Erinnerungen an den 17. Juni

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 Demonstranten werfen mit Steinen nach russischen Panzern (17. Juni 1953).

Demonstranten werfen mit Steinen nach russischen Panzern (17. Juni 1953).

Foto: dpa

Durch die Teilnahme an den Demonstrationen in Halle/Saale habe ich folgende Erinnerungen: Die Arbeiter aus vielen Betrieben im Süden von Halle zogen am Geschäft meines Vaters in der Innenstadt vorbei zum Untersuchungsgefängnis in der Nähe des Marktplatzes. Ein Lkw rammte dort das Gefängnistor. Die Menge stieß die Bewacher zur Seite, stürmte das Gefängnis und befreite politische Gefangene. Sie zog dann weiter zur SED-Zentrale am Steintor, wo Akten aus fast allen Fenstern unter Jubel auf die Straße geworfen wurden.

Am Abend versammelten sich Tausende auf dem Halleschen Hallmarkt, wo Redner bessere Arbeitsbedingungen, aber auch freie Wahlen forderten - unter dem stürmischen Beifall der Menge - , bis sich russische Panzer von der Saale her näherten, die Demonstranten zusammenschoben und somit die Versammlung gewaltsam auflösten. Es kam zu umfangreichen Verhaftungen von Teilnehmern, sofern sie sich nicht durch Flucht nach Westberlin absetzen konnten. Was danach blieb, waren momentane Verbesserungen in der Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln und auch das Herabsetzen von Produktionsnormen in den Betrieben. Mein Vater konnte seinen privaten Betrieb weiterführen, obwohl die Schließung schon beschlossen worden war.

Ich selbst durfte die Oberschule bis zum Abitur besuchen, was als Sohn eines "Kapitalisten" ansonsten nicht mehr möglich gewesen wäre. Ein Studium in der DDR nach dem Abitur 1957 wurde dann jedoch abgelehnt. Etwa die Hälfte meiner Klasse setzte sich über Westberlin in die Bundesrepublik ab. Der sich in der Folgezeit immer weiter ausdehnende Exodus aus der DDR führte schließlich am 13. August 1961 zum Bau der Berliner Mauer.

Dr. Ulrich Klimke, Wachtberg

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