Analyse: Donnernder Applaus für Klimadeal von Paris

Paris · Die Konferenzhalle in Le Bourget ist nach zwei Wochen Klimaverhandlungen leicht ramponiert. Kabel liegen herum. Der Café-Verkäufer hat seine Maschine schon weggeräumt.

 Geschafft: Die Teilnehmer der UN-Klimakonferenz feiern den erfolgreichen Abschluss. Foto: Christophe Petit Tesson

Geschafft: Die Teilnehmer der UN-Klimakonferenz feiern den erfolgreichen Abschluss. Foto: Christophe Petit Tesson

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Die Minister, die sich im Delegationsbüro der britischen Regierung treffen, sind müde, aber zufrieden. Der Außenminister der Marshallinseln, Tony de Brum, verteilt Anstecker aus getrockneten Halmen. Sie sollen Glück bringen. Auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und EU-Klimakommissar Miguel Arias Cañete befestigen ihre Bast-Anstecker am Revers.

Dann ziehen die Vertreter der "Koalition der Ehrgeizigen" - ein Bündnis von Industrienationen, Entwicklungsländern und einigen Schwellenländern - gemeinsam in den Plenarsaal ein. Auf ihrem Weg dorthin stehen Klimaschützer und Delegierte Spalier. Sie beklatschen die Minister wie eine Fußballmannschaft auf dem Weg ins Stadion.

Es ist keiner Verhandlungsgruppe gelungen, alle Forderungen im Vertragstext unterzubringen. Die USA haben konkrete Verpflichtungen abgewehrt, eines Tages für Klimafolgen in anderen Ländern, die sie mitverursacht haben, zahlen zu müssen.

Innerhalb der EU kriselte es zwischenzeitlich. Denn die polnische Regierung wollte bei der Abkehr von fossilen Brennstoffen nicht so weit gehen wie der Rest der Union. Ein kleines Problem im Vergleich zu den aktuellen Differenzen de EU-Staaten in der Flüchtlingspolitik.

Immerhin: Die konstruktiven Verhandlungen in Paris und auch die "Koalition der Ehrgeizigen", die das Ziel einer auf 1,5 Grad begrenzten Erderwärmung erstmals in einem völkerrechtlich bindenden Vertrag verankert haben, machen Mut. Dies gilt erst recht in dieser Zeit neuer Spannungen zwischen Ost und West, in der die Weltgemeinschaft bei der Lösung so vieler Konflikte auf der Stelle tritt.

"Dass zu Beginn dieser Konferenz so viele Staats- und Regierungschefs gekommen sind wie nie zuvor, und dass wir gezeigt haben, dass eine Einigung zwischen Staaten mit so unterschiedlichen Interessen möglich ist, das alleine ist schon eine ganz wichtige Botschaft", sagt Beth Brunoro vom australischen Umweltministerium. Und: "Ich hoffe, dass dies auch ein Signal sein kann für die Lösung aktueller Konflikte."

Für einige Teilnehmer dieses Verhandlungsmarathons ist ein Erfolg dieser Konferenz auch innenpolitisch bedeutsam. Das sind vor allem Tony de Brum und die anderen Vertreter kleiner Inselstaaten. Denn einige Inseln würden nach den Berechnungen der Wissenschaftler schon bei einem Temperaturanstieg um zwei Grad im Meer versinken.

In Deutschland, den Niederlanden und anderen Industrienationen, in denen sich viele Menschen für Umwelt- und Naturschutz engagieren, werden Regierungen auch danach beurteilt, wie hart sie international für den Klimaschutz kämpfen. Die Vertreter der arabischen Golfstaaten wollen ihrerseits mit der Botschaft nach Hause fliegen, dass die mit Öl- und Gas-Einnahmen finanzierten staatlichen Wohltaten für die Bürger weiter gesichert sind. Ihnen ist es in Paris gelungen, dafür zu sorgen, dass eine Abgabe auf fossile Energiequellen nicht in den völkerrechtlich bindenden Teil des Vertrags aufgenommen wurde.

Die französischen Gastgeber bekommen viel Lob für ihre "transparente Verhandlungsführung". Der Konferenzleiter, Außenminister Laurent Fabius, schreitet bei der Abschlusssitzung unter donnerndem Applaus der Delegierten zum Podium. Dann beginnt die letzte Hängepartie dieser zweiwöchigen Konferenz. Eineinhalb Stunden müssen die Minister im Saal warten, bevor die Sitzung beginnt. Hinter den Kulissen heißt es, Nicaragua habe Bedenken wegen Menschenrechtsfragen.

Die US-Regierung setzt in letzter Minute noch durch, dass eine Formulierung abgeschwächt wird, die ihnen womöglich dauerhaft größere Anstrengungen bei der Reduzierung von Treibhausgasen abverlangen könnte als zum Beispiel den Chinesen. Bevor jemand dagegen protestieren kann, lässt Fabius schnell den Hammer fallen. Das Abkommen ist damit offiziell angenommen. "Das ist schon hohe diplomatische Schule, was Laurent Fabius uns hier gezeigt hat", sagt Hendricks.

Die französische Regierung braucht den Erfolg aktuell womöglich noch dringender als jeder andere Teilnehmer dieser Konferenz. Denn Präsident François Hollande und die Regierung stehen massiv unter Druck. Die Arbeitslosigkeit ist hoch. Die Rechtsextremen des Front National konnten zuletzt weiter zulegen.

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