Analyse Am Ende allein: Seehofer gibt auf - bald

München · Die Liste seiner politischen Erfolge ist lang, die seiner politischen Niederlagen auch - und letztere wurde zuletzt immer länger. Nächstes Jahr will Horst Seehofer seine Karriere nun beenden. Eine Zäsur.

 Zeit zu gehen: Nach Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel zieht sich auch Horst Seehofer (CSU) vom Vorsitz seiner Partei zurück.

Zeit zu gehen: Nach Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel zieht sich auch Horst Seehofer (CSU) vom Vorsitz seiner Partei zurück.

Foto: Ralf Hirschberger

Einsam war es zuletzt um Horst Seehofer geworden, sehr einsam. Niemand in der CSU fand sich mehr, der den Parteichef unterstützt hätte. Jetzt hat er die Reißleine gezogen.

Wenn Seehofer als CSU-Chef und dann - konkreter Zeitpunkt noch offen - auch als Innenminister geht, ist dies eine Zäsur, nicht nur für die CSU, sondern für die gesamte deutsche Politik. Immerhin ist Seehofer eines der großen Polit-Alphatiere, einer der alten Haudegen, von denen es nur noch wenige gibt.

Doch so tragisch dies seine internen Kritiker ob seiner Lebensleistung auch finden, steht Seehofer nun eigentlich vor den Scherben seiner Karriere: Mehrere krachende Wahlniederlagen in Folge und ein dramatischer Ansehensverlust der CSU in Bayern und im Bund gehen - nicht nur, aber hauptsächlich - auf sein Konto. Die Zeiten absoluter Mehrheiten für die CSU scheinen nun endgültig Geschichte zu sein.

Schmerzhaft für Seehofer: Er, der immer ankündigte, er wolle am Ende seiner Karriere einen geordneten Übergang gestalten, ist damit aus CSU-Sicht nun doppelt gescheitert: Nach der Bundestagswahl-Pleite im vergangenen Jahr musste er auf Druck seiner Partei und insbesondere der Landtagsfraktion die Staatskanzlei in München räumen und Platz für seinen ewigen Kontrahenten Markus Söder machen.

Und jetzt, nach dem dramatischen Absturz bei der Landtagswahl, hat ihn seine Partei binnen Wochen faktisch auch noch aus dem Amt des Parteivorsitzenden gejagt. Wiederum dürfte sein Nachfolger Markus Söder heißen.

Selbst Wohlmeinende nennen es tragisch, dass Seehofer schon mehrere Zeitpunkte für einen selbstbestimmten Rücktritt verstreichen ließ. Einer beschreibt es so: Seehofer, der immer von sich behauptete, feinen Instinkt für das zu haben, was die Menschen bewegt, habe zum Schluss das Gespür für die Stimmungen in der Bevölkerung und in der CSU verloren. Ein politischer Eigenbrötler und Sturkopf sei er schon immer gewesen - zuletzt sei das aber immer noch schlimmer geworden.

Andererseits hat die Partei Seehofer viel zu verdanken, das räumen auch seine Gegner ein. Auch die, die ihn jetzt aus dem Amt gedrängt haben, sprechen von einer großen Lebensleistung des 69-Jährigen . Sie loben Seehofers sozialen Kompass, der manchen Politikern heute fehle.

Tatsächlich hat Seehofer seiner Partei mehr als 45 Jahre lang gedient - und sie mit geprägt. Insgesamt 28 Jahre saß er für die CSU im Bundestag. Er brachte es zum Bundesminister, zum Parteichef und bayerischen Ministerpräsidenten. Dabei hat er Höhen und Tiefen erlebt wie kaum ein anderer, persönlich und politisch. 2002 erlitt er eine Herzmuskelentzündung, die ihn fast das Leben kostete. Seine gesamte Karriere stand auf dem Spiel, als er einst im Streit über die Gesundheitspolitik als Bundestags-Fraktionsvize zurücktrat.

Doch Seehofer kam wieder, wurde wieder Bundesminister. 2007 unterlag er im Kampf um den CSU-Vorsitz seinem Rivalen Erwin Huber. 2008 aber, nach dem Verlust der absoluten Mehrheit, holte ihn die CSU als Retter nach München, er wurde zugleich CSU-Chef und Ministerpräsident.

Es folgte wieder ein Auf und Ab. Seehofers größter Erfolg war die Rückeroberung der absoluten Mehrheit der Mandate im Landtag 2013. Doch er musste auch viele Niederlagen verantworten, etwa die Pleite bei der Europawahl 2014, als Seehofers Strategie, sozusagen gleichzeitig für und gegen Europa zu sein, schief ging.

Ähnlich war es auch bei der Bundestagswahl im Herbst 2017, als Seehofer gleichzeitig für und gegen die Kanzlerin war. Folge war ein Absturz auf nur noch 38,8 Prozent. Und wieder stand Seehofer vor dem politischen Aus. Am Ende konnte er sich nur deshalb als Parteichef halten, weil er bereit war, das Ministerpräsidenten-Amt zu räumen.

Zur Wahrheit gehört aber auch: In Berlin, bei den damals laufenden Koalitionsverhandlungen, wollte die CSU nicht auf ihn verzichten. Seehofer nutzte dies, um noch einmal durchzustarten: Er zimmerte sich ein Riesen-Innenministerium zurecht. In dem Amt polarisierte er von Anfang an, keinem Streit ging er aus dem Weg. Zwei Regierungskrisen, einmal wegen der Asylpolitik, einmal wegen der Causa Maaßen, gingen mindestens mit auf Seehofers Konto. Für weite Teile der Opposition war der Bundesinnenminister von Anbeginn an der Gegner Nummer eins.

Auch im Ansehen der Bevölkerung rutschte er immer weiter ab. Geradezu dramatisch abwärts ging es nach jener denkwürdigen Nacht Anfang Juli, als Seehofer auf dem Höhepunkt seines Asyl-Streits mit der Kanzlerin seinen Rücktritt ankündigte - und am Ende doch beide Ämter behielt. Diesmal aber soll der Rücktritt endgültig sein - nur nicht sofort.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort