Bundeswehr beendet Kundus-Einsatz nach zehn Jahren

Kundus · Es ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg raus aus Afghanistan: Die Bundeswehr zieht aus der Unruheprovinz Kundus ab. Der Einsatz dort hat die Truppe nachhaltig verändert. Dort lernte sie zu kämpfen - und musste erhebliche Verluste hinnehmen.

Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) übergaben bei einer feierlichen Zeremonie das Feldlager in der gefährlichsten Region Nordafghanistans an die einheimischen Sicherheitskräfte. Das Hauptquartier in Masar-i-Scharif bleibt bestehen.

In Kundus habe die Bundeswehr lernen müssen zu kämpfen, sagte de Maizière. "Das war eine Zäsur, nicht nur für die Bundeswehr, sondern auch für die deutsche Gesellschaft."

Spätestens Ende des Monats sollen die letzten deutschen Soldaten das Feldlager verlassen. Vom Hauptquartier in Masar-i-Scharif in Nordafghanistan kann die Bundeswehr im Notfall aber auch danach noch eine bis zu 300 Mann starke Eingreiftruppe zur Unterstützung der afghanischen Verbündeten nach Kundus schicken.

Derzeit sind noch etwa 4000 deutsche Soldaten am Hindukusch, 900 davon in Kundus. Nirgendwo in Afghanistan fielen mehr deutsche Soldaten als in Kundus und der Nachbarprovinz Baghlan. "Hier wurde aufgebaut und gekämpft, geweint und getröstet, getötet und gefallen", sagte de Maizière. "Auch wenn die Bundeswehr Kundus heute verlässt: Vergessen werden wir diesen Ort niemals." Insgesamt kostete der Afghanistaneinsatz bislang 54 Bundeswehrsoldaten das Leben, 35 von ihnen starben bei Angriffen und Anschlägen.

Westerwelle betonte, dass sich das deutsche Engagement in Afghanistan bisher gelohnt habe und weiter fortgesetzt werde. "Vieles ist heute besser in Afghanistan, aber noch lange ist nicht alles gut", sagte der FDP-Politiker. "Wir kehren den Menschen in Afghanistan nicht den Rücken."

An der Übergabezeremonie nahmen auch der afghanische Vize-Verteidigungsminister Nasrullah Nasari und Innenminister Umer Daudsai teil. Nasari sprach von einem "historischen Tag". Daudsai zeigte sich sicher, dass die afghanischen Kräfte alleine für die Sicherheit in Kundus sorgen könnten. De Maizière traut ihnen das zu, sagte aber auch: "Eine Sicherheit, wie wir sie bei uns gewohnt sind, wird es wohl in Afghanistan nie geben."

De Maizière und Westerwelle reisten erstmals gemeinsam nach Afghanistan, um die Bedeutung der Übergabe des Feldlagers zu unterstreichen. Westerwelle ist nach dem Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag nur noch bis zur Bildung einer neuen Regierung im Amt.

Die Schließung des deutschen Feldlagers in Kundus ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg der Bundeswehr raus aus Afghanistan. Der Nato-Kampfeinsatz läuft Ende 2014 aus. Danach ist ein Nachfolgeeinsatz mit dem Schwerpunkt Ausbildung geplant, an dem sich Deutschland mit bis zu 800 Soldaten beteiligen will.

Der Abzug der einst bis zu 5350 Bundeswehrsoldaten aus Afghanistan hatte vor knapp zwei Jahren begonnen. In Kundus waren zu Spitzenzeiten 1420 deutsche Soldaten. Nach der Übergabe des Camps an die Afghanen wird die Bundeswehr ein abgeriegeltes Areal behalten, das sie als Basis etwa bei Einsätzen zur Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte in der Region nutzen könnte. Dort können bis zu 300 Soldaten unterkommen.

Die Sicherheitslage in Kundus hat sich in den vergangenen Monaten wieder verschlechtert. Die Übergabezeremonie fand deswegen unter massiven Sicherheitsvorkehrungen statt. Am Sonntagmorgen kam es in Kundus zu Gefechten zwischen Taliban-Kämpfern und der Polizei. Aufständische hätten einen Mitarbeiter der bürgerwehrähnlichen Ortspolizei ALP im Distrikt Char Darah angegriffen und getötet, sagte Distrikt-Gouverneur Salmai Faroki der Nachrichtenagentur dpa.

In Südafghanistan wurden nach afghanischen Angaben vom Sonntag vier US-Soldaten getötet. Bereits am Samstag war in Südafghanistan ein westlicher Soldat von einem verbündeten Sicherheitsmann erschossen worden. Bei einem Nato-Luftangriff im Osten Afghanistans wurden fünf Zivilisten getötet, darunter drei Schulkinder. Die Opfer seien auf der Vogeljagd gewesen, sagte ein Polizeisprecher der Region Nangarhar. Die Nato-geführte Schutztruppe Isaf teilte mit, sie untersuche den Vorfall.

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