Analyse Gabriels Außenpolitik mit Ecken und Kanten

Berlin · Neben Frank-Walter Steinmeier hat Sigmar Gabriel die größte internationale Erfahrung unter den SPD-Ministern. Aber reicht das für das Amt des Außenministers? Der Vizekanzler startet nicht gerade mit überbordender Begeisterung in den neuen Job.

Sigmar Gabriel wirkt nicht so, als wenn er mit dem Amt des Außenministers nun seinen Traumjob gefunden hätte. Diese Lösung habe sich angeboten, weil er nun mal die größte internationale Erfahrung in der SPD hat, sagt er.

Er habe die schwarz-rote Regierung mit herbeigeführt. "Deswegen werde ich sie auch mit Anstand zu Ende bringen." Begeisterung klingt anders.

Das mit der internationalen Erfahrung stimmt allerdings. Gabriel hat als Wirtschaftsminister zwar nicht ganz so viele Länder bereist wie Außenminister Frank-Walter Steinmeier, aber sicher mehr als die meisten anderen Kabinettskollegen.

Dabei ist er in so manches Fettnäpfchen getreten - und regelmäßig beim Koalitionspartner Union angeeckt. Selbst in dem von Parteifreund Frank-Walter Steinmeier geführten Auswärtigen Amt sorgte er für Irritationen, weil er zuweilen als "Elefant im Porzellanladen der Diplomatie" aufgetreten ist. Einige Beispiele für Gabriels Außenpolitik mit ihren vielen Ecken und Kanten:

RUSSLAND: In der Union ist Gabriel als Russland-Freund und Putin-Versteher verschrien. Die Krim-Krise hielt ihn nicht davon ab, den russischen Präsidenten zu besuchen - zuletzt im September, zu Zeiten massiver russischer Bombardements in Syrien. Beim Koalitionspartner hat sich Gabriel vor allem mit seiner Forderung nach einer schrittweisen Aufhebung der Sanktionen unbeliebt gemacht. "Isolation und Konfrontation bieten keine Perspektiven und sind keine sinnvolle Politik", sagt Gabriel. Für die Union steht dagegen die Abschreckung Russlands und der Schutz der Nato-Partner im Osten im Vordergrund.

USA: Mit seinen Sympathien für eine Aufhebung von Russland-Sanktionen liegt Gabriel auf einer Linie mit US-Präsident Donald Trump. Damit hat es sich dann aber schon mit den Gemeinsamkeiten. Der Vizekanzler hat sich nach der Amtseinführung Trumps so scharf wie kein anderes Regierungsmitglied zu dessen Antrittsrede geäußert. Er warf dem US-Präsidenten "hoch nationalistische Töne" vor. "Es fehlen eigentlich nur noch so Begriffe wie das Parlament als "Quasselbude" zu bezeichnen, oder von "Systemparteien" zu reden. Dann sind sie in der politischen Rhetorik der Konservativen und Reaktionäre der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts." Bundeskanzlerin Angela Merkel hat dagegen die Linie ausgegeben, konstruktiv mit Trump umzugehen.

IRAN: Gabriel reiste im Juli 2015 als erster europäischer Spitzenpolitiker nach der Atom-Einigung mit dem Iran nach Teheran, um Deutschland im Wettrennen um die besten Wirtschaftsverträge in die Pool-Position zu bringen. Merkel, aber auch Steinmeier sahen das skeptisch. In Israel war man regelrecht verärgert. Dort wird der "Kuschelkurs" westlicher Länder mit dem Iran als Bedrohung wahrgenommen. Inzwischen hat ist die deutsch-iranische Freundschaft aber ohnehin wieder abgekühlt. Gabriels zweite Iran-Reise im Oktober endete mit einem Eklat: Parlamentspräsident Ali Laridschani ließ ihn abblitzen und sagte einen Gesprächstermin mit ihm kurzfristig ohne Begründung ab.

CHINA: Bei den China-Reisen Gabriels ging es nicht nur um wirtschaftliche Interessen, sondern stets auch um Menschenrechte. Gleich bei seiner ersten Peking-Reise 2014 ging der dabei aber diplomatisch ungeschickt vor. Er kündigte ein Treffen mit Menschenrechtsaktivisten vorab an - und verhinderte es damit. Der chinesische Sicherheitsdienst wurde bei seinen Gesprächspartnern vorstellig und verbot ihnen die Teilnahme.

ÄGYPTEN: In der Diplomatie kommt es darauf an, den richtigen Ton zu treffen und jede Formulierung genau abzuwägen. Das gehört nicht zu Sigmar Gabriels Stärken. Am weitesten daneben lag er mit einer Äußerung über den ägyptischen Präsident Abdel Fattah al-Sisi. Er nannte das Staatsoberhaupt des arabischen Landes, dem Verstöße gegen zentrale Bürger- und Menschenrechte vorgeworfen werden, einen "beeindruckenden Präsidenten". Dafür steckte er auch aus den eigenen Reihen Kritik ein.

Gabriel ist sich dennoch sicher, dass er die Umstellung auf Diplomatendeutsch hinbekommen wird. "Ich hoffe, dass ich doch in der Lage sein werde, größere außenpolitische Krisen nicht sprachlich auszulösen", sagte er am Mittwoch auf einer Pressekonferenz.

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