Kooperation von General-Anzeiger und Alanus-Hochschule Abgefahrene Vorlesung

Bonn · Bei einer Fahrt mit der Linie 18 gibt es eine Vorlesung über die Architektur entlang der Strecke zwischen Köln und Bonn. Dort wird der Bevölkerungswachstum in den nächsten Jahren für Veränderung sorgen.

Langsam rollt der einzelne Waggon mit der Nummer 5144 im Bonner U-Bahnhof ein. Die Linie 18 der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) unternimmt an diesem Dienstagabend keine gewöhnliche Fahrt, sondern wird zum Hörsaal. Im Rahmen der Ringvorlesung „Bonner Orte. Anders. Sehen.“ der Alanus Hochschule, die in Kooperation mit dem General-Anzeiger stattfindet, stellten Professor Willem-Jan Beeren aus dem Fachbereich Architektur und Peter Köddermann vom Museum für Architektur und Ingenieurskunst Nordrhein-Westfalen (M:AI) die Architektur und deren Zukunft entlang der Bahnstrecke vor. Die einstündige Fahrt von Bonn bis zum Kölner Hauptbahnhof unter dem Titel „GrenzWertig“ moderierte Professor Florian Kluge von der Alanus Hochschule.

Das Gebiet zwischen Bonn und Köln befinde sich „in einem enormen Wandlungsprozess“, so Beeren. In den kommenden Jahren werde für den Bereich zwischen den beiden Rheinmetropolen ein Bevölkerungswachstum von etwa 15 Prozent erwartet. Für Hürth sogar von bis zu 25 Prozent. Die Herausforderung für Architektur und Stadtplanung: Günstigen Wohnraum schaffen, aber gleichzeitig auch Flächen für Industrie und Gewerbe bereithalten. Aber schöne Ideen allein reichen nicht. „Die Architektur in Deutschland kommuniziert sich nicht mehr so wie früher“, erklärt Köddermann.

In einem Projekt des M:AI mit vier Hochschulen, an dem sich neben der Alanus Hochschule auch die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule in Aachen, die Technische Hochschule Köln und die Fachhochschule Dortmund beteiligen, sollen daher Architekturstudenten und Nichtfachleute ins Gespräch kommen.

Dieser Aufgabe widmete sich Beeren gemeinsam mit seinen Studenten im vergangenen Jahr. Entlang der Strecke von Bonn nach Köln sollten sie Orte ausfindig machen, die sie umgestalten würden, und Möglichkeiten entwickeln, die Bürger in diesen Prozess mit einzubeziehen.

Erster Halt der Tour: Alfter. Weitere Studierende steigen zu, verteilen Postkarten und Stifte an die Zuhörer. Jeder soll seine Gedanken während der Fahrt notieren – ebenso wie es die Studenten bei ihrer Erkundungsfahrt gemacht haben. Der Zug rauscht an Erdbeerfeldern, Gewächshäusern und Folientunneln zwischen Alfter und Roisdorf vorbei. Seit 1897 verbindet die „Vorgebirgsbahn“ Bonn und Brühl. Später wurde die Strecke bis zum Barbarossaplatz in Köln erweitert. Allein im ersten Betriebsjahr transportierte die Linie mehr als 10 000 Fahrgäste – auch heute ist es die Linie mit dem höchsten Fahrgastaufkommen.

Am Rand der Strecke fallen leerstehende Bahnwärterhäuschen und Bahnhöfe auf. Ein Student will daraus Atelierräume für Künstler schaffen. Aus ungenutzten Gewächshäusern sollen neue Wohnflächen entstehen und ein altes Schwimmbad in Alt-Hürth könnte zur Markthalle werden, um regionale Produkte aus den umliegenden Feldern anbieten zu können – so die Vorschläge der Studenten. Um dem „Donut-Effekt“ entgegen zu wirken, dem Ausfransen der Dörfer durch Neubaugebiete bei gleichzeitigem Leerstand im Dorfkern, will eine Studentin einen neuen Dorfplatz schaffen und dort einen Bauwagen aufstellen – für Bürgerwerkstätten. Ob Bonn und Köln irgendwann einmal verschmelzen? Für die Experten eher unwahrscheinlich, aber eine gemeinsame, regionale Planung sei wichtig für die Zukunft. Schließlich verändern sich die Bedürfnisse ständig. „Es ist spannend, von Ort zu Ort darüber nachzudenken“, so Köddermann.

Besonderer Dank galt am Ende den KVB, die die Sonderfahrt ermöglicht hatten. Das war beim engen Fahrplan auf der zum Teil eingleisigen Strecke und Straßenbahn-Lautsprechern, die nicht für Vorlesungen gedacht sind, eine echte Herausforderung. In Köln angekommen dankten die Besucher auch dem Fahrer für ein gelungenes Experiment.

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