Wissenschaft Experte plädiert für Verjährungsfrist bei Plagiatsfällen

Berlin · Verjährung für wissenschaftliches Fehlverhalten - gerade nach mehreren Plagiatsaffären prominenter Politiker ist das ein Reizthema. Doch nach Expertenansicht gibt es gute Gründe, gnädiger zu sein.

 Dissertation von Ex-Bundesbildungsministerin Annette Schavan, bei der unkorrektes Zitieren und die Vernachlässigung wissenschaftlicher Standards festgestellt wurden.

Dissertation von Ex-Bundesbildungsministerin Annette Schavan, bei der unkorrektes Zitieren und die Vernachlässigung wissenschaftlicher Standards festgestellt wurden.

Foto: Daniel Naupold/Archiv

Der wichtigste Experte für saubere wissenschaftliche Arbeit in Deutschland, Professor Wolfgang Löwer, plädiert für eine Verjährungsfrist bei Plagiatsfällen. Es gehe ihm nicht darum, verdächtige Doktorarbeiten etwa nach 15 Jahren nicht mehr zu prüfen, sondern um den gesellschaftlichen Schutz der Verfasser.

"Nur die Sanktionsbefugnis sollte verjähren", sage der Sprecher des Gremiums "Ombudsman für die Wissenschaft" der Deutschen Presse-Agentur. "Man müsste dann nicht seinem gesamten wirtschaftlichen und privaten Umfeld mitteilen: Übrigens, ich bin kein Doktor mehr. Man müsste dann auch nicht mehr Kündigungen durch den Arbeitgeber fürchten."

Die halbjährige Dauer des Prüfverfahrens der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) zu Täuschungsvorwürfen gegen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) wegen ihrer Doktorarbeit von 1990 ist nach Ansicht Löwers "nicht ungewöhnlich". Nach der Vorprüfung benötige eine Hochschule meist drei Sitzungen.

"In der ersten Sitzung wird über den Fall berichtet, die Dokumente werden allen Entscheidungsträgern zur Einsicht überlassen. Danach wird ein Anhörungstermin anberaumt, den Politiker normalerweise nicht in Person wahrnehmen. Obwohl ich immer empfehle, persönlich zu erscheinen, damit man jemandem ins Weiß oder Blau des Auges blicken kann, wenn man mit ihm redet. In einer dritten Sitzung wird die Anhörung verarbeitet und dann entschieden."

Löwer betonte, eine klare Identifizierung von Plagiaten bei Promotionen wie im Fall von der Leyen sei oft gar nicht einfach. "Naturwissenschaftliche Arbeiten beruhen auf dem Prinzip, dass zunächst der Stand der Forschung beschrieben wird, und danach kommt das Eigene. Welche Zitierregeln in diesem ersten Abschnitt herrschen, dazu gibt es keine Übereinkunft. Daran muss die wissenschaftliche Community noch arbeiten."

Nach Worten Löwers ist der Wortschatz für Naturwissenschaftler meist begrenzter als für Geisteswissenschaftler: "Sie können über die Relativitätstheorie nicht anders sprechen als in der Sprache der Relativitätstheorie." Dennoch sei "das schlichte Abkupfern" auch hier nicht zu rechtfertigen", sagte der Experte.

Löwer geht nicht davon aus, dass politischer Druck bei Plagiatsaffären Hochschulen allzu sehr beeindruckt: "Gott sei Dank sind Professoren neben Richtern die institutionell unabhängigsten Leute. Von daher ist die Chance auf Unbeeinflusstheit relativ groß."

Aus dem bislang letzten Jahresbericht des Ombudsman-Gremiums für 2014 geht hervor, dass insgesamt 63 Anfragen die Fachleute erreichten. In neun Fällen wurden Verfahren eröffnet, vier wurden noch im selben Jahr abgeschlossen. Anfragen zur Autorenschaft von wissenschaftlichen Arbeiten machten den größten Teil der Anfragen aus (32 Prozent), gefolgt von Hinweisen auf ein mögliches Plagiat (22 Prozent).

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