Armut in Bonn Die Zahl der Bedürftigen steigt stetig

BONN · Derzeit geht ein Riss durch die Gesellschaft: Während auf der einen Seite die Zahl der Beschäftigten in Deutschland steigt, sind mehr Menschen von Armut bedroht oder leben am Existenzminimum als je zuvor. Frauen trifft Armut häufiger als Männer. Alte stärker als Jüngere.

Die Zahl der armen älteren Menschen steigt hierzulande seit Jahren ständig an.

Die Zahl der armen älteren Menschen steigt hierzulande seit Jahren ständig an.

Foto: dpa-Zentralbild

Das Armutsrisiko der 55- bis 64-Jährigen ist deutlich gestiegen, heißt es im "Datenreport 2013. Ein Sozialbericht für Deutschland", der alle zwei Jahre herausgegeben wird. In dieser Gruppe kletterte die Zahl innerhalb von vier Jahren von 17,7 auf 20,5 Prozent.

"Die Zahlen sind alarmierend und die Angst auch vieler jüngerer Berufstätiger wächst, in die Armutsfalle zu geraten. Insbesondere für Personen ohne Bildungsabschluss beziehungsweise mit geringer Bildung hat sich das 2001 bereits überproportionale Armutsrisiko noch weiter erhöht", warnt Thomas Krüger, Präsident der Bonner Bundeszentrale für politische Bildung, die den Datenreport gemeinsam mit dem Statistischen Bundesamt, dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und dem Soziooekonomischen Panel am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung veröffentlicht.

"Die Schere zwischen Arm und Reich scheint in unserem Land weiter aufzugehen. In Deutschland ist die Armutsquote im vergangenen Jahrzehnt dramatisch angestiegen - Tendenz steigend", lautet Krügers Fazit. Von den im Jahr 2011 armutsgefährdeten Personen waren 40 Prozent bereits in den vergangenen fünf Jahren arm. 2000 betrug der Anteil der dauerhaft Armen 27 Prozent.

Diese Entwicklung registriert auch die Stadt Bonn. Die Zahl der registrierten bedürftigen Senioren liegt heute bei 3143, so die Stadtverwaltung. Waren es 2012 noch 2595, wurden 2013 schon 2774 bedürftige Rentner aufgeführt.

"Die Zunahme der Fälle hängt einerseits mit der größer werdenden Zahl ältere Menschen zusammen, aber auch damit, dass anteilig immer mehr Menschen auf Transferleistungen angewiesen sind, da sie etwa keine ausreichenden Rentenansprüche während ihrer Erwerbsbiografie vor Erreichen der Altersgrenze aufbauen konnten", sagt Angelika Wahrheit, Sozialdezernentin der Stadt Bonn.

Diese Entwicklung werde sich fortsetzen. Außerdem steigt insgesamt die Zahl der Älteren in der Gesellschaft, so auch in Bonn: Lebten im Januar 56 836 über 65-Jährige in der Bundesstadt, waren es im Oktober 57 221.

Dieser Trend bestätigt, dass sich die Rahmenbedingungen ähnlich wie bisher herausbilden: demografische Entwicklung, wirtschaftliche Bedingungen in der Region, Mobilität der älteren Menschen, Familienstrukturen, Medizin und technische Standards.

Die Grundsicherung für bedürftige Senioren tritt ein, wenn aus Altersgründen nicht mehr erwartet werden kann, dass eine Person die materielle Notlage überwinden kann, indem sie eine Arbeit findet, oder wenn dies aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft nicht möglich ist.

"Anspruch auf Grundsicherung im Alter haben Personen, die die Altersgrenze von 65 Jahren erreicht haben, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht ausreichend oder überhaupt nicht aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, sicherstellen können", erklärt die Sozialdezernentin.

Die Sozialhilfe unterstützt mit der Hilfe zur Pflege nach dem siebten Kapitel des SGB XII "pflegebedürftige Personen, die wegen einer Krankheit oder Behinderung bei den gewöhnlichen und regelmäßigen Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf fremde Hilfe angewiesen sind und der Pflegebedürftige die Leistungen finanziell weder selbst tragen kann noch sie von anderen, zum Beispiel der Pflegeversicherung, erhält".

Diese Zunahme an Bedürftigen in Bonn und der Region kann auch das Weihnachtslicht bestätigen: "Wir hatten noch nie so viele neue Antragsteller wie in der Kampagne 2014/2015", sagt Bernd Leyendecker, Vorsitzender des Vereins Weihnachtslichts.

"Es ist schlimm zu sehen, unter welchen Bedingungen bedürftige Senioren im doch vergleichsweise reichen Deutschland heute leben müssen", so Leyendecker.

Ihnen mangele es oft an den elementaren Dingen. "Sie können sich keine Winterkleidung kaufen, die Miet- und Nebenkosten wachsen ihnen über den Kopf. Viele müssen sich das Geld für Medikamente im wahrsten Sinne des Wortes vom Munde absparen", so Leyendecker. Nicht selten bleibe der Kühlschrank am Ende des Monats leer.

Das Weihnachtslicht sei ein Lichtblick für bedürftige Senioren. "Die Spenden der GA-Leser verschaffen ihnen etwas finanziellen Spielraum, so dass sie wenigstens an Weihnachten einmal durchschnaufen können", sagt Leyendecker. Er bedankt sich bei den Tausenden Spendern des Weihnachtslichts: "Ihre Großzügigkeit ist außerordentlich und ein Ausrufezeichen der Solidarität in unserer Region".

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort