Erdogan gewinnt Präsidentenwahl mit über 50 Prozent

Istanbul · Regierungschef Recep Tayyip Erdogan hat die Präsidentenwahl in der Türkei nach vorläufigen Ergebnissen bereits im ersten Wahlgang gewonnen.

Nach Auszählung fast aller Stimmen kam der islamisch-konservative Politiker auf rund 52 Prozent, wie türkische Fernsehsender am Sonntagabend meldeten. Auch der Chef der Wahlkommission, Sadi Güven, sprach auf der Grundlage erster vorläufiger Ergebnisse von einer absoluten Mehrheit für Erdogan. Der 60-Jährige wird damit das erste durch das Volk gewählte Staatsoberhaupt der Türkei.

Vor jubelnden Anhängern in Istanbul sagte Erdogan: "Heute hat unsere Nation bei den Wahlen ihren Willen ausgedrückt." Kritiker befürchten, dass Erdogan als Präsident seine Macht weiter ausbauen und die Islamisierung der Türkei vorantreiben könnte.

Der Gemeinschaftskandidat der beiden größten Oppositionsparteien CHP und MHP, Ekmeleddin Ihsanoglu, lag nach Auszählung von mehr als 99 Prozent der Stimmen bei rund 39 Prozent. Der Kandidat der pro-kurdischen HDP, der Kurde Selahattin Demirtas, erzielte demnach knapp 10 Prozent. Die Wahlbeteiligung gab CNN Türk mit 74,1 Prozent an. Ihsanoglu gratulierte Erdogan am Sonntagabend zum Sieg.

Erdogan regiert seit 2003 und hätte nach den AKP-Statuten nicht ein viertes Mal Ministerpräsident werden dürfen. Mit Erdogans Wahlsieg dürften die Weichen für die Einführung eines Präsidialsystems gestellt und das Amt mit noch mehr Macht ausgestattet werden. Als eines seiner zentralen Ziele hat Erdogan eine neue Verfassung angekündigt. Im Wahlkampf hatte er seinen Anhängern eine "neue Türkei" versprochen.

Erdogan gelang der Wahlsieg trotz zahlreicher Krisen, die seine Regierung seit dem Sommer vergangenen Jahres erschütterten. Damals gingen bei den Gezi-Protesten Millionen Türken gegen seinen autoritären Regierungsstil auf die Straßen. Später sah sich seine Regierung massiven Korruptionsvorwürfen ausgesetzt. Auch aus der EU wurde Erdogans autoritärer Kurs mehrfach kritisiert.

Die Amtszeit des neuen Präsidenten beginnt am 28. August. Der scheidende Präsident Abdullah Gül, der wie Erdogan zu den Gründern der Regierungspartei AKP zählt, hatte sich auf eine zeremonielle Rolle beschränkt. Schon jetzt gibt die Verfassung dem Präsidenten allerdings erhebliche Macht. So sind beispielsweise seine Entscheidungen juristisch nicht anfechtbar.

Erdogan wird das zwölfte Staatsoberhaupt der Türkei. Als Präsident kann er nach fünf Jahren für eine weitere Amtszeit wiedergewählt werden. Erdogan hat mehrfach deutlich gemacht, dass er zum 100. Geburtstag der Republik 2023 noch in der Türkei herrschen will. Erdogan kündigte für den späten Sonntagabend eine Ansprache in der Zentrale seiner Partei AKP in der Hauptstadt Ankara an.

Gegenkandidat Ihsanoglu (70) kritisierte am Sonntag: "Der Wahlkampf wurde unter ungerechten und ungleichen Voraussetzungen geführt." Die Opposition hatte Erdogan vorgeworfen, staatliche Ressourcen im Wahlkampf zu nutzen. In die Kritik war auch der Staatssender TRT geraten, der Erdogan viel mehr Sendezeit einräumte als seinen beiden Kontrahenten.

In der Türkei waren rund 53 Millionen Menschen zur Stimmabgabe aufgerufen. Erstmals hatten zusätzlich auch die 2,8 Millionen wahlberechtigte Auslandstürken die Möglichkeit, außerhalb der Türkei zu wählen. Davon machten aber nur 8,3 Prozent Gebrauch.

Wenn die Wahlkommission Erdogan offiziell zum designierten Präsidenten erklärt, muss er den AKP-Vorsitz abgeben. Basis für die erste Direktwahl des Präsidenten durch das Volk war ein Verfassungsreferendum aus dem Jahre 2007. Zuvor wurde das Staatsoberhaupt vom Parlament bestimmt.

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