Sankt Augustins neue Mitte Ein Stadtzentrum im Wandel

SANKT AUGUSTIN · Ausflugsziele in der Region gibt es viele. Schlösser, Burgen, Wälder oder auch Schwimmbäder stehen im Sommer ganz oben auf der Liste. Aber eine Baustelle? In der Tat ist eine Baustelle wohl nicht jedermanns Lieblingsziel.

 Die Huma-Baustelle in ihrer ganzen Dimension.

Die Huma-Baustelle in ihrer ganzen Dimension.

Foto: Volker Lannert

Allerdings bietet gerade die Großbaustelle auf dem Huma-Areal in Sankt Augustin spannende Einblicke und tägliche Veränderungen. Sechs rote Kräne zeugen schon aus weiter Entfernung von den großen Arbeiten. 30.000 Kubikmeter Beton und 3800 Tonnen Stahl wurden alleine zu Beginn schon verbaut, 140 Geschäfte sollen auf 17.000 Quadratmetern spätestens bei Bauabschluss im September 2017 Platz finden.

Und auch Besucher finden schon jetzt einen Platz an der Baustelle: Von der alten Fußgängerbrücke aus bietet sich ein hervorragender Blick in die riesige Baugrube.

Doch nicht nur aus der einen Richtung donnern die Schläge des Presslufthammers, dröhnt der Bohrer in den Ohren: Auch die danebenliegende Bahn- und Bushaltestelle "Sankt Augustin Markt" wird im Zuge der Neugestaltung des Einkaufmarktes komplett umgebaut.

Eine neue Fußgängerbrücke wurde in einer Nacht am Donnerstagmorgen installiert. Bis zu 150 Bauarbeiter werden sich zu Hochzeiten allein auf dem Gelände der Huma-Baustelle aufhalten, kündigte Lars Johannsen, Geschäftsführer des Auftragsgebers Jost Hurler GmbH, jüngst an. "Es ist Wahnsinn, was auf der Baustelle passiert, welchen Fortschritt die Arbeiten tagtäglich machen.

Aber Huma ist nur der Anfang", sagt Rainer Gleß, Technischer Beigeordneter der Stadt Sankt Augustins. Es sei nicht nur eine Huma-Baustelle, sondern eine Baustelle für das Zentrum. "Masterplan urbane Mitte" heißt das Konzept, mit dem der Stadtkern modern gestaltet werden soll.

Der Mittelpunkt dieses neuen Zentrums ist aber der Huma-Neubau, umso spannender die Entwicklungen auf der Baustelle. "Wir erleben hier zum Teil einen wahren Baustellentourismus", sagt Gleß. Am 22. April begannen die Arbeiten in der Riesenkuhle.

"Gute und hochwertige Geschäfte", so hat es Johannsen formuliert, sollen in das neue Einkaufscenter einziehen. Von den insgesamt 140 Geschäften nach Ende des zweiten Bauabschnitts Ende 2017 werden mehr als 90 davon neu sein und einen Platz dort finden, wo jetzt noch Bagger und Kräne thronen.

Das Neubauprojekt ist dabei wahrlich nicht günstig: Mehr als 100 Millionen Euro kostet der neue Hingucker im Stadtkern. "Der Einkaufsmarkt ist integraler Bestandteil des Zentrums", sagt Gleß. Der Blick von oben auf die Baustelle ist wahrlich nur eine Momentaufnahme. Jeden Tag verändert sich das Bild. Und das wird sich in den nächsten Jahren so schnell auch nicht ändern, nicht nur auf dem Huma-Gelände selbst.

Rundherum entwickelt sich die Stadt weiter, erfindet sich zum Teil neu. Mittelpunkt soll der neugestaltete Marktplatz werden. "Wir wollen mehr Leben auf dem Platz. Deshalb war es uns wichtig, dass der Haupteingang des Huma in diese Richtung hin verlegt wird und auch Außengastronomie dort einen Platz findet", betont Gleß.

Aus dem großen Parkplatz zwischen der Südstraße und der Rathausallee wird ein Stadtpark, die Südstraße selbst wird nach der Neueröffnung des Huma schmaler werden, da sie als Hauptzufahrt nicht mehr benötigt wird. Die Straße endet vor der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, neben der gerade vier neue Studentenwohnheime entstehen.

Sankt Augustin ist eine Hochschulstadt, und will dies mit passenden Wohnmöglichkeiten untermauern. Und auch die Hochschule selbst soll schon bald wachsen. "Wir halten seit Jahren eine große Fläche für die Erweiterung frei. Jetzt befinden wir uns in guten Gesprächen und hoffen, in absehbarer Zeit zu einer Einigung zu kommen", sagt der Beigeordnete.

Damit dann ein möglicher Neubau gut an die Hauptverkehrsadern der Stadt angebunden sind, soll eine neue Verbindung zwischen der Rathausstraße vor dem Hochschulgebäude und der Bundesstraße 56 auf der anderen Seite des Huma geschaffen werden. Ost-West-Spange nennen die Planer diese Straße, die unterirdisch unter der Bahnlinie verlaufen soll und 3,4 Millionen Euro kosten wird. 60 Prozent davon zahlt die Stadt, die restlichen 40 Prozent übernimmt die Hurler GmbH.

Der nächste Hingucker im weiteren Stadtzentrum wird das Ronald McDonald's Haus, in dem Eltern eine Unterkunft finden, deren Kinder in der Kinderklinik, die nur wenige Hundert Meter entfernt liegt, behandelt werden. "Das ist eine tolle Sache und aufgrund der J-Form des Gebäudes absolut außergewöhnlich und identitätsbildend - auch für Sankt Augustin selbst", schwärmt Gleß.

Warum ausgerechnet in den kommenden Jahren an so vielen Stellen gleichzeitig gebaut wird, liegt auf der Hand. 1969 entstand die neue Gemeinde Sankt Augustin, im Jahr 1977 erhielt sie dann die Stadtrechte. Es entwickelte sich eine neue Stadt, die baulich nach den rund vier Jahrzehnten nun überholt ist. Brücken und Bauwerke müssen saniert werden, der Einkaufscharme der frühen 1980er Jahre passt nicht mehr in das heutige Bild.

Die Stadt muss sich neu aufstellen, verändert sich dabei täglich und bietet von vielen Seiten aus spannende Einblicke. Eine genaue Betrachtung auf diese Entwicklung lohnt sich - nicht nur von oben und nicht nur als Baustellentourist.

Erster Bauabschnitt des neuen Huma: Anfang Oktober 2015 soll der erste Bauabschnitt bezugsfertig sein. Die Geschäfte aus dem jetzigen Huma-Gebäude ziehen dann in den Neubau. Auf dem Dach entsteht eine Parkfläche mit rund 800 Stellplätzen.

Erster Bauabschnitt des neuen Huma: Anfang Oktober 2015 soll der erste Bauabschnitt bezugsfertig sein. Die Geschäfte aus dem jetzigen Huma-Gebäude ziehen dann in den Neubau. Auf dem Dach entsteht eine Parkfläche mit rund 800 Stellplätzen.

Erklärungen

Jetziges Huma-Gebäude: Nach dem Umzug der Geschäfte im Oktober 2015 in den Neubau soll mit dem Abriss des alten Einkaufmarktes begonnen werden. Auch hier wird dann ein Neubau entstehen, der neben weiteren Verkaufsflächen auch gastronomische Angebote beherbergen wird. Das Dach soll begrünt werden.

Größte Mieter: Der Real-Markt und Saturn ziehen ebenfalls im Herbst 2015 in den Neubau und sind dann die Mieter mit der größten Verkaufsfläche. Während der Elektronikmarkt seine jetzige Größe in etwa behält, wird der Supermarkt rund ein Drittel kleiner.

Spindel: An dieser Stelle entsteht eine Verkehrs-Spindel, die als Zufahrt zur Parkfläche auf dem Neubau dient. Über die Bahntrasse wird eine Brücke gebaut, der Baubeginn ist für diesen September geplant .

Parkplatz: Nach Ende des zweiten Bauabschnitts Ende 2017 wird aus dem Parkplatz bis hin zur ehemaligen Tankstelle an der jetzigen Einfahrt eine Parkanlage.

Neue Parkplätze: Entlang der Rathausstraße bis zur Fußgängerbrücke zwischen Post und Huma entstehen auf sechs Etagen weitere 1400 Parkmöglichkeiten.

Seniorenheim: Spätestens ab November soll an dieser Stelle ein neues Seniorenheim entstehen.

Neuer Bahnhaltepunkt "Sankt Augustin Markt":

Bis April 2015 entsteht hier der neue Bahnhaltepunkt "Sankt Augustin Markt". Die bisherige Fußgängerbrücke wird abgerissen, eine neue Brücke ist am Donnerstagmorgen bereits installiert worden. Auch neue Fahrstühle wird es geben. Die Betonfassade des Brückenbauwerks soll mit Pflanzen grüner werden.

Marktplatz: Der Marktplatzsoll im Zuge des Huma-Neubaus belebter werden. Der Haupteingang des Einkaufszentrums wird in Richtung Marktplatz ausgerichtet, neue Außengastronomie soll zudem Menschen auf den Platz locken, der in Teilen einen neuen Oberflächenbelag bekommt. Außerdem entstehen Aufzüge, die die Parkfläche unter dem Platz mit diesem barrierefrei verbinden.

Hochschule Bonn-Rhein-Sieg: 6702 Studierende hat die Hochschule zurzeit insgesamt, allein am Standort Sankt Augustin studieren 4431 junge Menschen.

Freifläche: Das 13.000 Quadratmeter große Grundstück wird seit Jahren von der Stadt für eine mögliche Hochschulerweiterung reserviert. Derzeit laufen entsprechende Gespräche.

Studentenwohnheime: Vier Häuser mit insgesamt 284 Zimmern entstehen hier. Bereits im September ziehen die ersten Studenten in die zwei bereits fertigen Wohnhäuser ein.

Ronald McDonalds Haus: Das Eltern-Kind-Haus der benachbarten Kinderklinik bietet Eltern einen Platz, deren Kinder länger in der Klinik behandelt werden. Der außergewöhnliche Baukörper in Form des Buchstaben "J" soll im Oktober fertig werden.

Ost-West-Spange: An dieser Stelle entsteht eine Verbindung der B 56 mit der Rathausallee auf der anderen Seite des Huma-Gebäudes, die unterirdisch unter der Bahntrasse verlaufen soll. Bis Jahresende - so hofft die Stadt - könnte mit dem Projekt begonnen werden. Insgesamt kostet diese Baumaßnahme etwa 3,4 Millionen Euro.

Die fliegende Kamera

Das Bild von der Huma-Baustelle hat unser Fotograf Volker Lannert mit einem Oktokopter gemacht: Das Fluggerät mit integrierter Kamera darf in NRW bis zu 100 Meter hochfliegen. Dabei kann die Drohne auch parken - also in der Luft stehen. Via GPS kann sie an einer Stelle in der Luft installiert werden, um so mehrere Aufnahmen zum Beispiel von einer Position aus zu machen.

An der Fernsteuerung ist ein Mini-Monitor integriert, der exakt das Bild anzeigt, das die Drohnenkamera sieht. Ein größerer Monitor mit mehr Schärfe auf einem Stativ hilft, die Kamerabilder genauer steuern zu können. Die Kamera wird mit einem Dreh-Mechanismus bewegt. Er kann nach oben oder unten kippen, um mehr Himmel oder mehr Boden im Bild zu haben, und den Winkel verändern.

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