Hans-Jürgen Hofmann: "Geiz tötet den Verstand"

Von ausgezogenen Esstischen, ausgefallenen Reklamationsgründen und darüber, was Einzelhändler so richtig nervt, schreibt Hans-Jürgen Hofmann in seinem Buch „Der Ladenhüter“ (Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag). Wir sprachen mit dem Autor, Verkäufer und Einrichtungsberater, der in Bremen ein Möbelgeschäft betreibt.

 Autor und Möbelverkäufer Hans-Jürgen Hofmann

Autor und Möbelverkäufer Hans-Jürgen Hofmann

Herr Hofmann, der Untertitel Ihres Buches lautet: „Arbeiten im deutschen Einzelhandel: eines der letzten Abenteuer der Menschheit“. Was genau macht diese Tätigkeit so abenteuerlich?
Hans-Jürgen Hofmann: Die Arbeit mit Menschen ist so aufregend und abwechslungsreich, dass ich an der Besteigung hoher Gipfel oder an Bungeespringen kein Interesse mehr habe. Sie erleben ständig neue Situationen, die Sie an Ihre Grenzen bringen. Suchen Sie mal ein Weiß aus, das nicht so empfindlich ist.

Sie selbst sind seit 25 Jahren Einzelhändler aus Leidenschaft. Dramatischerweise betiteln Sie Ihre Profession als „vom Aussterben bedroht“. Warum?
Hofmann: Geiz tötet. Vor allem tötet Geiz den Verstand. Die Leute geben lieber viel Geld für Rabatte aus, als ein vernünftiges Produkt zum fairen Preis zu erwerben. Und da ich meine Produkte zu fairen Preisen anbiete, gibt es keine Rabatte.

Heute kann sich jeder im Internet über die Produkte informieren und auch alles online kaufen. Inwiefern ist der qualifizierte Einzelhändler heute überhaupt noch notwendig?
Hofmann: Als Vermittler sind wir ehrlichen Händler schon wichtig. Damit das richtige Produkt zum richtigen Kunden kommt, gibt es unsere Beratung. Die Beratung funktioniert aber nur, wenn sie auch honoriert wird. Dadurch werden Fehlkäufe vermieden und die Lebensqualität erhöht.

Ist die Rettung Ihres Berufsstands noch möglich?
Hofmann: Nein. Aber ich beantrage den Schutz als UNESCO-Welterbe und die entsprechenden Fördermittel.

„Die eigentliche Tätigkeit des Einzelhändlers ist die Auseinandersetzung mit den Menschen“, schreiben Sie. Schon die Begrüßung des Kunden ist ein heikler Punkt. Was für Beispiele misslungener Kommunikation kennen Sie?
Hofmann: Die Kommunikation misslingt, wenn jeder nur auf seinem eigenen Standpunkt beharrt und nicht versucht, den Standpunkt des Gegenübers zu verstehen. Die hübsche junge Kollegin sagte: „Ich kann Ihnen den Esstisch auch mal ausgezogen zeigen.“ Und der Kunde wehrte ab: „Nein, behalten Sie die Klamotten ruhig an.“

„Der Kunde ist König“, lautet eine alte Verkäuferregel. Aber wie reagieren Sie, wenn er sich gar nicht königlich benimmt?
Hofmann: Die Monarchie ist in Deutschland mit der Weimarer Verfassung 1919 abgeschafft worden. Ich will damit sagen, dass das alte Denkmodell vom Kunden als König heute nicht mehr aktuell ist. Heute versuchen wir, die Kunden als Partner zu betrachten, mit denen wir gemeinsam etwas schaffen. Was tun Sie, wenn ein Partner frech oder aufdringlich wird? Sie weisen ihn höflich, aber bestimmt darauf hin und fragen ihn, was er mit seinem Verhalten bezwecken möchte.

„Über Geschmack lässt sich nicht streiten“ – oder doch? Die Sitzfläche zu breit, das Sofa zu rot... – wie gehen Sie mit den geschmäcklerischen Auswüchsen Ihrer Kunden um?
Hofmann: Streit führt nur zur Abgrenzung, deshalb streite ich nicht mit Kunden und schon gar nicht über Geschmack. Und grundsätzlich soll jeder und jede bekommen, was er oder sie möchte. Aber wenn die Ansprüche gar zu hoch sind oder sich, am schlimmsten, ständig ändern, dann muss ich schon mal tief in die Humorkiste greifen, um die Situation zu entkrampfen.

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