Fragen & Antworten: Will Israel die Hamas stürzen?

Tel Aviv · Die israelische Armee dringt am Boden immer tiefer in den Gazastreifen ein. Beschränkt das Militär sich dabei wirklich auf die Zerstörung der Hamas-Tunnel oder zielt Israel auf den Sturz der allgemein verhassten Machthaber in dem Palästinensergebiet ab?

Israels Bodenoffensive im Gazastreifen weitet sich zusehends in einen blutigen Häuserkampf aus. Es gibt zahlreiche Opfer unter den Palästinensern, aber auch auf der israelischen Seite. Versinkt Israels Militär jetzt immer tiefer im Sumpf des Gazastreifens?

Warum dringt die israelische Armee mit Bodentruppen in dicht besiedelte Wohngebiete im Gazastreifen vor?

Die radikal-islamische Hamas hat nach Darstellung der israelischen Armee vor allem die Außenbezirke der Stadt Gaza in eine Art Festung militanter Kämpfer verwandelt. In dem Gaza-Viertel Sadschaija, wo es besonders viele Opfer unter den Zivilisten gab, seien viele Tunnel-Eingänge gefunden worden. Diese führten unterirdisch auf israelisches Gebiet und sollten für Anschläge und Entführungen genutzt werden. Auch viele Raketen seien aus den dicht besiedelten Wohnvierteln auf Israel abgefeuert worden. Hamas-Kämpfer hätten die Soldaten aus Häusern mit Panzerfäusten angegriffen, im Straßenkampf würden Selbstmordattentäter eingesetzt. Israel bedauert die vielen Opfer unter Frauen und Kindern, wirft Hamas jedoch vor, selbst die Verantwortung dafür zu tragen. Man habe die Menschen vor den Angriffen zum Verlassen ihrer Häuser aufgerufen, die Hamas habe sie aber teilweise sogar daran gehindert.

Wie lange geht das Blutvergießen in dem Palästinensergebiet noch weiter?

Israel will der Hamas mit der Bodenoffensive einen schweren Schlag versetzen. US-Außenminister John Kerry kommt jetzt aber in die Region, um sich für eine rasche Waffenruhe einzusetzen. Der israelische Verteidigungsminister Mosche Jaalon sagte, der Löwenanteil der Tunnel könnte in "zwei bis drei Tagen" zerstört sein. Gleichzeitig stimmt Israel seine Bevölkerung auf "lange und schwere Tage des Kämpfens" ein. Es ist also offen, wie viele Opfer es noch geben wird.

Warum stimmt die Hamas trotz der vielen Toten unter der Zivilbevölkerung keiner Waffenruhe zu?

Hamas will mit den Raketenangriffen auf Israel eine grundlegende Veränderung der Lage im Gazastreifen bewirken. Die Situation der radikal-islamischen Organisation ist so schlecht, dass sie kaum noch etwas zu verlieren hat. Sie will Israel und Ägypten mit Gewalt dazu zwingen, die jahrelange Blockade des Küstenstreifens am Mittelmeer aufzuheben. Den ägyptischen Vermittlungsvorschlag lehnt Hamas ab, weil er aus ihrer Sicht nur eine Rückkehr zum verhassten Status quo bedeutet. Der Hamas-Führer Mussa Abu Marsuk ging sogar soweit zu sagen, eine Wiedereroberung des Gazastreifens durch Israel sei einer Fortsetzung der Blockade vorzuziehen.

Will Israel die Hamas jetzt doch stürzen?

Angesichts der nie dagewesenen Isolation und Schwächung der Hamas ist für Israel die Versuchung groß, einen Sturz des Erzfeinds anzustreben. Immer mehr Politiker bezeichnen Hamas angesichts der Raketenangriffe auf fast ganz Israel als "strategische Bedrohung". Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte zu Fragen nach einem Sturz von Hamas, dies sei "ein langer Prozess". Gleichzeitig betont Israel immer wieder, es sei keineswegs Ziel der gegenwärtigen Offensive, die Hamas zu entmachten. Ein solches Vorhaben wäre für Israel auch äußerst riskant: es wäre mit noch deutlich mehr Toten unter der palästinensischen Zivilbevölkerung verbunden. Dies würde wiederum die internationale Entrüstung und Wut gegen Israel weiter schüren. Es gibt zudem Warnungen, nach Hamas könnten unter dem Eindruck der Gewalt sogar noch radikalere Gruppen an die Macht kommen. Der gemäßigte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas würde als Kollaborateur Israels angesehen, sollte er nach einem Hamas-Sturz im Gazastreifen wieder die Kontrolle übernehmen.

Wie wirken sich die Verluste unter den israelischen Soldaten auf die Lage aus?

Der Tod von Soldaten löst in Israel immer besonders emotionale Reaktionen aus. Die Öffentlichkeit reagiert außergewöhnlich empfindlich auf diese Verluste, fast mehr als bei Opfern unter Zivilisten. Mehr Tote in den Reihen des Militärs könnten Forderungen nach einer raschen Beendigung der Offensive auslösen, auf der anderen Seite aber auch Forderungen, die Armee solle "die Aufgabe ganz zu Ende bringen".

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