Doping-Schatten auf Sotschi: Nikotin und neue Mixturen

Sotschi · Neue Doping-Mixturen, Nikotindoping im Eishockey und Mutmaßungen über die Dunkelziffer von Sportbetrügern werfen auch auf die Olympischen Winterspiele in Sotschi einen Schatten. So hat der Pharmakologe Fritz Sörgel zum Beginn des Großereignisses vor neuen, schwer nachweisbaren Doping-Mixturen gewarnt.

 Im Labor: Der Pharmakologe Fritz Sörgel. Foto: Daniel Karmann

Im Labor: Der Pharmakologe Fritz Sörgel. Foto: Daniel Karmann

Foto: DPA

Es gebe Athleten, die spezielle Mischungen herstellen lassen, "in denen so alles drin ist, was Dopingpotenzial hat und in der Kombination fantastisch wirkt", sagte der Wissenschaftler in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa.

Die Doping-Cocktails hätten außerdem den Vorteil, dass die Einzelstoffe in Mixturen schwerer nachweisbar sind, "weil ihre Konzentration niedrig ist". Dass solche Rezepturen in Sotschi zur Anwendung kommen, sei nicht ausgeschlossen, "aber rein spekulativ".

Sörgel erwartet, dass auch in bisher eher unverdächtigen Wintersportarten wie Eishockey einiges probiert wird. Tests zeigten, "dass man von einem hohen Potenzial für Nikotindoping ausgehen kann", erklärte er. Dies fördere die Kombinationsfähigkeit und Reaktionsschnelligkeit. "Auch bei Showsportarten, die bei Winterspielen eingeführt werden, können Drogen eine Rolle spielen."

Zweifel meldet Sörgel an, ob die Rekordzahl an Doping-Kontrollen von 2453 Proben - 14 Prozent mehr als in Vancouver 2010 - helfen wird, mehr Dopingsünder zu entlarven. "Wenn man sagt, es sind über 2000 Kontrollen, klingt das besser als 1800", meinte der Leiter des Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung (IBMP) in Heroldsberg bei Nürnberg. "Dass mehr Tests die Chance auf eine höhere Zahl von Dopingvergehen aufdeckt, ist rein statistisch-mathematisch zwar richtig, in der Praxis aber nie bewiesen worden." Im Gegenteil! "Die Zahl des Dopings überführter Sportler steigt nicht signifikant. In Deutschland ist sie schon lange mehr oder weniger konstant."

Nach Ansicht der großen Mehrheit der Deutschen läuft in Sotschi ohne verbotene Mittel nichts. 83 Prozent der Befragten einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Nachrichtenagentur dpa glauben nicht an dopingfreie Winterspiele am Schwarzen Meer. Gerade einmal neun Prozent halten es für möglich, dass alle Wintersportler von Samstag an ungedopt um die Medaillen kämpfen.

"Das Gefühl im deutschen Team ist, mit sauberen Mittel erfolgreich sein zu wollen", sagte Chef de Mission Michael Vesper am Freitag. "Mancher Athlet hat Vermutungen, aber ich halte nichts von einem Generalverdacht." Dazu zählte die Behauptung des Molekularbiologen Perikles Simon, 60 Prozent aller Olympia-Teilnehmer in Sotschi seien gedopt.

Eine neue Gefahr durch Gendoping droht dem Sport nach Erkenntnis von Sörgel nicht. Bisher gebe es keine Gentherapie, die einen manipulierten Übermenschen schaffen könnte. "Wenn ein Wissenschaftler dies schaffen würde, wäre er in erster Linie daran interessiert, den Nobelpreis zu bekommen und nicht einen Olympiasieger zu schaffen und anonym im Hintergrund zu bleiben - mag man ihm auch Millionen bieten", sagte Sörgel. "Gentherapie ist Zukunftsmusik."

Dies gilt für den Missbrauch mit dem Wachstumshormon (HGH) nicht. Für Wirbel hatte eine ARD-Recherche gesorgt, in der über Geschäfte eines Mitarbeiters der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau mit dem bisher unbekannten Dopingmittel Full Size MGF berichtet wurde. "Ich bin schockiert, weil das Mittel bisher nur an Tieren ausprobiert wurde", sagte David Howman, Generaldirektor der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA).

Die WADA kündigte allerdings in Sotschi an, dass der schon länger existierende HGH-Test noch einmal überprüft wurde und in den kommenden Wochen wieder zugelassen wird. Athleten, die HGH als illegalen Starkmacher bei den Winterspielen nutzen, freuen sich deshalb zu früh. Die rund 2500 Olympia-Proben werden zehn Jahre für Nachtests eingefroren.

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