Atomgespräche in Genf Atomgespräche in Genf: Einigung nach Marathonverhandlung

Genf/Washington · Nach jahrzehntelanger Konfrontation und vielen vergeblichen Anläufen haben der Iran und die internationale Gemeinschaft einen Durchbruch im Atomstreit erzielt.

Guido Westerwelle, Catherine Ashton und Irans Außenminister Zarif in Genf. Foto: Martial Trezzini

Guido Westerwelle, Catherine Ashton und Irans Außenminister Zarif in Genf. Foto: Martial Trezzini

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Das islamische Land und die Außenminister der UN-Vetomächte sowie Deutschlands einigten sich am Sonntag in Genf auf ein Übergangsabkommen. Danach friert Teheran in den nächsten sechs Monaten Teile seines Atomprogramms ein. Dafür sollen die internationalen Sanktionen gegen den Iran teilweise gelockert werden. Weltweit wurde dieser erste wichtige Schritt positiv bewertet. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verurteilte die Einigung als "historischen Fehler".

US-Präsident Barack Obama begrüßte das Abkommen, das aber in den nächsten Monaten auf Haltbarkeit überprüft werden müsse. "Jetzt liegt die Last beim Iran, der Welt zu beweisen, dass sein Atomprogramm ausschließlich friedlichen Zwecken dient", sagte Obama in Washington. Er betonte, dass die "Sanktionsarchitektur" im Großen und Ganzen intakt bleibe. "Und wenn der Iran in dieser sechsmonatigen Phase seinen Verpflichtungen nicht voll nachkommt, werden wir die Erleichterungen zurücknehmen und den Druck erhöhen", sagte Obama.

Israel befürchtet, dass Teheran auch nach der Einigung danach streben könnte, in den Besitz von Atomwaffen zu gelangen. "Heute ist die Welt zu einem sehr viel gefährlicheren Ort geworden, weil das gefährlichste Regime der Welt dem Besitz der gefährlichsten Waffe der Welt entscheidend nähergekommen ist", sagte Netanjahu.

Viele Staaten haben den Verdacht, dass der Iran unter dem Deckmantel seines Atomprogramms nach Nuklearwaffen strebt. Die Islamische Republik weist dies zurück und pocht auf das Recht zur zivilen Nutzung der Atomenergie.

"Ich bin sehr froh, dass wir nach zehn Jahren zu diesem Abkommen gekommen sind", sagte der iranische Präsident Hassan Ruhani. In einem Schreiben an den obersten Führer Ajatollah Ali Chamenei gratulierte er dem iranischen Volk zu einer politischen Errungenschaft. "Das war für beide Seiten ein Win-Win Abkommen, das zweifellos auch dem Frieden in der Region und in der ganzen Welt nützen wird."

Nach Angaben des Weißen Hauses soll in den kommenden sechs Monaten eine umfassende Dauerlösung ausgehandelt werden. Demnach sieht die vorläufige Übereinkunft vor, dass der Iran die Anreicherung von Uran bei fünf Prozent deckelt. Uran, das bereits auf 20 Prozent angereichert worden ist, solle so verdünnt oder verändert werden, dass es nicht für militärische Zwecke eingesetzt werden könne.

Außerdem dürften keine neuen Zentrifugen und Anreicherungsanlagen eingerichtet werden. Bereits installierte Zentrifugen, die noch nicht in Betrieb genommen worden seien, müssten außer Betrieb bleiben. Die Anlagen würden von Inspekteuren der Atombehörde IAEA überwacht.

Im Gegenzug erklärten sich die USA nach Angaben des Weißen Hauses zur Lockerung von Sanktionen im Umfang von sieben Milliarden Dollar (5,2 Milliarden Euro) bereit.

US-Außenminister John Kerry betonte in Genf, dass die Vereinbarung die gesamte Region in Nahost sicherer mache. "Sie wird auch unseren Verbündeten Israel sicherer machen."

Vertreter der fünf UN-Vetomächte USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich sowie Deutschlands (5+1) hatten seit Mittwoch mit der iranischen Delegation in Genf über eine Übergangslösung verhandelt, um den jahrelangen Streit um das iranische Atomprogramm beizulegen.

"Wir haben in den 5+1-Gesprächen eine Einigung", verkündete die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton dann am frühen Sonntagmorgen. Bei einem gemeinsamen Auftritt mit den übrigen Ministern, unter ihnen der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif, sprach sie von einem "bedeutenden Schritt" zu einer neuen Qualität der Beziehungen zum Iran.

Sarif äußerte die Hoffnung, dass die Vereinbarung nun zu besseren Beziehungen zum Westen führe. Die Entscheidungen von Genf würden in den nächsten drei Wochen umgesetzt. Sarif unterstrich, dass keine der Anreicherungsanlagen in seinem Land die Arbeit einstellen müssten. Auch die Arbeit am geplanten Schwerwasserreaktor Arak werde in der jetzigen Form weitergeführt.

Der amtierende Bundesaußenminister Guido Westerwelle begrüßte die Vereinbarung als "Wendepunkt". "Wir sind unserem Ziel, eine atomare Bewaffnung Irans zu verhindern, einen entscheidenden Schritt näher gekommen."

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