Kindheit im Krieg

Ursula Hafner erinnert sich im Gespräch mit ihrer Urenkelin an schwere Zeiten.

 Wenn die Bomber kamen, mussten alle in den Bunker - "manchmal dreimal pro Nacht", erinnert sich Julias Urgroßmutter.

Wenn die Bomber kamen, mussten alle in den Bunker - "manchmal dreimal pro Nacht", erinnert sich Julias Urgroßmutter.

Foto: MATT_GIBSON/GETTY IMAGES

Im Gespräch mit ihrer Urgroßmutter Ursula Hafner hat sich die Achtklässlerin Julia Meyer auf Spurensuche begeben. "Ich bin froh, dass sich meine Urgroßmutter dazu bereit erklärt hat, mir ein paar Fragen zu beantworten, da es es immer weniger Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs von 1939 bis 1945 gibt, als Adolf Hitler und die Nazis an der Macht waren", sagt Julia Meyer. Ursula Hafner wurde 1937 in Schlesien geboren, von wo aus sie 1945 nach Deutschland floh.

War denn dein Vater im Krieg?

Ursula Hafner: Als 1939 der Krieg angefangen hat, wurde mein Vater sofort eingezogen und nach Russland geschickt. Zu diesem Zeitpunkt war ich zwei Jahre alt.

Wie oft oft hast du deinen Vater in dieser Zeit gesehen?

Hafner: In den folgenden Jahren war er nur einmal im Jahr für 14 Tage zu Hause. Daher war er für mich ein völlig fremder Mann.

Wie konntet ihr miteinander kommunizieren? Gab es da Möglichkeiten? Konntet ihr ihm Briefe schicken?

Hafner: Das war so, dass jeder Soldat eine Feldpostnummer zugewiesen bekommen hatte. Das ist wie eine mobile Briefkastennummer. An diese Feldpostnummer hat man seine Briefe geschrieben, die dann auch zum Glück irgendwann angekommen sind.

Was wurde schließlich aus deinem Vater?

Hafner: Ich habe dir ja schon erzählt, dass jeder Soldat eine Feldpostnummer bekommen hat. Meine Mutter hat seine letzte Feldpostnummer nicht bekommen. Er sollte als Infanterist (das sind Fußsoldaten) in Fritsch in Sudeten eingesetzt werden. Er wurde schließlich als vermisst gemeldet und ist nie wieder aufgetaucht.

Als du Geburtstag hattest, hast du da irgendwas geschenkt bekommen?

Hafner: Ja, als ich noch in Schlesien gelebt habe, haben alle unsere Nachbarn Wolle zusammen gesteckt und rausgekommen ist eine Puppe, die ich Hans-Werner genannt habe. Doch auf der Flucht hat sich im Zug eine etwas kräftigere Frau auf ihn gesetzt.

Ach ja, du und deine Mutter wart auf der Flucht, von wo bis wo seid ihr denn geflüchtet?

Hafner: Ich bin in Schlesien in Neusalz an der Oder geboren und am 26.1.1945 hieß es, alle Frauen und Kinder müssen weg. Meine Großeltern sollten noch da bleiben. Von Schlesien ging es dann nach Deutschland nach Brandenburg an der Havel. Dort blieben wir drei Monate.

Musstest du auch manchmal in einen Bunker?

Hafner: Oh ja, wir mussten oft in den Bunker manchmal dreimal pro Nacht.

Wie hast du das so als Kind mitbekommen? Eher mehr oder weniger?

Hafner: Also mitbekommen habe ich schon was. Meine Mutter hatte ein Radio. Immer wenn man es eingeschaltet hat, sagte eine Stimme: "Deutschland verrecke." Außerdem hat man es mitbekommen, wenn nachts russische Flieger nach Berlin geflogen sind, da hat man so ein lautes Brummen gehört. Aber da, wo wir gewohnt haben, haben sie nie was abgeworfen.

Hattest du manchmal Angst?

Hafner: Eher weniger, da wir Kinder nichts erklärt bekommen haben und wenn man dann in den Bunker musste, war das eben so. Also, als Kind habe ich nicht sonderlich viel erklärt bekommen und dem entsprechend hatte ich auch nicht wirklich Angst.

Wie haben du und deine Mutter gewohnt?

Hafner: Später im März 1945 sind wir mit einem der letzten Züge an den Tegernsee gefahren. Dort haben meine Mutter und ich zusammen in einem Zimmer gelebt. Dort haben wir gewohnt und gekocht, bis wir in unsere erste Wohnung gezogen sind.

Wie war das bei dir mit der Schule?

Hafner: 1945 sind wir geflohen, da war ich in der ersten Klasse. Als wir am Tegernsee angekommen sind, bin ich in die zweite Klasse gekommen. In die Schule sind wir immer barfuß gegangen, da wir kein Geld für Schuhe hatten. Aber das hatte eigentlich fast niemand.

In meiner Klasse waren wir 55 Mädchen. Wir hatten immer in zwei Schichten Unterricht, vormittags die Mädchen und nachmittags die Jungs oder umgekehrt.

Womit habt ihr euch nachmittags beschäftigt?

Hafner: Nachmittags haben alle Kinder draußen zusammen Völkerball oder am Fluss gespielt.

1948 war die Währungsreform. Wie ist das abgelaufen?

Hafner: Erst mal wurde das ganze Geld, das man hatte, entwertet und jeder bekam 40 DM. Über Nacht waren plötzlich alle Läden wieder voller Produkte. Erst konnte man sich nicht wirklich was leisten, aber mit der Zeit wurde das dann besser.

Hast du irgendwann mal was vermisst, zum Beispiel Spielzeug?

Hafner: Ich habe nichts vermisst, da ich es ja auch nicht anders kannte. Neidisch auf andere war ich auch nicht, da eben niemand etwas hatte und man mit dem gespielt hat, was da war.

Was hältst du von der Jugend von heute?

Hafner: Also ich finde, dass die Jugend heute sehr verwöhnt ist.

Was hältst du von Handys?

Hafner: Mit Handys kann ich mich ein bisschen anfreunden, aber mit Computern oder anderen technischen Geräten will ich nichts am Hut haben.

IGS Beuel, Klasse 8b

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