Die Flüchtlinge und die jetzt schon fehlenden Wohnungen

Berlin · Eine Ein-Zimmer-Wohnung unter 500 Euro? In vielen deutschen Metropolen ist das eine Wunschvorstellung. Der Wohnraum ist knapp, preiswerte Bleiben sind schon jetzt schwer zu finden. Menschen mit geringem Einkommen haben oft das Nachsehen.

 Hochhaus der SAGA GWG im Hamburger Stadtteil Bergedorf-West. Laut Bundesbauministerin Hendricks werden 350 000 neue Wohneinheiten pro Jahr benötigt. Foto: Daniel Bockwoldt

Hochhaus der SAGA GWG im Hamburger Stadtteil Bergedorf-West. Laut Bundesbauministerin Hendricks werden 350 000 neue Wohneinheiten pro Jahr benötigt. Foto: Daniel Bockwoldt

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Angesichts der steigenden Zahl von Flüchtlingen werden aber noch mehr bezahlbare Wohnungen gebraucht. Bundesbauministerin Barbara Hendricks schätzte den Bedarf unlängst auf 350 000 neue Wohneinheiten pro Jahr. Wie also reagieren die Städte auf die wachsende Zahl von Flüchtlingen? Wer kann, will, soll dort so viele neue, günstige Wohnungen bauen? Ein wirkliches Konzept scheint es noch nicht zu geben.

Da wäre zum Beispiel München. Der Immobilienmarkt im Großraum der Stadt zählt seit Jahrzehnten zu den teuersten in Deutschland. In der bayerischen Landeshauptstadt sind auf dem freien Markt praktisch keine Wohnungen unter 10 Euro pro Quadratmeter Kaltmiete mehr zu bekommen, ein Preis von mehr als 20 Euro ist keine Seltenheit.

In den vergangenen Monaten war die Stadtverwaltung damit beschäftigt, kurzfristig neue Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber zu organisieren. Die Schaffung neuer preiswerter Wohnungen, die erst mittelfristig bezogen werden können, drängte angesichts täglich Tausender Flüchtlinge am Münchner Hauptbahnhof in den Hintergrund. "Das Flüchtlingsproblem kommt jetzt noch dazu, aber es war ja schon vorher eine Katastrophe", sagt Anja Franz vom Münchner Mieterverein.

Die Kommune bietet zwar Förderprojekte wie das "München Modell" an, das Sozialwohnungen für Familien schaffen soll, doch die Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum kann damit nicht befriedigt werden. "Das ist auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein", sagt Franz.

Ähnlich schwierig sieht es in Hamburg aus. Die Hansestadt weist nach Angaben des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen die niedrigste Leerstandsquote bundesweit auf, fast alle Wohnungen sind vermietet. Das größte Wohnungsbauunternehmen ist die kommunale Saga GWG, die mehr als 130 000 von insgesamt rund 900 000 Wohnungen in Hamburg verwaltet. Von 8600 Neuvermietungen 2014 20 Prozent an "vordringlich Wohnungssuchende", das sind neben anerkannten Asylbewerbern auch Obdachlose und andere Menschen in sozialen Notlagen. Der Anteil soll auf 23 Prozent steigen.

Eine weitere wichtige Rolle soll auch "f&w fördern und wohnen" zukommen, einer öffentlich-rechtlichen Tochter der Stadt. Der soziale Dienstleister schafft im Auftrag von Innen- und Sozialbehörde Wohnraum für Flüchtlinge, vor allem in Pavillons, Wohncontainern und Gebäuden. Im vergangenen Jahr waren es 4600 neue Plätze, in diesem Jahr sind 5600 in der Planung.

Aber fehlender Wohnraum ist nicht nur ein Problem von Metropolen. In der badischen Universitätsstadt Freiburg ist die Lage ähnlich prekär. Die Stadt im Schwarzwald mit ihren 220 000 Einwohnern ist die am stärksten und schnellsten wachsende Kommune in Baden-Württemberg. "Der Markt brennt", sagt der Freiburger Immobilienfachmann Wolfgang Grothusmann. "Es gibt eine unheimliche Nachfrage und immer weniger Angebot." Viele Interessenten seien bereit, viel Geld auszugeben. Das treibe die Preise hoch. Für die Unterbringung von Flüchtlingen ist das ein Problem.

"Auf dem freien Wohnungsmarkt ist für Flüchtlinge kaum etwas zu holen", sagt Freiburgs Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach (SPD). Die vielen Studenten in der Stadt sowie der Trend zu Luxusimmobilien in guter Lage machen es der Stadt schwer, Flüchtlinge unterzubringen. Und der soziale Wohnungsbau sei seit Jahren vernachlässigt worden, klagt der Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen. Nicht nur in Freiburg, sondern überall in der Republik.

Aber es gibt auch Städte, in denen viele Wohnungen und Häuser leerstehen. Weil die Menschen wegziehen, und niemand nachkommt. Wie im niedersächsischen Goslar. Oberbürgermeister Oliver Junk warb hier schon im vergangenen Jahr dafür, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, weil so die seit Jahren anhaltende negative demografische Entwicklung in der Region gestoppt werden könne. Junk hält daran fest. "Angesichts der gegenwärtigen Lage ist mein Vorschlag richtiger als vor einigen Monaten", sagt er.

Es gebe reichlich freie Wohnungen, berichten örtliche Makler. So manche Immobiliengesellschaft würde gar nicht mehr alle frei gewordenen Wohnungen sanieren, weil ohnehin kaum Hoffnung auf Wiedervermietung bestehe, sagt etwa der Makler Wolfgang Rosin. Wer in Internetportalen nach einer Bleibe in Goslar sucht, hat eine große Auswahl. Und das zu Preisen, die Großstädter staunen lassen. So gibt es eine Wohnung mit 80 Quadratmetern schon für 300 Euro. Wer mehr Platz braucht, bekommt 150 Quadratmeter für weniger als 600 Euro.

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