Barcelona Hunderttausende kontern Unabhängigkeitspläne in Katalonien

Barcelona · Die Organisatoren sprachen von einer knappen Million Teilnehmer, die Polizei von "nur" rund 350.000. Eines steht aber fest: Die erste großen Kundgebung der Unabhängigkeitsgegner überhaupt in Katalonien hat gezeigt, dass die Gesellschaft der Region tief gespalten ist.

 Menschen demonstrieren in Barcelona für die spanische Einheit.

Menschen demonstrieren in Barcelona für die spanische Einheit.

Foto:  Francisco Seco

Hunderttausende Menschen haben in Katalonien die Pläne der Regionalregierung zur Abspaltung von Spanien mit einer eindrucksvollen Großkundgebung gekontert.

Auf ihrem Marsch durch das Zentrum der Regionalhauptstadt Barcelona skandierten die Demonstranten am Sonntag unter anderem "Ich bin Spanier" und "Viva España". Tosender Jubel brach in der Menge aus, als der peruanisch-spanische Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa zum Abschluss der Kundgebung kämpferisch rief: "Keine separatistische Verschwörung wird die spanische Demokratie zerstören können."

Zur Kundgebung der "schweigenden Mehrheit" hatte die Katalanische Zivilgesellschaft aufgerufen, die 2014 als Gegenbewegung zum zunehmenden Separatismus ins Leben gerufen wurde.

Der Vizepräsident der Organisation, Alex Ramos, gab die Zahl der Teilnehmer mit "930.000 bis 950.000" an. Die Stadtpolizei sprach von rund 350.000 Demonstranten. Die Menschen forderten lautstark die Festnahme von Regionalregierungschef Carles Puigdemont. Es waren in der großen Mehrheit Katalanen, viele Teilnehmer waren aber aus anderen Regionen Spaniens in Dutzenden von Bussen und Zügen angereist.

Puigdemont hatte am vorigen Sonntag ungeachtet eines Verbots durch das Verfassungsgericht und gegen den Willen der Zentralregierung in Madrid ein Referendum über die Unabhängigkeit abgehalten. Bei der von den Abspaltungsgegnern mehrheitlich boykottierten Befragung gewann das "Ja"-Lager mit rund 90 Prozent, die Beteiligung lag nur jedoch bei nur 43 Prozent. Puigdemont berief für Dienstagabend eine Sitzung des Regionalparlaments ein, bei der möglicherweise die Unabhängigkeit ausgerufen werden soll.

In einem Interview der Zeitung "El País" wies Ministerpräsident Mariano Rajoy die Aufrufe zum Dialog mit den Separatisten erneut scharf zurück. "Spanien wird nicht geteilt werden und die nationale Einheit wird erhalten bleiben", fügte er hinzu. "Wir werden alle uns zur Verfügung stehenden gesetzgeberischen Instrumente nutzen, um das sicherzustellen." Er halte es auch nicht für ausgeschlossen, Artikel 155 der Verfassung anzuwenden, um Katalonien die Autonomie abzuerkennen. "Ich schließe nichts innerhalb der Gesetze aus."

Die erste große Kundgebung der Unabhängigkeitsgegner überhaupt in Katalonien fand unter dem Motto "Basta! Kehren wir zur Vernunft zurück" statt. Auch Rajoys konservative Volkspartei (PP) sowie deren parlamentarische Verbündete Ciudadanos unterstützen die Demonstration. Mehrere Teilnehmer sagten der Deutschen Presse-Agentur, sie seien Katalanen, wollten aber keine Unabhängigkeit. Sie hätten am vorigen Sonntag nicht gewählt, weil es da nicht mit rechten Dingen zugegangen und das Referendum illegal gewesen sei.

Die Demonstranten trugen unzählige spanische, aber auch sehr viele katalanische Fahnen und sogar einige der EU. Es gab Plakate mit Aufschriften wie "Gemeinsam sind wir stärker", "Katalonien bleibt spanisch" oder "Nie wieder Schweigen".

Bei der Abschlusskundgebung vor dem Bahnhof Estació de França rief Vargas Llosa in Anspielung auf eine in Katalonien einsetzende Firmenflucht: "Wir wollen nicht, dass Unternehmen aus Barcelona fliehen, als handele es sich um eine im Mittelalter von der Pest belagerten Stadt."

Am Samstag hatten Zehntausende Menschen in zahlreichen Städten Spaniens für einen Dialog zwischen Spanien und Katalonien demonstriert.

Die katalanische Linkspolitikerin Nuria Gibert hatte die Großkundgebung der Unabhängigkeitsgegner im Vorfeld kritisiert. Selbstverständlich hätten alle das Recht, ihre Meinung zu äußern, aber es entspreche einer "kolonialen Logik", dass auch viele Menschen aus anderen Teilen Spaniens zum Demonstrieren nach Barcelona kämen, sagte die Sprecherin der linksradikalen Partei CUP der dpa.

Spaniens Ex-Ministerpräsident Felipe González hätte die katalanische Führung unter Puigdemont wegen des illegalen Unabhängigkeitsreferendums nach eigenen Angaben schon lange abgesetzt. "Ich hätte den Artikel 155 (der spanischen Verfassung) angewendet, um die Verfassung und das Statut (über Kataloniens Autonomie) zu verteidigen", sagte der Sozialist, der das Land von 1982 bis 1996 regiert hatte, am Samstag bei einem Besuch in Berlin.

Medienberichten zufolge will Puigdemont am Dienstagabend vor dem Parlament in Barcelona Stellung zur "aktuellen politischen Lage" beziehen. Ob er dabei tatsächlich die Unabhängigkeit ausrufen oder lediglich das weitere Vorgehen seiner Regierung vorstellen will, blieb vorerst offen. Eine für Montag geplante Parlamentssitzung, bei der die Erklärung der Unabhängigkeit erwartet worden war, war vom spanischen Verfassungsgericht verboten worden und wurde abgesagt.

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