Grenzenlos kicken

Der Sport holt die Jugendlichen von der Straße, das Regelwerk wird zur Lebenshilfe

Der Mann muss wissen, wovon er spricht. "Der Fußball bietet eine große Chance, Jugendliche von der Straße zu holen und in eine Gruppe zu integrieren. Denn auf der Straße wären sie verloren", sagt Waldemar Matysik.

"Das ist ein Stück Sozialarbeit." Der 44 Jahre alte Pole, derzeit Trainer der A-Junioren-Bezirksligafußballer des 1. SF Brüser Berg, hat dem Fußball alles zu verdanken. Er war Profi unter anderem beim Bundesligisten Hamburger SV, stand 52 Mal in der polnischen Nationalelf und kennt sich auch bei Weltmeisterschaften gut aus: 1982 in Spanien und 1986 in Mexiko war er mit dabei.

Am Brüser Berg aber steht der Ex-Profi noch einmal vor einer echten Herausforderung, denn sein Team besteht aus Kickern vieler Nationalitäten. Türken, Marokkaner, Polen und Italiener sind ebenso vertreten wie Deutsche, syrische Kurden und ein Däne. Gerade das aber macht den Reiz aus, findet Matysik. "Du musst versuchen, dich in die Spieler hineinzuversetzen, musst dich mit fremden Kulturen und Religionen auseinandersetzen, um den anderen zu verstehen."

Gegenseitiges Verständnis, Akzeptanz der Mitspieler, Respekt gegenüber dem Gegner - das sind nicht nur nach Matysiks Auffassung Eigenschaften, die durch den Fußball erlernbar sind. "Aber es geht nicht von heute auf morgen; es ist ein langer Prozess", weiß Matysik aus eigener Erfahrung mit "seinen" A-Jugendlichen.

Die Zeit nimmt der Ex-Profi gern in Kauf, denn der Lohn kann sich sehen lassen. Wenn verschiedene Nationalitäten keine Rolle mehr spielen, wenn Jugendliche verschiedener Kulturkreise wie selbstverständlich miteinander umgehen, wenn aus unterschiedlichsten Charakteren eine Einheit wird - dann hat der Fußball weit mehr als nur den sportlichen Zweck erfüllt.

Dem pflichtet Matysiks Spieler Mustapha Bahlaouane bei. "Der Sport ist eine Parallele zur Gesellschaft", findet der 17-jährige Marokkaner, Schüler an der Bertolt-Brecht-Gesamtschule. Es sei positiv und diene der Entwicklung, "mit Spielern verschiedener Nationen in Berührung zu kommen".

Selbst wenn's mal Zwist gebe, so Bahlaouane, könne dies noch einen postiven Effekt haben: "Du lernst, beim nächsten Mal abgeklärter zu reagieren." Teamfähigkeit, Kompromissfähigkeit, Disziplin und Ordnung, das Einhalten bestimmter Regeln - das sind die Tugenden, die Lukas Sauer, A-Junioren-Libero des SV Buschdorf, am Fußball schätzt. "Wer immer nur seinen eigenen Kopf durchsetzen will, kommt nicht weit", hat der 17 Jahre alte Schüler des Tannenbusch-Gymnasiums erkannt.

Aber auch das Selbstbewusstsein des jungen Mannes hat der Sport gefördert. "Durch den Fußball hatte ich zum ersten Mal ein echtes Ziel vor Augen, habe ich zum ersten Mal Ehrgeiz entwickelt, um dieses Ziel zu erreichen", berichtet Sauer von einer "Schule fürs Leben". Soll heißen: "Im Fußball wie im Leben musst du dich an bestimmte Spielregeln halten. Tust du es nicht, landest du im Abseits. Im Abseits aber erreichst du nichts; du schadest und behinderst nur andere." (ley)

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