Wirtschaftsmagazin Deutschland zu wenig innovativ

berlin/bonn · Förderprogramme auf allen Ebenen sollen Forschung und Entwicklung in Schwung bringen.

 Nordrhein-Westfalens Universitätsstädte sollen dem Land den nötigen Innovationsschwung bringen. FOTO: THINKSTOCK/BLEND IMAGES

Nordrhein-Westfalens Universitätsstädte sollen dem Land den nötigen Innovationsschwung bringen. FOTO: THINKSTOCK/BLEND IMAGES

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Die große Bedeutung von Innovationen für Unternehmen und Standorte ist unumstritten. Wer sich im globalen Wettbewerb behaupten will, muss sich ständig weiterentwickeln und neu erfinden. Doch Deutschland schwächelt: In der vom Forschungsinstitut IMD in Lausanne veröffentlichten Liste der Wettbewerbsfähigkeit fällt Deutschland immer weiter zurück und ist im vergangenen Jahr auf Platz 13 gelandet.

Noch besorgniserregender ist die Entwicklung im Mittelstand. Die Innovatorenquote, das heißt der Anteil der Unternehmen, die Innovationen hervorbringt, ist von über 50 Prozent in den 90er Jahren auf zuletzt 35 Prozent im Jahr 2015 gesunken. Das hat verschiedene Gründe: So ist der deutsche Wagniskapitalmarkt zu klein (0,027 % des Bruttoinlandproduktes (BIP), in skandinavischen Ländern 3 %) und erschwert damit die Entwicklung von Start-ups. Wichtige Wettbewerber haben deutlich höhere Forschungsquoten, und vor allem bei der Digitalisierung hinkt Deutschland hinterher.

Daher versucht die Politik schon seit Jahren auf allen Ebenen vom Bund bis zur Kommune, das Innovationsgeschehen in Schwung zu bringen: So hat das Bundeswirtschaftsministerium (BmWi) im vergangenen Jahr eine Innovationsagenda vorgelegt: Diese umfasst eine technologieoffene Projektförderung, bei denen Unternehmen selbst entscheiden, in welche Technologien sie investieren wollen sowie eine steuerliche Förderung von Forschungs- und Entwicklungsausgaben für Unternehmen bis zu 1000 Beschäftigten. Zudem konzentrieren sich die Fördermittel auf Zukunftstechnologien und strategische Schlüsselbereiche wie etwa künstliche Intelligenz, Biotechnologie, Quantentechnologie oder Industrie 4.0.

Innovative Autostädte

Damit der Mittelstand Forschungs- und Innovationsprojekte leichter finanzieren kann, gibt es vom BMWi Zuschüsse und zinsgünstige Darlehen. Gefördert wird vor allem die Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen, damit neue Erkenntnisse der Wissenschaft schnell in marktfähige Produkte umgewandelt werden können.

Bei der Vielzahl der Fördermöglichkeiten ist für mittelständische Unternehmen die individuelle Förderberatung von besonderer Bedeutung: Auf der Seite https://www.foerderinfo.bund.de/ finden Mittelständler nicht nur Tipps und Wegweiser zur Innovationsförderung, sondern können auch den kostenfreien Beratungsservice des Bundes zur Forschungs- und Innovationsförderung in Anspruch nehmen.

Deutschlands Innovationskraft konzentriert sich auf wenige Regionen und ist besonders stark in der Nähe der Automobilindustrie und rund um Universitäten. So wurden laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln im Jahr 2014 im Raum Stuttgart 577 Patente pro 100 000 Beschäftigte angemeldet, in der Region Ingolstadt waren es 486. Zum Vergleich: Im Bundesschnitt waren es nur 125 Patente und Nordrhein-Westfalen bleibt mit 84 Patentanmeldungen sogar deutlich unter dem Durchschnitt. Kein Wunder, dass sich die seit 2017 amtierende schwarz-gelbe Landesregierung mit Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart das Thema Innovationsförderung auf die Fahnen geschrieben hat (siehe Seite 16).

Generell konzentriert sich die Landesregierung auf die Förderung von acht Leitmärkten, die für den Wirtschaftsstandort NRW in Zukunft von Bedeutung sind, darunter Maschinen- und Anlagenbau, Mobilität und Logistik sowie Energie- und Umweltwirtschaft. Förderwettbewerbe und die Unterstützung des Mittelstandes sind dabei wesentliche Elemente. Für die Entwicklung innovativer Produkte stehen beispielsweise im Rahmen des Leitmarktwettbewerbs in der Energie und Umweltwirtschaft insgesamt rund 40 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) zur Verfügung.

Das Modell Bonn/Rhein-Sieg

Potenziale zu erkennen und diese gezielt zu fördern ist auch auf kommunaler Ebene das Prinzip der Innovations- und Wirtschaftsförderung. So konzentriert sich die Stadt Bonn besonders auf den Bereich der wissensorientierten Dienstleistungen, in dem 38,8 Prozent der Beschäftigen tätig sind, und fördert die Schwerpunktbranchen Gesundheitswirtschaft, die Informations- und Kommunikationstechnologien sowie die Geoinformationswirtschaft. Durch Informationsveranstaltungen und den gezielten Aufbau von Netzwerken sollen unter anderem die Unternehmen und die zahlreichen Wissenschaftseinrichtungen der Region Bonn/Rhein-Sieg zusammengeführt werden, damit aus Wissen, Technologie und Know-how marktfähige Produkte und Verfahren entstehen.

Ziel aller Förderanstrengungen ist dabei nicht nur die finanzielle und praktische Unterstützung von Gründern, Unternehmern und Wissenschaftlern, sondern auch die Entwicklung einer Innovationskultur, in der risikofreudige Unternehmer geschätzt und Fehlschläge akzeptiert werden. Gerade beim letzten Punkt hat Deutschland Handlungsbedarf, denn die Angst vor dem Scheitern gilt als ein Grund für die fehlenden Innovationen in Deutschland. Doch wer wirklich neue Wege geht, muss auch Fehlschläge akzeptieren. So resümierte Thomas Alva Edison, einer der bedeutendsten Erfinder des 19. Jahrhunderts, über die zahlreichen Fehlschläge seines Forscherlebens: „Ich habe nicht versagt. Ich habe mit Erfolg zehntausend Wege entdeckt, die zu keinem Ergebnis führen.“

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