8000 Linksautonome erwartet "Gänsehaut" am Gleis: "ZuG20" bringt Protestler nach Hamburg

Hamburg · Polizeikontrollen, Abfahrtverzögerungen, Schleusen - die Fahrgäste des NoG20-Sonderzugs von Basel nach Hamburg müssen Einiges erdulden. Der Lust am Demonstrieren tut das aber keinen Abbruch.

 "Krieg beginnt hier" - G20-Gegner aus dem Protest-Sonderzug "ZuG20" kündigen im Hamburger Hauptbahnhof eine harte Gangart an.

"Krieg beginnt hier" - G20-Gegner aus dem Protest-Sonderzug "ZuG20" kündigen im Hamburger Hauptbahnhof eine harte Gangart an.

Foto: Daniel Bockwoldt

Ankunft 8.25 Uhr, Gleis 12, Hamburger Hauptbahnhof. Vorsicht an der Bahnsteigkante: Der Sonderzug aus Basel fährt ein. Randvoll mit rund 700 Protestlern, über die Nacht eingesammelt in ganz Deutschland. Wie normale Fahrgäste werden sie an diesem sonnigen Vormittag aber nicht begrüßt.

Ein massives Aufgebot der Bundespolizei hat den Bahnhof mit Schleusen gesichert. Die Demonstranten, die mit Sprechchören aus den restaurierten Waggons hinter der roten Lok aussteigen, werden kontrolliert und im Schneckentempo durch die Bahnhofshalle geschleust.

Bereits vor dem Start hatte die Polizei am Vorabend die Reisenden gefilzt. 33 Personen wurde noch in Basel die Einreise nach Deutschland verwehrt, ein mit Haftbefehl wegen Körperverletzung gesuchter Schweizer gefasst. Bei den Kontrollen stellte die Polizei nach eigenen Angaben Gasmasken, Mundschutze und Schutzbrillen sicher. Die Organisatoren des Protestzugs kommentierten umgehend über einen Live-Ticker im Internet: "Die repressive und willkürliche Polizeistrategie der letzten Tage setzt sich fort".

Die Kontrollen haben Zeit gekostet, der "ZuG20" startet mit Verspätung zu seiner Fahrt. 14 Stunden quer durch Deutschland. Am Bahnhof Kornwestheim bei Stuttgart wird er fast ekstatisch von den Wartenden begrüßt. Parolen wie "Antikapitalista" und "Revolution" schallen über den Bahnsteig. Rote Fahnen werden geschwenkt.

Die Stimmung unter den Fahrgästen ist ausgelassen und friedlich. Aber natürlich dreht sich alles um die geplanten Aktionen in Hamburg. Man gibt sich Tipps, etwa oder wie man eine Sitzblockade korrekt abhält. "Je nachdem, wie du dich hinsetzt, zeigst du den Bullen deine Kooperationsbereitschaft", rät einer der Mitfahrer. Ganz wichtig ist die Hotline des sogenannten Ermittlungsausschusses der Gipfelgegner: Diese soll angerufen werden, falls Protestler in Schwierigkeiten mit der Polizei geraten. Die Zugfahrer notieren sie sich fett mit schwarzem Markerstift auf Unterarme und Unterschenkel.

Feindseligkeit herrscht in den Zugabteilen gegen Polizei und Presse. Über Medien wird geschimpft, die blau uniformierten Beamten, die aktionslos an den Zwischenhalten stehen, werden pauschal als "Schweine" verurteilt.

Auf dem Weg nach Norden hält der Zug auch in Heidelberg, Frankfurt, Köln und Dortmund. Bei jedem Stop starten die Aktivisten aufs Neue ihre Sprechchöre, auch mitten in der Nacht. Ans Schlafen denkt kaum einer, immer wieder laufen die Mitfahrer durch den fahrenden Zug. Viele suchen das Bordrestaurant auf, das unter anderem Veggie-Gulasch anbietet. Wenige Meter weiter lädt ein Infostand zum Wissensaustausch ein.

Kurz vor der Ankunft können es die jungen und alten Demonstranten kaum noch abwarten. "Schau, was für eine Gänsehaut ich habe", sagt einer. Ein anderer vergleicht seine Gefühlslage mit damals in der siebten Klasse, als er zur Klassenfahrt aufgebrochen ist.

In der Hansestadt verteilen sich die Sonderzug-Gäste quer über die Stadt: Die einen wandern Richtung Altonaer Volkspark zum Übernachtungscamp. Andere schlendern zum Fischmarkt an die Elbe - zum Startpunkt der Autonomen-Demo "Welcome to Hell" am Nachmittag. Sie gilt als die heikelste Protestaktion gegen den Gipfel, 8000 gewaltbereite Linksautonome erwartet die Polizei. Willkommen in Hamburg.

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