Aufarbeitung nach dem Schock Die Rückkehr des Terrors nach London

London · Nach dem ersten Schock über den Anschlag mit vier Toten und etwa 40 Verletzten beginnt in London die Aufarbeitung. Die Botschaft lautet: Auf keinen Fall unterkriegen lassen. Doch über den Attentäter gibt es beunruhigende Erkenntnisse.

 Mit vereinten Kräften: Nach dem Anschlag in London sichern Forensiker der Polizei Spuren vor dem britischen Parlament.

Mit vereinten Kräften: Nach dem Anschlag in London sichern Forensiker der Polizei Spuren vor dem britischen Parlament.

Foto: Dominic Lipinski

Am Tag nach dem Anschlag in London dröhnen noch die Hubschrauber über der Stadt. Die Fahnen wehen auf halbmast. Im Fernsehen ist zu sehen, wie Ermittler in weißen Overalls auf den Knien jeden Zentimeter des Tatorts auf dem Parlamentsgelände und auf der Westminister-Brücke davor nach Spuren absuchen.

Premierministerin Theresa May spricht am Mittag im Parlament. Sie gibt sich kämpferisch. "Ein Terrorakt gestern war darauf gerichtet, unsere Demokratie zum Schweigen zu bringen", sagt sie. Ihre Antwort: "Wir haben keine Angst".

Doch May hat auch eine beunruhigende Nachricht: Der Angreifer stammt aus Großbritannien und war bereits einmal wegen extremistischer Umtriebe ins Visier der Sicherheitsbehörden geraten. Das ruft Erinnerungen an den Anschlag in Berlin wach. Der Tunesier Anis Amri hatte dort am 19. Dezember einen Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche gesteuert, zwölf Menschen starben und 67 wurden verletzt. Amri galt als Gefährder und war unter Beobachtung der Behörden.

Der Attentäter von London war ähnlich vorgegangen. Er hatte zunächst Fußgänger entlang der belebten Westminster-Brücke mit einem Auto überfahren, zwei davon starben. Die Amokfahrt endete, als er in den Zaun des Parlamentsgeländes krachte. Dann drang er auf das Parlamentsgelände vor und verletzte einen Polizisten tödlich mit einem Messer, bevor er erschossen wurde.

Gegen den Attentäter von London sei vor Jahren wegen "extremistischer Gewalt" ermittelt worden, er sei aber eine Randfigur gewesen und war nicht mehr auf dem Radar der Terrorabwehr, teilt May dem Parlament mit. Doch die Terrormiliz IS reklamierte den Anschlag für sich, und die Frage, die auch in Großbritannien Medien und Sicherheitsbehörden beschäftigen dürfte, lautet: Wie kann es sein, dass Menschen, die einmal ins Visier der Behörden geraten sind, unbemerkt einen Terroranschlag vorbereiten und ausführen können?

Der Terrorismusforscher Peter Neumann geht Fragen wie diesen nach. Die Briten seien zu Recht stolz auf ihre Terrorabwehr, sagt er. Sie sei nach den Anschlägen im Jahr 2005 erheblich ausgebaut worden und die beste in Europa. Damals waren bei Bombenanschlägen in der britischen Hauptstadt 56 Menschen getötet worden, etwa 700 wurden verletzt.

Dass der Attentäter trotzdem zuschlagen konnte, könnte nach Ansicht von Neumann an der Art des Anschlags liegen, der mit einfachsten Mitteln ausgeführt wurde. Zudem gehen die Behörden bislang davon aus, dass er alleine handelte und möglicherweise nicht direkt mit den Terroristen des IS in Kontakt stand, sondern nur von deren Aufrufen inspiriert war.

Als unmittelbare Reaktion kündigte May an, die Polizeipräsenz im ganzen Land zu erhöhen, auch die Sicherheitsmaßnahmen vor dem Parlament würden auf den Prüfstand gestellt. Acht Menschen wurden im Zusammenhang mit dem Anschlag festgenommen, sechs Wohnungen in London Birmingham und anderen Orten durchsucht.

Neben den drängenden Fragen zum Attentäter stand das Mitgefühl mit den Betroffenen im Mittelpunkt. Bei den auf der Brücke Getöteten handelt es sich um einen Amerikaner und eine Britin mit spanischen Wurzeln. Der niedergestochene Polizist war ein 48 Jahre alter Familienvater. "Meine Gedanken, Gebete und mein tiefstes Mitgefühl sind bei all denen, die von der gestrigen furchtbaren Gewalt betroffen sind", erklärte Queen Elizabeth II. am Donnerstag.

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