Hausbau auf klimafreundliche Art - das Passivhaus

Wie Häuslebauer Sonne und Körperwärme nutzen können, um umweltfreundlich zu heizen

Hausbau auf klimafreundliche Art - das Passivhaus
Foto: ap

Knut geht’s gut. Sein Gehege im Berliner Zoo ist vom Treibhauseffekt weniger betroffen als der arktische Lebensraum seiner Eisbärenverwandten: Denen schmelzen die Jagdgründe unter den Tatzen weg – eines von vielen Anzeichen der Erderwärmung.

Bis 2020 mindestens 20 Prozent weniger CO2-Ausstoß, auf dieses Minimalziel im Kampf gegen die Klimakatastrophe haben sich die EU-Umweltminister am 20. Februar in Brüssel geeinigt. Für die Häuslebauer heißt das: So bauen, dass die Wärme drinnen bleibt. Je weniger Heizenergie verbraucht wird, desto weniger CO2 geht durch den Schornstein. Vereinfacht gesagt.

Am besten geht das mit einem Passivhaus. Passivhäuser? Sind das nicht diese durchgeknallten High-Tech-Gebäude, mit denen Öko-Wissenschaftler die Heizung überflüssig machen wollen? So wie der „Heliotrop“ des Freiburger Solar-Architekten Rolf Disch, eine drehbare Rundkonstruktion, die sich nach dem Sonnenstand ausrichtet? Nicht nur.

Inzwischen ist die Technik alltagstauglich: Rotweiße Fassade aus Holz, Putz und Kalksandstein, Garage, Garten. Der Bauingenieur Björn Schädlich bewohnt mit seiner Familie seit mehr als zwei Jahren ein schmuckes Einfamilienhaus in Rösrath.

Durch ihre großen, dreifach isolierverglasten Südfenster schauen die Schädlichs auf eine Welt, die ihnen bisweilen merkwürdig vorkommt: Diskussionen über die Abhängigkeit von Atomkraft und russischem Gas, horrende Mietnachzahlungen wegen der anhaltend hohen Energiepreise. Wozu das alles? Die Rösrather heizen ihr Passivhaus mit Körperwärme, rund 100 Watt pro Person. Dazu kommen Sonneneinstrahlung (große Fenster auf der Südseite) und die Wärmeabgabe von Haushaltsgeräten – Heizung überflüssig.

Das ist keine Hexerei: Alles, was man braucht, sind ordentlich gedämmte Fassaden ohne Kältebrücken, wie sie in Skandinavien schon jahrzehntelang üblich sind, eine vernünftige Isolierverglasung und die automatische Belüftung durch einen Wärmetauscher, der die frische Luft von draußen mit der Energie der verbrauchten Luft von drinnen aufheizt. „Schlechte Luft im Schlafzimmer, weil die Fenster nachts wegen Lärm oder Frost nicht geöffnet bleiben können“, erklärt Simone Schädlich, „gibt es bei uns dank der Komfortlüftung nicht.“

Und was Körperwärme und Sonne nicht schaffen, besorgt die Wärmepumpe: Sie versorgt den Fußboden im Badezimmer und zwei zusätzliche Wandheizungen mit Erdwärme. Sechs Quadratmeter Solarkollektoren auf dem Dach unterstützen die Warmwassererzeugung. „So sind wir unabhängig von Gas- und Ölpreisen und vom Schornsteinfeger.“

Wenn das so ist, warum werden dann nicht alle Häuser so gebaut? Weil man die Fenster nicht öffnen darf? Böse Zungen behaupten, dass die gut verdienende Energiewirtschaft unsinnige Argumente wie dieses in Umlauf gebracht hat. Tatsächlich sind andere Länder schon viel weiter. In Schweden ist schon seit den achtziger Jahren Niedrigenergiebauweise vorgeschrieben. Österreich ersetzte seine Eigenheimzulage durch eine gestaffelte Förderung, die Passivhäuser am meisten begünstigt.

Aber auch in Deutschland tut sich was. Solarenergie und Fotovoltaik, Pelletsheizungen und Wärmepumpen, früher mal als grüne Spinnereien abgetan, sind längst gesellschaftsfähig geworden. Jeder kennt die freundlich bunten Thermogramme, in denen eine Spezialkamera die zugigen Ecken einer Hausfassade verräterisch einfärbt.

Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm „Mein Haus spart“ von Bundesregierung und Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) verteilt günstige Kredite sowie Zuschüsse an alle, die in das Klima investieren und ihren Energieverbrauch deutlich senken wollen. Und das Land Nordrhein-Westfalen belohnt Hausbesitzer, die ihr Heim vorbildlich gedämmt haben und erneuerbare Energien nutzen, mit der Plakette „Energiesparer NRW“. Könnte ja sein, dass die an die Fassade genagelte Auszeichnung die Nachbarn neidisch macht und die wundersame Vermehrung der Solarzellen einleitet.

„Das Interesse ist stark gestiegen“, bestätigt die Bornheimer Architektin und Energiesachverständige Monika Brölingen, „und die Leute, die bei mir wegen einer Sanierung anfragen, sind dank Internet schon sehr gut informiert.“ Und wollen von Brölingen ganz genau wissen, nach wieviel Jahren sich die höheren Baukosten dank staatlicher Förderung und Energiekostenersparnis amortisiert haben.

Was die Deutschen einmal anfangen, das tun sie gründlich. Auch die Fertighaushersteller haben längst auf die steigende Nachfrage reagiert. Alle auf dem deutschen Markt angebotenen Häuser sind Niedrigenergiehäuser; schlüsselfertige Passivhäuser sind schon ab 135.000 Euro zu haben.

Noch weiter geht das gemeinsam mit dem Solarpionier Rolf Disch konzipierte „Plus-Energie-Haus“: Die Außenwände sind nicht mit Styropor, sondern mit zusätzlichem Holz gedämmt. Die Fotovoltaikanlage auf dem Dach erzeugt mehr Energie als das Haus verbraucht – die Eigentümer können ihren selbsterzeugten Solarstrom ins öffentliche Netz einspeisen und bekommen gutes Geld dafür.

In Bremen scheint die Sonne nicht so oft wie in Freiburg. Vielleicht deshalb haben Bremer Ingenieure noch einen Weg gefunden, genauso viel Kohlendioxid einzusparen wie durch eine Solaranlage: In ihren CO2-Niedrighäusern wird Erdgas nicht nur für die Heizung, Herd und Wäschetrockner eingesetzt, sondern auch für die Warmwasseraufbereitung bei Spül- und Waschmaschine. Dass alle Geräte die höchste Energie-Effizienz-Klasse haben, versteht sich von selbst.

Niedrigenergiehäuser, Passivhäuser, CO2-Sparhäuser – neu ist das alles nicht. Schon im 17. Jahrhundert bauten die Isländer Passivhäuser mit meterdicken Torfwänden. Das Isolierglas meldete der Amerikaner T. D. Stedson 1865 zum Patent an. Luftwärmetauscher kennt die Industrie seit Jahrzehnten.

Dass erst kurz vor Knut, gegen Ende des 20. Jahrhunderts, wieder Häuser ohne Heizung gebaut wurden, ist unsinnig. Inzwischen ist klar: Der Mensch hat weder unerschöpfliche Energiequellen noch ein einfaches Mittel, die Erderwärmung aufzuhalten. Aber in einem warm eingepackten Haus kann er die Sonne und seinen eigenen Körper zu Heizkörpern machen. Auch ohne Eisbärenfell.

Weitere Infos

www.mein-haus-spart.de
www.energieagentur-nrw.de
www.passivhaus-info.de

Anregungen unter:

www.energie-projekte.de
www.passivhausprojekte.de

Ansprechpartner bei:

www.ib-schaedlich.de
www.mb-baukunst.de
www.aknw.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort