitsverstößen gegen Orbans Ungarn.

PHILIPPINEN: Er werde hart gegen Drogen vorgehen, hatte Rodrigo Duterte vor seiner Wahl zum Präsidenten im Jahr 2016 angekündigt. Allein im ersten Jahr seines Anti-Drogen-Kampfs wurden allein offiziellen Angaben zufolge Tausende getötet, Menschenrechtler sprachen von einer "Katastrophe". Dutertes Beliebtheit tat das brutale Durchgreifen mit krawalliger Rhetorik aber keinen Abbruch. Zuletzt gab es Spekulationen über einen Rückzug aus gesundheitlichen Gründen.

USA: "Amerika zuerst" lautet der Leitspruch des früheren Geschäftsmanns Donald Trump, der die USA zu wirtschaftlicher Größe zurückbringen und eine Mauer gegen Einwanderer aus Mexiko bauen will. Seit dem Einzug ins Weiße Haus 2017 attackiert der Präsident Einwanderer, missliebige Politiker und Journalisten - am liebsten direkt an seine Wähler gewandt durch Mitteilungen bei Twitter. Durch Sanktionen, Strafzölle und kurzfristige Aufkündigung internationaler Vereinbarungen sorgt der 45. US-Präsident in der Weltpolitik für Verwerfungen - und für Verzücken bei seinen Anhängern daheim. Von dieser Anti-System-Politik ohne Rücksicht auf Verluste, vom Recht des Stärkeren, träumen auch die Millionen Bolsonaro-Fans in Brasilien.

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