Die Spielmacher der Polizei im Doppelpass

Alles für die Sicherheit: Monitore in den Stadien, Kontrollen an den Grenzen und Unterstützung aus dem Ausland

Bonn. Die Mannschafts-Aufstellung steht. Wenn am Freitag zum Eröffnungsspiel die "Welt zu Gast bei Freunden" in der Münchener WM-Arena ist, sind mehrere hundert Polizeibeamte, unterstützt von einem Heer privater Sicherheitskräfte, im Fußball-Einsatz.

Oben unterm Dach des "Schlauchbootes" in Fröttmaning sitzen die Spielmacher der Polizei. Von der Aussichtskanzel, die mit Bildschirmen und Elektronik vollgestopft ist, schauen 16 Beamte ins weite Rund. 80 Kameras, so Präsidiums-Sprecherin Eva-Maria Völkl, zeigen, wo sich Ärger anbahnt, und machen eine fast lückenlose Aufklärung möglich. In der Überwachungsloge zoomen die Beamten die Bilder heran, drucken sie aus und gleichen sie mit der Hooligan-Datei ab.

Im Sockel des Stadions hat die Polizei eine Gefangenen-Sammelstelle eingerichtet - zur Vernehmung und erkennungsdienstlichen Behandlung von Festgenommenen. Alkoholisierte und Renitente verbringen den Abend in kargen Zellen statt auf der Tribüne.

Die bayerische Polizei fühlt sich für die WM gerüstet. Ebenso wie die Kollegen in ganz Deutschland. Um die Einreise potenzieller Straftäter zu verhindern, werden wieder Kontrollen an den EU-Binnengrenzen eingeführt. "Schlagbäume werden nicht wieder aufgestellt", beruhigt Jürgen Bischoff, WM-Einsatzleiter der Bundespolizei. Und sein Vertreter, Hans-Georg Lison, betont: "Die Kontrollen an Land, See und Flughäfen sind zeitlich befristet und räumlich begrenzt."

Dabei konzentriert sich die Polizei an bestimmten Tagen auf die ausländischen Fans, die ihre Mannschaft live im Stadion unterstützen wollen. Als Beispiel nennt Lison die Anhänger des "Drei-Kronen-Teams": "Dann haben wir die Fähren aus Schweden und die dänische Grenze im Blick." Lison, der stellvertretender Bundespolizei-Präsident für die norddeutschen Länder ist, versichert, dass die Beamten trotz aller Sicherheitsvorkehrungen die Beeinträchtigungen des Reiseverkehrs auf das Notwendigste beschränken werden.

"Null Toleranz" lautet das Motto der Polizei, wenn es um Hooligans geht. Die sollen ins Abseits gestellt werden. Auch die aus Polen. Für die Polizei ist die Szene schwer zu beurteilen, denn eine Hooligan-Datei ist in Polen erst im Aufbau begriffen. Böse Erfahrungen haben die Sicherheitsbehörden bereits Anfang des Jahres in Brandenburg gemacht, als 50 deutsche und 50 polnische so genannte Fußballfans sowie Vertreter der Berliner Türsteher-Szene aufeinander losgingen. Erst vor einigen Wochen zogen Hooligans am Rande einer Erstligapartie randalierend durch die Warschauer Altstadt, bewarfen Polizisten mit Steinen.

Die Begegnung Deutschland gegen Polen am 14. Juni in Dortmund stuft die Polizei als "besonderes Brisanzspiel" ein. Matthias Seeger, Präsident der Bundespolizei in Sankt Augustin, schätzt, dass es in Polen eine vierstellige Zahl von Hooligans gibt.

Nach Angaben der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) in Neuss sind bisher fünf britische Hooligans trotz Verbots nach Deutschland eingereist. Von 3 500 potenziellen Gewalttätern, die Großbritannien während der WM nicht verlassen dürfen, sind in 180 Fällen die Pässe noch nicht eingezogen. ZIS-Chef Michael Endler: "Das ist aber kein Indiz dafür, dass ihre Inhaber auf dem Weg nach Deutschland sind."

Die Bundespolizei, deren WM-Zentralstelle beim Präsidium West in Sankt Augustin eingerichtet ist, hat nach den Worten Bischoffs bis Mittwoch neun britische Hooligans an der Einreise nach Deutschland gehindert. Zwei wurden in der Nacht zum Mittwoch an der tschechischen Grenze abgefangen. "Die Zahl der Zurückweisungen wird aber rasant ansteigen", so Bischoff.

Nicht nur Bundes- und Landespolizeien spielen während der WM Doppelpass. Im Fußball-Einsatz sind auch 323 Kollegen aus 13 Ländern. Sie unterstützen die deutsche Polizei an den Grenzen, auf Flug- und Seehäfen, auf Bahnhöfen und in Zügen. Mit dabei sind auch 60 polnische Beamte. Damit stellt Polen nach Großbritannien (79) das zweitgrößte Kontingent ausländischer Polizisten. Koordinator für die ausländischen Kräfte ist die ZIS. Endler sagt trotz aller Vorsorge auch: "Wer sich prügeln will, wird sich prügeln."

Kurz vor Turnierbeginn wächst bei der Polizei die Anspannung - aber auch die Vorfreude auf friedliche, begeisternde und torreiche Spiele. Schließlich sind Polizisten auch Fußball-Fans.

Wie Hans-Georg Lison. Im Gespräch mit dem GA erinnert er sich an 1966, als er als 19-Jähriger mit dem Moped zur WM nach England reiste. "Ich war in Birmingham, Manchester und natürlich auch beim Endspiel in London dabei", sagt er. Seine Erzählungen machen deutlich, wieviel Spaß ihm die WM-Tour gemacht hat. Daran änderte auch das umstrittene dritte Tor der Engländer beim 4:2-Endspielsieg nichts. 40 Jahre später ist wieder WM. Im eigenen Land. Doch auf Live-Spiele in den Stadien muss Lison wohl verzichten.

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