Analyse: Europa sucht gemeinsamen Kurs gegenüber Moskau

Brüssel · Die Europäer haben keine Zeit zum Atemholen. Kaum ist das Schlimmste der Eurokrise überwunden und der erhoffte Wirtschaftsaufschwung da, bricht ein Machtkampf mit Russland aus, dessen Folgen überhaupt nicht abzuschätzen sind.

 Mehrere Staaten haben bei Wirtschaftssanktionen gegen Russland Bedenken. Dazu gehört Bulgarien, das besonders stark von russischen Energielieferungen abhängig ist. Foto: Maxim Shipenkov

Mehrere Staaten haben bei Wirtschaftssanktionen gegen Russland Bedenken. Dazu gehört Bulgarien, das besonders stark von russischen Energielieferungen abhängig ist. Foto: Maxim Shipenkov

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Die Europäer gehen diesem ungewohnt heftigen und gefährlichen Konflikt über die Eingliederung der Krim in die Russische Föderation und die Zukunft der krisengeschüttelten Ex-Sowjetrepublik Ukraine nicht aus dem Weg.

Deshalb wird auch beim EU-Gipfeltreffen Ende der Woche (20./21. März) das Programm einmal wieder völlig umgekrempelt werden. "Was immer auf der Tagesordnung stehen wird, die Ukraine wird natürlich im Vordergrund der Beratungen am Donnerstag und Freitag sein", lautet die Vorhersage von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier.

Weitere Themen des zweitägigen Brüsseler Spitzentreffens sind die laufende Budget- und Wirtschaftsüberwachung der Mitgliedstaaten, die Klima- und Energiepolitik oder die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft.

Der SPD-Politiker Steinmeier brachte zu Wochenbeginn mit seinen europäischen Amtskollegen weitere Sanktionen gegen Moskau auf den Weg. Sie verhängten Kontensperrungen und Einreiseverbote gegen 21 Personen aus Russland und der Krim. Steinmeier sprach am Dienstag von einer klugen Entscheidung, "mit einer klaren Botschaft an Russland, dass wir die Abtrennung eines Landesteils der Ukraine nicht akzeptieren, weil sie völkerrechtswidrig ist".

Falls die Lage weiter eskalieren sollte, könnte laut Diplomaten bereits beim Gipfel über die dritte Sanktionsstufe beraten werden. Das wären wirtschaftliche Strafmaßnahmen, und die dürften ganz schwierige Debatten auslösen.

Die EU-Schwergewichte Großbritannien, Frankreich und Deutschland fahren einen harten Kurs. London stoppte bereits Waffenexporte nach Russland und kündigte die militärische Kooperation bis auf weiteres auf. Andere Mitgliedstaaten bremsen dagegen, beispielsweise Bulgarien wegen seiner Energieabhängigkeit von Russland. Auch Zypern hat Bedenken.

Beim improvisierten Ukraine-Krisengipfel schließt sich für die Europäer ein Kreis. Der politische Teil des fertig ausgehandelten Partnerschaftsabkommens mit Kiew soll unterschrieben werden, der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk wird erwartet.

Noch vor vier Monaten, beim Ostpartnerschafts-Gipfel Ende November in Vilnius, verweigerte der damalige ukrainische Staatspräsident Viktor Janukowitsch die Unterschrift, da er von Moskau bedrängt wurde. "Wir werden uns dem Druck Russlands nicht beugen", kündigte EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy im zugigen Ausstellungsgelände am Rande der litauischen Hauptstadt an - im Rückblick ein durchaus prophetischer Satz.

Die Europäer werden beim Gipfel erneut versichern, dass sie Kiew finanziell helfen werden. Die EU-Kommission hatte bereits ein Paket von elf Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Diese Hilfen an das pleitebedrohte Land sind jedoch an Wirtschaftsreformen und ein Engagement des Internationalen Währungsfonds (IWF) gebunden. Für das krisengeschüttelte Land sind auf dem Weg der wirtschaftlichen Gesundung noch viele Hürden zu überwinden, meinen Experten.

Unklar ist weiter, ob der Machtkampf mit Moskau die Energiesicherheit Europas bedroht. Kenner geben zu bedenken, dass Russland selbst in den Zeiten des Kalten Krieges seine Lieferverpflichtungen beim Gas erfüllt habe. Die EU bezieht jeweils rund ein Drittel ihres Öl- und Gasbedarfs aus Russland - und ist deshalb durchaus angreifbar.

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