Ägyptens Regierung droht Muslimbrüdern mit Verbot

Kairo · In Ägypten geht der blutige Machtkampf zwischen den entmachteten Islamisten und den neuen Machthabern in eine neue Runde. Nach den Unruhen der vergangenen Tage diskutiert die Übergangsregierung jetzt ein Verbot der islamistischen Muslimbruderschaft. Zugleich drohte sie am Samstag in Kairo, mit eiserner Faust gegen Terrorismus vorzugehen.

 Ein verletzter Mursi-Anhänger wird in Kairo abgeführt. Foto: Khaled Elfiqi

Ein verletzter Mursi-Anhänger wird in Kairo abgeführt. Foto: Khaled Elfiqi

Foto: DPA

Im Gegenzug kündigten die Muslimbrüder nach dem von ihnen ausgerufenen "Freitag der Wut" weitere Proteste an. Bei den gewaltsamen Zusammenstößen vom Freitag waren nach Angaben eines Regierungssprechers 173 Zivilisten getötet und weitere 1330 Menschen verletzt worden.

Während sich die Lage am Samstag in vielen Landesteilen beruhigte, spielten sich dramatische Szenen rund um die Fateh-Moschee am Ramses-Platz im Zentrum Kairos ab. Dort weigerten sich mehrere Hundert Mursi-Anhänger seit dem Freitagabend, die von Sicherheitskräften und einer Menschenmenge belagerte Moschee zu verlassen. Die Menschen vor der Moschee seien aufgebracht, weil am Freitag aus der Kundgebung der Islamisten heraus Schüsse abgegeben worden seien, berichtete ein Fotograf der dpa-Partneragentur epa.

Rund 700 Menschen harrten in der Moschee aus, wie eine betroffene Frau dem Nachrichtensender Al-Dschasira sagte. Sie waren in der Moschee am Freitagabend übriggeblieben, nachdem sich eine Großkundgebung von Mursi-Anhängern auf dem Ramses-Platz aufgelöst hatte.

Die Lage rund um die Moschee eskalierte am Samstagnachmittag. Dutzende von Demonstranten flüchteten aus der Moschee, nachdem mehrere Schüsse gefallen waren. Reporter ägyptischer Fernsehsender vor Ort sagten, die Sicherheitskräfte seien von Bewaffneten aus einer der oberen Etagen der Moschee und vom Minarett aus beschossen worden. Mehrere Soldaten hätten daraufhin das Feuer erwidert. Demonstranten seien in Panik aus der Moschee auf die Straße gelaufen. Sicherheitskräfte hätten sie vor einem Mob schützen müssen.

Zwei Jahre, nachdem die islamistische Muslimbruderschaft in Ägypten wieder offiziell zugelassen wurde, droht ihr unten den neuen Machthabern erneut ein Verbot. Der Vorschlag, die Islamisten-Organisation für illegal zu erklären, stamme von Übergangsministerpräsident Hasim al-Biblawi, sagte ein Regierungssprecher am Samstag in Kairo. Eine Entscheidung sei noch nicht getroffen worden.

Die Muslimbruderschaft war während der Amtszeit des 2011 gestürzten Präsidenten Husni Mubarak verboten. Ihre neu gegründete Partei für Freiheit und Gerechtigkeit ging aus der Parlamentswahl nach dem Sturz Mubaraks als stärkste politische Kraft hervor. Laut Umfragen hat sie seitdem einen großen Teil ihrer Popularität eingebüßt. Mohammed Mursi war 2012 als Kandidat der Muslimbrüder zum Präsidenten gewählt worden. Am 3. Juli 2013 setzte ihn das Militär nach Massenprotesten ab.

Seit Ausbruch der neuen Gewaltwelle am vergangenen Mittwoch sind 750 Zivilisten und 57 Polizisten getötet worden, wie ein Sprecher der Übergangsregierung am Samstag vor der Presse in Kairo sagte. Die meisten Todesopfer habe es bei Zusammenstößen zwischen Anhängern von Mursi sowie der Übergangsregierung gegeben.

Der Vorsitzende der Auslandspressevereinigung (FPA) und langjährige "Spiegel"-Korrespondent Volkhard Windfuhr schrieb in einer Botschaft an die Mitglieder der Vereinigung, ein "sogenannter friedlicher Demonstrant" habe am Freitag auf der 15-Mai-Brücke in Kairo auf ihn geschossen. Er habe die Attacke mit viel Glück unversehrt überlebt. Aggressive "Protestierende" würden inzwischen wahllos Menschen angreifen.

Der Sprecher des ägyptischen Außenministeriums, Bader Abdel Atti, wies die Vorwürfe zurück, die Sicherheitskräfte gingen mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen Demonstranten vor. Ägypten werde keinerlei Einmischung von außen akzeptieren, egal von welchem Land, fügte er hinzu.

Zuvor hatte unter anderem die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton die Zahl der Toten und Verletzten als schockierend bezeichnet. Die Verantwortung für die Tragödie laste schwer auf der Übergangsregierung sowie der erweiterten Führung des Landes, heißt es in einer Erklärung Ashtons vom Freitag.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und sein Amtskollege aus Katar, Chalid al-Atija, äußerten sich am Samstag bestürzt über die Eskalation der Gewalt in Ägypten. "Die neuen Todesfälle erschüttern und empören uns", sagte Westerwelle nach einem Treffen am Samstag in Berlin. Nur ein Dialog und eine stufenweise Abschwächung könnten zu einer Lösung führen. Mit Empörung habe die Bundesregierung auch die erneuten Angriffe auf Christen registriert.

Die koptisch-orthodoxe Kirche, deren Einrichtungen in den vergangenen Tagen mehrfach Ziel islamistischer Brandattacken wurden, erklärte in der Nacht ihre Solidarität mit Polizei und Armee. Christliche Aktivisten registrierten seit Mittwoch landesweit 85 Übergriffe auf Christliche Kirchen, Schulen und Gemeindezentren, sowie auf Geschäfte und Häuser, die Christen gehören.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort