40 Jahre GA-Wandertag Die kopflose Frau erscheint am Tage nicht

Rheinbach · In diesem Jahr wird der GA-Wandertag 40 Jahre alt. Aus diesem Grund zeigt der GA noch einmal die schönsten Wandertags-Touren. Da darf auch eine kleine Grusel-Tour nicht fehlen!

Noch riecht es nach feuchtem Blätterwerk und Tannennadeln. Jetzt, Mitte März, ist die Natur ganz kurz davor aufzuwachen. 14 Grad und sonnig ist es. Ideales Wanderwetter. Und mitten in der Woche sind die Wege menschenleer. Wir stellen den Wagen am Monte Mare Freizeitbad ab und ziehen vorbei am Zaun der Tomburgkaserne. Militärischer Sicherheitsbereich. Am Waldrand treffen wir auf eine Spaziergängerin mit zwei Hunden. Dann treffen wir bis Merzbach überhaupt niemanden mehr. Leider. Denn die Hinweisschilder sind mehr als irritierend. Später, als wir in Merzbach die ersten Wanderer antreffen, erfahren wir von diesen, dass man sich in diesem Wald besser nicht an den Schildern orientiert. Witzbolde haben sie so verdreht, dass man im Kreis geht. Und Pech haben wir auch später: Bei Todenfeld schickt uns ein Waldarbeiter zurück, weil's nicht mehr weiterging, an der Waldkapelle treffen wir einen Wanderer mit vermeintlich aktueller Karte. Von wegen! Was soll's. Der Weg ist eben das Ziel!

Und der Weg führt zunächst vor allem durch Buchen und Erlen. Moosbedeckte, Efeuumrankte Betonblöcke wecken unser Interesse. Reste einer neuzeitlichen Bebauung im Wald? Nein, eine Plakette unter dem verrosteten Mantel einer Fünf-Zentner-Bombe, die auf einem Betonsockel thront, klärt auf: Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges waren mehr als 100 Hektar des Eichen- und Buchenwaldes durch Bomben vernichtet worden. Ziel der alliierten Angriffe war das in der Nähe gelegene Munitionsdepot der deutschen Wehrmacht.

Wir lassen die Bombe links liegen und folgen dem Weg, der jetzt auch an dichten Fichten vorbeiführt. Hinter einer leichten Rechtskurve liegt der Thomasbrunnen. Der Name erinnert an einen früheren Besitzer dieses Teils des Waldes. Der Thomasbrunnen ist ein ausgehöhlter Baumstamm und eine von mehreren Wasserquellen in diesem Waldstück. Vor gut hundert Jahren wurden sie in Brunnen gefasst, um die Wasserversorgung der Munitionsfabrik, die an der heutigen L 493 lag, sicherzustellen. Vor dem Zweiten Weltkrieg wurden die Brunnen restauriert, doch heute sind nur noch die Gräben der Wasserleitungen zu erkennen. Besonders anziehend sieht das rötliche Wasser im Thomasbrunnen nicht aus.

Der weiche Waldboden federt schön ab. Das Terrain ist wellig. Aus der Ferne hört man das einsame Hämmern eines Spechts. Den Weiher des Hackesiefens lassen wir an rechter Hand liegen. Idyllisch sieht das Plätzchen mit der Sitzbank aus. Gut möglich, dass das silbrige Mondlicht des Nachts zwischen Kiefern und Fichten furchtsame Schatten wachsen lässt. Jedenfalls heißt es, zur mitternächtlichen Stunde tauche eine Frau aus dem dunklen Weiher auf – mit ihrem Kopf unterm Arm.

Freundliche Birken wachsen am Wegesrand während wir weiter Richtung Loch bergauf laufen. Wurzeln pflastern unseren Weg, kurze Fichten in frischem Grün säumen ihn. Der Farn ist noch trocken und braun und hat sich niedergelegt. Dazwischen wilde Beeren. Ein tannennadelbedeckter geschwungener Weg führt uns zur Schutzhütte Beuelskopf. Bei meinem letzten Besuch vor mehr als 25 Jahren stand hier auf dem 292 Meter hohen Beuelskopf noch ein hoher Aussichtsturm. Jetzt gibt es hier nur noch eine offene Schutzhütte. Der Turm ist 2002 einer Brandstiftung zum Opfer gefallen, erfahre ich von meinen Kollegen aus der Vorgebirgsredaktion. Ein Aufbau würde etwa 150 000 Euro kosten. Ich freue mich über jede Lärche, die ich entdecke. Sie wurde einst Ende des 19. Jahrhunderts aus dem Sudentenland eingeführt. Mitte der 1970er Jahre aber breitete sich die Lärchen-Rickettsien-Erkrankung, die viele Bäume zerstörte.

Wir treten aus dem Wald heraus, genießen die „gute Landluft“, die von einem großen Hof herüberweht und wandern durch Merzbach bis zur kleinen, schneeweiß getünchten Mariä Himmelfahrt Kirche, die unter dem blauen Himmel geradezu strahlt. Eine frühere Kapelle aus dem 17. Jahrhundert war in den 1950er Jahren abgerissen worden, weil sie dem Fortschritt, sprich einer Straße im Wege stand. Diese hier wurde 1953 erbaut und galt als Filialkirche der Pfarre Neukirchen. Bis heute findet die sonntägliche Messe im Wechsel mit Neukirchen statt.

Das Gasthaus Alt-Merzbach hat an diesem Tag geschlossen. Die Gastwirtschaft mit ihrer gut 150-jährigen Geschichte lohnt wohl nicht mehr so: Sie ist drei Tage der Woche zu. Als wir wenig später an einer Anhöhe hinter dem Zingsbach auf einer Bank unsere erste Vesper genießen, trägt der Wind das Lachen und Rufen der Kinder der Grundschule herauf. Wir blicken auf die Weiden am Bach, die gelassen grasenden Pferde auf einer Koppel. Passenderweise ruhen wir gerade am „Brotpfad“. Dieser Weg verdankt seinen Namen der Tradition, dass noch im 19. Jahrhundert am vierten Sonntag in der Fastenzeit nach der Messe in der Ipplendorfer Kirche Brot an Arme verteilt wurde.

Wir marschieren einen Trampelpfad (Tomburg Runde) hinauf, bis wir wieder aus dem Wald heraustreten, biegen kurz vor Todenfeld hinter einer Holzbank scharf nach rechts und laufen einen recht steinigen Weg bergab. Eine hohe Kiefer ragt wie ein Leuchtturm am Ende des Weges hervor. Unweit der Waldkappelle stoßen wir auf ein schwarzes Kreuz. Es erinnert an den Neukirchener Pfarrer Johannes Rosenbaum, der am 27. Juni 1803 an jener Stelle vom Pferd stürzte und starb.

Die Waldkapelle wirkt wie aus einer mythischen Zeit. Auch wenn die Landstraße unmittelbar daran vorbeiführt. Die L 492 ist heute eine vielbefahrene Straße, die erstmals 1865 gebaut wurde. Einst lag die Kapelle mitten im Wald und gehörte zu einem Kloster. 1802 wurde das Kloster unter den Franzosen aufgelöst und abgerissen. Es blieb diese ungewöhnliche Kapelle mit dem Kreuzweg. 14 Kreuzweg-Stationen waren einst um die Kappelle errichtet. Zwei dieser Stationen sind abhanden gekommen und wurden durch Plastiken an der Kapellenfassade ersetzt.

Ursprünglich wurde das kleine Gotteshaus 1683 am Standort einer Buche erbaut, in deren Stamm Holzfäller die Initialen Jesu in griechischer Schrift entdeckt hatten: IHS. Der Ort wurde Pilgerstätte, die 1686 um ein Kloster ergänzt wurde. Dort wirkten die Franziskaner-Rekollekten vom Kalvarienberg in Ahrweiler und die Serviten vom Bonner Kreuzberg. Umrisse des Klosterbrunnens und -ofens sind noch vorhanden. Das Holzscheit wurde übrigens ab 1683 in der Jesuitenkirche Mariä Himmelfahrt in Köln und ab 1717 in der Jesuitenkirche Namen-Jesu in Bonn aufbewahrt. Wie geht es weiter? So ungefähr können wir die Himmelsrichtung ausmachen, in die wir wandern müssen, um zurück zum Ausgangspunkt zu kommen. Glücklicherweise treffen wir auf einen freundlichen Wanderer mit Karte. Der Odendorfer, der gebürtig aus dem Wendland ist, schlägt die Karte auf. Wir haben denselben Weg. Wir gehen durch das Waldkappelchen, halten uns links, biegen am Ende in den Merzbacher Weg ein und folgen der Route 5. Doch die führt uns wieder zurück zur L 492. Auch gut. Dann laufen wir eben ein Stück entlang der Straße, bis wir am Waldhotel sind.

Es geht über die L 113 zur Forstscheune und dann gleich ab in den Paul-Möhrer Weg. Der Pfad führt am malerischen Weiher vorbei, wo ich vor gut 25 Jahren mal einen Eisvogel beobachtet und fotografiert habe. Es geht über Brücken und Holzstege, am Friedhof vorbei und am Waldrand entlang, ein kurzes Stück durch die Bäume, bis wir wieder zurück sind. Wunderbar. Jetzt eine Runde in die Sauna!

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