Analyse: China wird gebraucht - trotz vieler Kritik

Berlin · Bisher ging es bei deutsch-chinesischen Spitzentreffen vor allem um zwei Dinge: den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen und die deutschen Bedenken, was die Menschenrechtslage im "Reich der Mitte" angeht.

 Mit tibetischen Flaggen erinnern Demonstranten vor dem Kanzleramt an Chinas Umgang mit Minderheiten. Foto: Maurizio Gambarini

Mit tibetischen Flaggen erinnern Demonstranten vor dem Kanzleramt an Chinas Umgang mit Minderheiten. Foto: Maurizio Gambarini

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Die Krim-Krise hat das verändert. Weil Russland sich wegen der Annexion der ukrainischen Halbinsel mit dem Westen komplett überworfen hat, will Deutschland nun die strategische Zusammenarbeit mit China auf die Außen- und Sicherheitspolitik erweitern.

Als Bundeskanzlerin Angela Merkel und der chinesische Präsident Xi Jinping am Freitag im Kanzleramt vor die Kameras treten, stapeln sich zwar wieder einmal die Wirtschaftsvereinbarungen - diesmal sind es zehn an der Zahl, darunter ein Milliarden-Vertrag zwischen Daimler und Beijing Automotive.

Das wichtigste Ergebnis des Treffens ist diesmal aber in einer fünfseitigen politischen Erklärung Merkels und Xis festgeschrieben. "Zur Vertiefung der strategischen Partnerschaft werden regelmäßige Konsultationen zu regionalen und globalen politischen und sicherheitspolitischen Fragen angestrebt", heißt es darin. Deutschland will vor allem in den UN und in der G20 enger mit China kooperieren.

Peking hat bei internationalen Konflikten bisher eine eher passive Rolle eingenommen. Im Sicherheitsrat bildete Peking oft zusammen mit Moskau das östliche Gegenwicht zu den anderen drei ständigen Mitgliedern aus dem Westen - USA, Großbritannien und Frankreich.

Chinas Enthaltung im UN-Sicherheitsrat wie in der Vollversammlung zum Resolutionsentwurf nach der Krim-Annexion stützen nun die Hoffnung, dass sich die chinesische Führung international von Moskau absetzen könnte. Auch bei den Krisenherden Syrien und Iran sowie Afghanistan und Nordkorea wäre eine engere Zusammenarbeit sehr willkommen.

Zur Ukraine äußerte sich Xi in seiner Pressekonferenz mit Merkel aber zurückhaltend. Er rief alle Seiten dazu auf, eine politische Lösung zu finden und bekannte sich zum Prinzip der Nicht-Einmischung in fremde Angelegenheiten. "In der Ukraine-Frage hat China keine privaten Interessen." Direkte Kritik an Russland vermied Xi.

Die Krise um die Ukraine ist für China brisant. Immer wieder betont Peking das Prinzip der territorialen Integrität. Separatisten und Unabhängigkeitsbewegungen wie in Tibet könnten sonst die Einheit des Landes bedrohen.

China will zwar eine große und bedeutende Rolle in der Welt spielen, die damit verbundene Verantwortung bisher aber eher weniger übernehmen. In Afghanistan führt das beispielsweise dazu, dass die Nato seit zwölf Jahren die aufständischen Taliban bekämpft und Milliarden an Entwicklungshilfe in das Land pumpt, China aber bei Erschließung der Rohstoffe ganz vorne dabei sein will. Ähnlich ist die Aufgabenteilung in Afrika.

Bundespräsident Joachim Gauck mahnte bei seinem Treffen mit Xi, mit dem Aufstieg gehe "eine wachsende Verantwortung für Frieden und Stabilität" einher. Er hat aber noch mehr kritische Worte für seinen Gast parat. Beim Thema Menschenrechte wird er so deutlich, wie es bei Einhaltung der diplomatischen Gepflogenheiten nur geht. Er mahnt zu rechtsstaatlichen Reformen, zum Ausgleich zwischen Arm und Reich und zwischen den Religionen und erinnert an die universelle Gültigkeit der Menschenrechte.

Vor dem Schloss Bellevue demonstrieren Uiguren und Tibeter, wie um Gaucks Worte zu untermauern. Die Todesstrafe, die jedes Jahr mehr als 1000 Menschen in China das Leben kostet, erwähnt Gauck in seiner Tischrede aber nicht.

Xi Jinping hat vor gut einem Jahr sein Amt mit vielen Reformversprechen angetreten. Um Meinungs- und Pressefreiheit steht es aber nach Ansicht von Kritikern derzeit eher schlechter als zuvor. Derzeit seien 70 oppositionelle Blogger in Haft. Gerade sorgt der Fall des weltweit bekannten Künstlers Ai Weiwei für Schlagzeilen, der bislang nicht zu seiner großen Ausstellung nach Berlin reisen darf. Offene Kritik daran üben Kanzlerin und Bundespräsident aber nicht. Merkel sagt zum Thema Menschenrechte lediglich, in Gesellschaften wie Deutschland und China sei "breite und freie Meinungsäußerung" ein wichtiges Element.

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