Hunderttausende Russen feiern "Heimkehr" der Krim

Moskau · Allen Protesten und Strafmaßnahmen des Westens zum Trotz verleibt sich Russland die Krim ein. Präsident Wladimir Putin unterzeichnete am Dienstag den Vertrag über die Aufnahme der völkerrechtlich zur Ukraine gehörenden Halbinsel in die Russische Föderation.

 Auf dem Leninplatz in Simferopol verfolgen Einheimische die Live-Übertragung der Feiern zum Krim-Anschluss in Moskau. Foto: Hannibal

Auf dem Leninplatz in Simferopol verfolgen Einheimische die Live-Übertragung der Feiern zum Krim-Anschluss in Moskau. Foto: Hannibal

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Die große Mehrheit der Russen und der Krim-Bewohner sei dafür, sagte Putin in einer umjubelten Rede an die Nation im Kreml. "Nur das Volk ist der Quell aller Macht." Die Krim sei immer ein Teil Russlands gewesen.

Auch Vertreter der prorussischen Krim-Führung setzten in Moskau ihre Unterschriften unter das Dokument. Die Zustimmung des Parlaments gilt als sicher und wird noch diese Woche erwartet. Rund 600 000 Menschen in ganz Russland feierten nach Angaben des Innenministeriums die "Heimkehr" der Krim. Allein auf dem Roten Platz in Moskau versammelten sich rund 120 000 Menschen zu einem Konzert.

USA, EU und die Ukraine verurteilten die Annexion ukrainischen Territoriums und wollen den Schritt nicht anerkennen. Die USA drohen Russland mit weiteren Sanktionen. "Es werden weitere Schritte unternommen werden", falls Putin seinen Kurs nicht ändere, sagte Regierungssprecher Jay Carney. "Die Sanktionen werden zunehmen."

Kanzlerin Angela Merkel sprach erneut mit US-Präsident Barack Obama. Beide seien sich in der rechtlichen Beurteilung der Ereignisse auf der Krim einig, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. "Die einseitige Unabhängigkeitserklärung der Krim und die heute eingeleitete Aufnahme in die Russische Föderation sind inakzeptable Schläge gegen die territoriale Integrität der Ukraine."

Die Europäische Union erkenne das Referendum auf der Krim und die nachfolgende Annexion durch Russland nicht an, erklärten EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Brüssel. Die Staats- und Regierungschefs der EU würden bei ihrem Gipfel am Donnerstag und Freitag "eine geeinte europäische Antwort" beschließen. Der politische Teil des Partnerschaftsabkommens mit der Ukraine soll zum Abschluss des Gipfels im Beisein des ukrainischen Regierungschefs Arseni Jazenjuk unterschrieben werden.

Neben den verhängten Sanktionen setze die EU weiter auch auf Dialog, sagte Merkel. Zugleich plädierte sie für eine schnelle Auszahlung erster Finanzhilfen an die Ukraine, die nach eigenen Angaben vor dem Bankrott steht.

Nach Polizeiangaben wurden am Dienstag auf der Krim ein ukrainischer Soldat und ein Mitglied der prorussischen sogenannten Selbstverteidigungskräfte erschossen. Ein Heckenschütze habe nahe einer ukrainischen Militärbasis in Simferopol in verschiedene Richtungen gefeuert. Zwei weitere Soldaten seien verletzt worden. "Das könnte eine geplante Provokation sein, um die Lage am Tag der Unterzeichnung des Krim-Vertrags zu destabilisieren", hieß es auf der Homepage der Krim-Polizei.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) forderte die Aufklärung des Mordes an einem 39 Jahre alten Krimtataren. "Das Verschwinden und die Ermordung von Reschat Ametow verdeutlichen das seit einer Woche herrschende Klima der Gesetzlosigkeit", sagte HRW-Sprecherin Rachel Denber. Der Bauarbeiter habe sich zuletzt an Protesten der Krimtataren gegen einen Beitritt der Halbinsel zu Russland beteiligt und sei am 3. März in Simferopol verschwunden.

Putin bezeichnete das Krim-Referendum vom Sonntag über eine Angliederung an Russland als "überzeugend". Es sei demokratisch und im Einklang mit internationalem Recht abgelaufen. Die Schwarzmeer-Halbinsel sei von enormer strategischer Bedeutung.

Der Westen solle die "Wiederherstellung der Einheit" Russlands akzeptieren, forderte Putin, der den Anschluss der Krim mit der deutschen Wiedervereinigung 1990 verglich.

Putin kritisierte die vom Westen verhängten Sanktionen gegen sein Land. "Wir betrachten ein solches Vorgehen als verantwortungslos und eindeutig aggressiv." Russland werde angemessen darauf reagieren.

In der schwersten Krise seit Ende des Kalten Krieges hatten die EU und die USA Kontosperrungen und Einreiseverbote für Funktionäre in Russland und auf der Krim beschlossen. Auch Japan verhängte Sanktionen.

Großbritannien stoppte Waffenexporte nach Russland und kündigte die militärische Kooperation bis auf weiteres auf. "Die Krise in der Ukraine ist der bisher schwerste Test für die europäische Sicherheit im 21. Jahrhundert", erklärte Außenminister William Hague in London.

US-Präsident Obama lud zu einem Treffen der sieben wichtigsten Industriestaaten (G7) ohne Russland ein. Es soll am Rande des Nukleargipfels in Den Haag stattfinden, der am 25. und 26. März geplant ist.

Für Verwirrung hatte Frankreichs Außenminister Laurent Fabius gesorgt, der über Twitter mitgeteilt hatte "(...) wir haben für die G8 entschieden, die Teilnahme Russlands auszusetzen". Merkel und ein Sprecher von Fabius stellten später klar, dass Russland weiterhin Mitglied der G8-Gruppe sei. Die großen Industrienationen hätten lediglich - wie bereits bekannt - die Vorbereitungen für das diesjährige G8-Treffen im Juni in Sotschi ausgesetzt.

Auf der Krim hatten die Bewohner bei einem international nicht anerkannten Referendum mit großer Mehrheit für einen Beitritt zu Russland gestimmt. Die USA, die EU und die Ukraine sehen einen eklatanten Bruch des Völkerrechts. Ein militärisches Eingreifen hatten die Ukraine und der Westen aber abgelehnt.

Die Übergangsregierung in Kiew hat die Sorge geäußert, dass es auch in den russisch geprägten Landesteilen im Süden und Osten des Landes zu Entwicklungen wie auf der Krim kommen könnte. Putin betonte: "Wir wollen keine Spaltung der Ukraine, wir brauchen das nicht."

Eine Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der Ukraine scheitert weiter an russischen Einwänden. 56 der 57 OSZE-Staaten seien bereit gewesen, einen Entwurf für eine solche Mission zu verabschieden, sagte der US-Botschafter bei der OSZE, Daniel Baer, am Abend.

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