Eine Stadt wehrt sich: Separatisten unerwünscht

Dnjepropetrowsk · Die ostukrainische Stadt Dnjepropetrowsk lehnt sich gegen die Separatisten auf. Allerdings beklagen einige Einwohner unheilvolle Allianzen mit rechtsradikalen Kräften.

 Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko in ihrer Heimatstadt Dnjepropetrowsk, die sich gegen die prorussischen Separatisten wehrt. Foto: Aleksandr Prokopenko/Tymoshenko Press Service/Archiv

Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko in ihrer Heimatstadt Dnjepropetrowsk, die sich gegen die prorussischen Separatisten wehrt. Foto: Aleksandr Prokopenko/Tymoshenko Press Service/Archiv

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Männer mit Kalaschnikow-Gewehren halten Wache in einem Regierungsgebäude von Dnjepropetrowsk. Hier war bis vor kurzem ein Bürgerbüro für "transparente Politik", jetzt bevölkern Dutzende Freiwillige die Räume. Hektisch koordinieren sie ihre "Landesverteidigung", mit der die Regionalregierung den prorussischen Separatisten in der Heimatstadt von Präsidentschaftskandidatin und Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko die Stirn bieten will.

Die Industrieregion mit etwa 3,5 Millionen Einwohnern ist ein Lichtblick für die Regierung in Kiew. Schließlich will die prowestliche Führung beweisen, dass sich die separatistische Bewegung in der Ostukraine höchstens auf die russischsprachigen Regionen Donezk und Lugansk begrenzt. Vor der Präsidentenwahl an diesem Sonntag (25. Mai) hat Stabilität höchste Priorität.

Die Abstimmung, so sagen viele in Dnjepropetrowsk, sei vielleicht die letzte Chance, einen Bürgerkrieg zu verhindern. Dabei setzen sie auf Pjotr Poroschenko - und nicht etwa auf Timoschenko. Der reiche Süßwarenfabrikant liegt in den Umfragen weit vorne. "Nur ein starker Präsident kann eine Lösung für die Ukraine bieten", sagt der 24-jährige Maxim Sidorenko dazu.

Juri Berjosa hat das Kommando im Hauptquartier der 4000 Milizionäre der Regionalregierung. "Dnjepropetrowsk ist nicht Donezk", sagt der 30-Jährige. "Hier sind wir sehr gut organisiert und sehr patriotisch." In der Tat ziert viele Autos die blau-gelbe ukrainische Landesflagge. Freiwillige verteilen die Fähnchen an Kreuzungen. Die orange und schwarz gestreiften Bänder der moskautreuen Kräfte sind dagegen kaum zu sehen. Auf den Straßen der überwiegend russischsprachigen Stadt wird auch Ukrainisch gesprochen.

Für viele liegt es an dem von Kiew eingesetzten Gouverneur Igor Kolomoiski, dass es so wenig prorussische Demonstrationen gibt. Der Oligarch, dessen Mitarbeiter auf Plakaten Kopfgeld für gefangene moskautreue Militante ausloben, habe separatistische Bestrebungen gar nicht erst aufkommen lassen, lobt der Rentner Pjotr Schnejder. Auch Milizionär Alexej sagt: "Er ist der Beschützer dieser Region." Seinen Nachnamen will der Mann, der bei seiner Truppe angeblich für Sabotage und Spionage zuständig ist, aus Angst vor Racheaktionen der Separatisten nicht nennen.

Die freiwilligen pro-ukrainischen Kämpfer würden außerhalb von Dnjepropetrowsk ausgebildet, erklärt Alexej, der die nationalistische Partei Swoboda unterstützt. Sie unterstehen demnach dem Kommando des Innenministeriums oder des Verteidigungsministeriums. "Es ist ihre Aufgabe, alle bewaffneten Illegalen, die ihre Zugehörigkeit nicht kenntlich machen, sofort zu liquidieren", erklärt Alexej in martialischem Ton.

Aus Moskauer Sicht sind die ukrainischen Freiwilligen von Neonazi-Ideen angetriebene Ultranationalisten, die prorussischen Kräfte aber Kämpfer gegen den Faschismus. Auch Alexej räumt ein, dass Rechtsradikale in diesen Einheiten mitmischen, darunter Mitglieder der militanten Partei Rechter Sektor.

Es seien aber nicht mehr als zehn Kämpfer des Rechten Sektors in der Stadt, sagt Alexej - und betont, die Freiwilligen bewegten sich strikt innerhalb des ukrainischen Rechts. Aber solche Versicherungen beruhigen Wlada Schukowa wenig. "Wir werden hier still und leise in ein Bollwerk des Rechten Sektors verwandelt", sagt die 24-jährige Soziologin vom Bündnis prorussischer Organisationen "Dnjepr Steh Auf". Viele Bewohner hätten Sympathien für die Separatisten, wagten aber nicht, dies öffentlich zu sagen.

Die Regierung betont, man wolle auch die prorussischen Kräfte einbinden. Doch das Büro, das ihre Gruppe erhalten habe, sei nahe am Hauptquartier des Rechten Sektors, beklagt Schukowa. Das Auto eines Kollegen sei beschädigt worden, fügt sie hinzu. Sie glaubt nicht, dass die Präsidentenwahlen am Sonntag Stabilität bringen. "Wie kann diese Abstimmung rechtmäßig sein, wenn sie in drei großen Regionen nicht stattfindet?" fragt sie. In Donezk, Lugansk und der von Russland einverleibten Krim wird nicht gewählt.

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