Europas Politiker appellieren an Griechen

Brüssel/Athen · Angesichts geschlossener Banken und drohender Staatspleite versucht Europa, Griechenland doch noch auf ein Ja zum Spar- und Reformpaket der Geldgeber einzuschwören.

 "Tiefst" steht drohend über den Plätzen der Mitarbeiter an der Börse in Frankfurt am Main. Foto: Fredrik von Erichsen

"Tiefst" steht drohend über den Plätzen der Mitarbeiter an der Börse in Frankfurt am Main. Foto: Fredrik von Erichsen

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"Ein "Nein" würde ein Nein zu Europa heißen", sagte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker am Montag in Brüssel mit Blick auf das für Sonntag angekündigte Referendum. Kanzlerin Angela Merkel versicherte, man werde sich weiteren Verhandlungen nicht verschließen, wenn Athen nach der Volksabstimmung darum bitten sollte. Der befürchtete Börsencrash blieb am Montag aus, allerdings gab es deutliche Kursverluste.

Juncker sagte mit Blick auf das Dienstagnacht auslaufende Rettungsprogramm für Griechenland: "Es ist nicht so, dass wir endgültig in einer Sackgasse feststecken würden. Aber die Zeit wird immer knapper." Mit dem Auslaufen entgehen Athen vorerst weitere Hilfen, die angesichts leerer Staatskassen dringend benötigt würden. Damit wird es für das hochverschuldete Land praktisch unmöglich, am gleichen Tag eine Rückzahlung über 1,54 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zu leisten.

In Griechenland bleiben Banken und Börse bis Anfang kommender Woche geschlossen. In den vergangenen Tagen hatten immer mehr verängstigte Bürger Bargeld abgehoben und damit die Geldhäuser in Schwierigkeiten gebracht. An Geldautomaten dürfen Griechen seit Montag maximal 60 Euro pro Tag abheben, für ausländische Bankkarten soll die Beschränkung aber nicht gelten. Dennoch riet das Auswärtige Amt deutschen Griechenland-Besuchern bereits am Sonntag, ausreichend Bargeld mitzunehmen.

Am Montag bat Griechenlands Premier Alexis Tsipras erneut um eine kurzfristige Verlängerung des Hilfsprogramms "um ein paar Tage". Tsipras hatte für diesen Sonntag (5.7.) überraschend eine Volksabstimmung über die Reformvorschläge der Gläubiger Griechenlands angekündigt und die Europartner so vor den Kopf gestoßen. Die Euro-Finanzminister erklärten daraufhin am Samstag ihre Verhandlungen mit Athen für gescheitert.

Juncker äußerte sich auch persönlich enttäuscht über Tsipras. Dieser habe ihn in stundenlangen Verhandlungen nicht darüber informiert, eine Volksabstimmung abzuhalten. "Das kam für mich als eine Überraschung." Juncker sagte, er habe alles getan, um einen Kompromiss zu ermöglichen. Wörtlich sagte er, er fühle sich von der griechischen Regierung während der Verhandlungen "verraten".

Einen "Grexit", also einen Austritt Griechenland aus dem Eurogebiet, lehnte der frühere Eurogruppenchef erneut ab. Das sei für ihn nie eine Option gewesen. "Sie wissen gut, dass die Griechen meinem Herzen sehr nahe stehen", sagte er zu Medienvertretern. Offen blieb, ob der Kommissionschef in letzter Minute - und damit vor dem Referendum - noch Initiativen auf den Weg bringen will.

Auch Frankreich zeigte sich zur Wiederaufnahme der Verhandlungen mit Athen bereit. Er wünsche sich, dass die Gespräche weitergeführt würden, sagte Frankreichs Präsident François Hollande in Paris.

Die Stimmung an den Finanzmärkten erlebte am Montag einen kräftigen Dämpfer. Zum Handelsauftakt an den europäischen Börsen rutschten die Kurse tief ins Minus, erholten sich dann aber wieder etwas. In Athen hatte die Börse gar nicht erst aufgemacht. Der deutsche Leitindex Dax rutschte zum Start um mehr als vier Prozent ab, nachmittags lag der Rückgang im Vergleich zum Freitag aber nur noch bei gut zwei Prozent. Der Euro-Wechselkurs konnte sich ebenfalls wieder etwas fangen und lag zuletzt bei gut 1,11 Dollar und damit knapp einen Cent im Minus.

Tsipras rief seine Landsleute zur Besonnenheit auf. "Geldeinlagen in griechischen Banken sind absolut sicher", sagte er. Gehälter und Renten seien "garantiert". In den kommenden Tagen seien Geduld und Gelassenheit nötig. Die kritische Situation könne überwunden werden. Bislang hat mit Zypern erst ein Euroland jemals Kapitalverkehrskontrollen verhängt.

Als Auslöser für die Bankschließungen und Kapitalverkehrskontrollen gilt der Beschluss der Europäischen Zentralbank (EZB) vom Sonntag, die Notkredite für griechische Banken zunächst einzufrieren. Dies setzt die Kreditinstitute unter Druck, da der bewilligte Kreditrahmen dem Vernehmen nach bereits ausgeschöpft war. Noch fataler wäre jedoch eine Entscheidung gewesen, die Notfall-Liquiditätshilfen (ELA) ganz zu kappen. Denn streng genommen dürfen diese Kredite nur an Banken vergeben werden, die einen vorübergehenden finanziellen Engpass haben - was im Fall Griechenland umstritten ist. Die EZB will am Mittwoch wieder über die Ela-Kredite entscheiden.

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