40 Jahre GA-Wandertag Idylle zwischen Trauben und Ruinen

In diesem Jahr wird der GA-Wandertag 40 Jahre alt. Aus diesem Grund zeigt der GA ab heute die schönsten Wandertags-Touren. Den Auftakt macht der Rotweinwanderweg im Ahrtal.

Es fällt nicht schwer, sich in dieses Panorama zu verlieben. Unzählige Bänke und Aussichtspunkte entlang des Rotweinwanderwegs laden ein, aus der ersten Reihe dieses außergewöhnlichen Schauspiel zu verfolgen. Da trifft, zumindest im Abschnitt zwischen Altenahr und Dernau und dann wieder mit der Felsformation "Bunte Kuh" bei Walporzheim, eine urwüchsige Natur mit dichtem Wald und schroffen Bergen, in die sich in Jahrmillionen die Ahr hineingefräst hat, auf eine von Menschenhand in Jahrhunderten gestaltete Kulturlandschaft.

In Terrassen staffeln sich die Abschnitte der einzelnen steilen Weinberge, jede Parzelle, sei sie auch noch so klein, wird mit aufgereihten Stangen und akkurat gezogenen Drähten für den Weinbau genutzt. Es ist eine gewaltige Architektur, die sich festungsartig die Berge hinauftürmt. Immer arbeitet dort jemand, Weinbau ist Work in progress.

Man fühlt sich an Gemälde von Pieter Breugel erinnert: Am Turm zu Babel wird gebaut und gebaut, er wächst in die Höhe. Hunderte Menschen arbeiten daran. Großer Unterschied: Die Kulturlandschaft entlang der Ahr ist ungleich produktiver. Die Liebe zu dieser eindrucksvollen Allianz zwischen Natur und Kultur ist eine, die mindestens vier Jahreszeiten lang währt. Ein gewaltiges Schauspiel: Im Spätherbst und Winter ragen die Rebstöcke wie verkohlte Knochen aus dem Erdreich, Spalierstangen und Drähte sind sichtbar, man staunt über die gleichmäßigen Bahnen dieses Skeletts, das die Berge überzieht.

Fällt etwas Schnee, wird die Szenerie in Schwarz-Weiß noch bizarrer, unwirklicher. Aber ungemein faszinierend. Bald sprießt das erste Grün an den Bäumen und den wie tot wirkenden Rebstöcken. Und dann explodiert die Natur gleichsam. Überall dichtes Laub. Plötzlich kommt Farbe in das Panorama, und dann wird es bunt, wenn sich die schweren, violetten und bläulichen Trauben unter den großen Weinblättern förmlich aufpumpen. Die Laubfärbung im Herbst ist dann das glühende Jahresfinale, das wir aus der ersten Reihe verfolgen können. Dann fällt der Vorhang, die Vorstellung wird abgebaut.

Auf den knapp 20 Kilometern, die wir den Rotweinwanderweg auf halber Höhe über der sich windenden Ahr entlangwandern, empfangen uns neben dem Schauspiel der Natur und den Zyklen im Weinberg Jahrtausende Geschichte, die überall ihre Spuren hinterlassen haben. Zeitlich reicht das Spek-trum von der Römervilla mit Resten des Herrenhauses eines römischen Gutshofes des 2. bis 3. Jahrhunderts in Bad Neuenahr-Ahrweiler (seit 1993 Museum über römische Wohnkultur und Lebensweise) über die wuchtigen Pfeiler einer nie vollendeten Bahntrasse unweit von Marienthal bis zu einem der eindrucksvollsten Bauwerke des Kalten Krieges.

Ab 1962 entstand unter den Weinbergen bei Marienthal der sich von Dernau bis Ahrweiler erstreckende unterirdische Regierungsbunker. Im Falle eines Atomwaffenangriffs sollte hier die Regierungsspitze der Republik mit einem Heer von Verwaltungsleuten überleben. Eine gespenstische Vision, die glücklicherweise nie Realität wurde. Seit März 2008 ist das Bauwerk eine Dokumentationsstätte für die Zeit des Kalten Krieges, kann ein Teil des Bunkers besichtigt werden. Unbedingt sehenswert.

Richtig friedlich war es hier auch im Mittelalter nicht. Eine Kette von Burgen lässt erahnen, was hier einst los war. Gleich am Anfang der Wanderung sieht man die über Altenahr residierende Burg Are. Der Stammsitz der Grafen von Are wurde in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts von Theoderich von Are erbaut. Im 13. Jahrhundert kam die Burg in kurkölnischen Besitz. Der nicht mehr vorhandene Bergfried diente zeitweise als Kerker für "hohe Gefangene" der Kirche. In diesem schmorten missliebige Kölner Patrizier, über die sich der Erzbischof geärgert hatte.

1690 wurde die Burg von französischen Truppen neun Monate lang belagert und dann eingenommen. Als majestätische Anlage dominiert die Saffenburg hoch oben den Ort Mayschoß. Im 11. Jahrhundert wurde sie erbaut, im Jahr 1081 erstmals urkundlich erwähnt - die Saffenburg ist die älteste Burgenanlage im Ahrtal. Im Jahr 1424 kam die Anlage an die Grafen von Virneburg und nach deren Aussterben an die Grafen Manderscheid-Schleiden, denen 1593 die Grafen von Marck-Schleiden folgten.

Die strategisch hervorragend platzierte Anlage wurde im Laufe der Geschichte nur zweimal besetzt: 1632 von den Schweden unter General Baudissin, der hier die Schätze von Ahrweiler Patriziern erbeutete, im Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714) durch die Franzosen, Koalitionäre des Kölner Erzbischofs und Kurfürsten. 1704 wurde die Saffenburg "geschleift" und kam 1773 als Ruine in den Besitz der Herzöge von Aremberg. Heutzutage sind nur noch Grundmauern zu sehen.

Eine eindrucksvolle Landmarke gegen Ende der Wanderung ist das mächtige Ursulinenkloster Calvarienberg, eine der ältesten Anlagen dieser Art in Deutschland. Im 39-bändigen "Rheinischen Antiquarius" (1739), den der Koblenzer Historiker mit dem vollen Namen Johann Christian Hermenegild Joseph Franz de Paula Benjamin Stramberger von Grosberg verfasste, ist zu lesen: "Im Jahre 1440 kam ein hochachtbarer Ritter, nachdem er zu Jerusalem aus den Händen des Guardians der Minderbrüder in dem Heilandskloster den Orden des Heiligen Grabes empfangen hatte, nach Deutschland zurück." In Ahrweiler "fiel ihm, dessen Fantasie erfüllt von den im Laufe seiner Pilgerfahrt gesehenen heiligen Orten, die Ähnlichkeit von Ahrweiler mit Jerusalem auf". Ein Kapellchen entstand auf dem bald Calvarienberg genannten Hügel bei Ahrweiler. Hier stand ursprünglich der Galgen des Ahrweiler Hochgerichts.

1630 errichteten die Franziskaner dort ein Kloster, 1664 wurde der Grundstein für die Kirche gelegt. 1803 mussten die Franziskaner im Zuge der Säkularisation den Calvarienberg verlassen, der französisches Nationaleigentum wurde. Der Ursulinenkonvent in Monschau siedelte 1838 in das leerstehende Franziskanerkloster über. 1897 entstand der mächtige Neubau mit seiner neugotischen Kirche. Auch die Ära der Ursulinen ist bald Geschichte. Ende 2016 musste Generaloberin Maria Monheim bekannt geben, dass die Ursulinen aus Altersgründen, Nachwuchsmangel und wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage den Calvarienberg verlassen müssen. Die beiden Schulen und das Tagesinternat sollen weitergeführt werden.

Die Wanderung endet im 7500 Einwohner zählenden Ahrweiler, das seit 1969 zu Bad Neuenahr gehört. "Kelten, Germanen, Römer, Grafen, Erzbischöfe und Franzosen gaben sich in Ahrweiler die Klinke in die Hand", liest man im Tourismus-Onlineportal www.ahrtal.de. Dort werden die gut erhaltene mittelalterliche Stadtmauer mit Wallgraben, Toren und Türmen aus dem 13. Jahrhundert sowie die malerischen Fachwerkhäuser gelobt.

Als die rund 2000 Teilnehmer des 17. GA-Wandertages im September 1994 auf dem Marktplatz in Ahrweiler - im Schatten der Laurentiuskirche, wie der GA vermeldete - gewissermaßen die Ziellinie erreichten, kamen sie gerade rechtzeitig zu einem der herrlichen Weinfeste, die diese Region im Herbst in Fülle zu bieten hat. Lediglich der Nieselregen störte. Weinköniginnen aus der ganzen Region und die Musik der diversen Kapellen entschädigten die klammen Wanderer.

Anlässlich des 40. GA-Wandertags im September präsentieren wir in den kommenden Wochen dienstags und donnerstags die zehn schönsten Routen aus 40 Jahren GA-Wandertag.

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