Reisebericht aus dem österreichischen Ötztal Bergdorf Niederthai bietet Langlauf in schönster Umgebung

Niederthai/Ötztal · Das österreichische Bergdorf Niederthai im Ötztal hat sich zu einer beliebten Langlaufdestination entwickelt. Es bietet Ruhe, Natur - und Lamas. GA-Redakteurin Uta Effern-Salhoub berichtet.

 Beständiger Anstieg von Niederthai zur urigen Larstigalm. Dort gönnen sich die Winterwanderer etwa Germknödel mit Butter und Mohn.

Beständiger Anstieg von Niederthai zur urigen Larstigalm. Dort gönnen sich die Winterwanderer etwa Germknödel mit Butter und Mohn.

Foto: Uta Effern-Salhoub

Der Schnee glitzert, sanftes Knirschen begleitet jeden Schritt. Treffpunkt „Schneemann“ ist ausgemacht. Die einen gleiten auf Langlaufski geschmeidig hin. Fühlt man sich mit den schmalen Brettern (noch) nicht so vertraut, stapft man über den parallel zu den Loipen verlaufenden Winterwanderweg. „Olaf“ kann niemand verfehlen. Knapp zehn Minuten nach Verlassen des „Zentrums“ von Niederthai taucht er schon auf: Ein „Ötztaler Langlaufzentrum“-Transparent spannt sich um den Bauch des weißen Riesen, bunte Rutschreifen für die Kinder liegen zu seinen Füßen bereit.

Das Nordic Team Niederthai, die Sektion Langlauf des örtlichen Sportvereins, hat ihn kurz vor Weihnachten unter Ägide von Gerd Leiter aufgebaut. Er sei Maurer, erzählt der Langlauftrainer und habe im Winter frei. Dann werden er und seine Sportkameraden fürs Dorf aktiv: „Wir türmen einen großen Haufen Kunstschnee auf, drahteln Eisenmatten zu einem Zylinder und packen mit einem Greifer den Schnee ins Gestell. Dann wird alles gewässert, damit es gefriert.“

 Wie aus dem Bilderbuch: Das Bergdorf Niederthai liegt in einem kleinen Seitental des Ötztals auf etwa 1550 Metern auf einem Hochplateau.

Wie aus dem Bilderbuch: Das Bergdorf Niederthai liegt in einem kleinen Seitental des Ötztals auf etwa 1550 Metern auf einem Hochplateau.

Foto: Uta Effern-Salhoub

Bereits im vierten Winter hat das Nordic Team aus 700 Kubikmetern Kunstschnee das zwölf Meter hohe Wahrzeichen errichtet. „Olaf“ überschaut hier „öbndöbm“ (oben droben), wie es auf Ötztaler Mundart heißt, das von Alpengipfeln eingerahmte Niederthaier Hochplateau. Das man freilich nur entdeckt, wenn man im Ötztal nicht durchbraust in Richtung der südlicher gelegenen Hotspots Sölden und Obergurgl, sondern bei Umhausen abbiegt auf die Serpentinenstrecke hoch ins Bergdorf – fernab von Ski-Weltcup und Après-Ski. Oben ticken die Uhren anders als 500 Meter tiefer im Tal. Kein Trubel, kein Durchgangsverkehr, dafür freier Blick zum Geigenkamm, eine Gebirgskette der Ötztaler Alpen mit fast 30 Dreitausendern.

„Willkommen im Paradies“, begrüßt Steffi Falkner Neuankömmlinge im Hotel Falknerhof. Anderswo würde man das als Marketing-Phrase abtun, doch hier spiegelt es die Lebenseinstellung von 400 Dorfbewohnern, die auf ihrem abgeschiedenen Hochplateau im Einklang mit der majestätischen Natur leben und damit höchst zufrieden sind. Peter Falkner hat vor dem Eingang des modernen Familienhotels ein Spektiv aufgebaut, eine Kombination aus Fernrohr und Teleskop. Ein günstiger Moment: Gerade lässt sich eine gutgenährte Gämse auf Futtersuche im Schnee beobachten. „Der Herrgott hat es sehr gut mit uns gemeint, als er die Welt geschaffen hat“, philosophiert der Wirt.

 Blick aufs Sonnenplateau von Niederthai. Insgesamt 31 sowohl für den klassischen Langlauf als auch für Skating präparierte Loipen stehen zur Verfügung.

Blick aufs Sonnenplateau von Niederthai. Insgesamt 31 sowohl für den klassischen Langlauf als auch für Skating präparierte Loipen stehen zur Verfügung.

Foto: Uta Effern-Salhoub

Die Niederthaier sind stolz darauf, recht eigenständig zu sein und Kindergarten, Grundschule und sogar ein Wasserkraftwerk zu haben. Landflucht ist kein Thema. „Wir leben im Rhythmus mit der Natur, unsere Kinder wissen, wo die Himmelsrichtungen sind“, sagen Falkners und freuen sich über „dem Individualgast, der „teilnimmt an diesem Rhythmus“. Viele Stammgäste tun das seit Jahrzehnten, genießen Ruhe und weiße Märchenlandschaft beim Langlaufen, Schneeschuhwandern, Skilaufen und Skitourengehen.

Höchstens der rauschende Horlachbach, ein 19 Kilometer langer Zufluss der Ötztaler Ache, verströmt in Niederthai Hektik. Am Ufer liegt die alte Dorfschmiede, das Terrain von Günther Falkner. Er schürt das Schmiedefeuer und schmiedet auf dem Amboss das Eisen, erklärt staunenden Zuschauern, dass es in früheren Zeiten zu den Aufgaben des Schmieds zählte, die Schweine zu schlachten. Ein paar Schritte weiter lohnt ein Blick in die barocke Dorfkirche von 1698.

 Eine Schneeschuhwanderung in Niederthai.

Eine Schneeschuhwanderung in Niederthai.

Foto: Uta Effern-Salhoub

Mittags fluten Sonnenstrahlen das komplette Hochplateau. Langläufer ziehen lässig ihre Runden. Neben der Loipe gehen Leute spazieren, einige mit ihren Hunden. Wie alle Loipen im Dorf wird die Sonnenplateau-Loipe täglich präpariert und kann über die Niederthai-Card kostenlos genutzt werden. Sehr beliebt ist die Biathlon-Laserschießanlage des Nordic Teams gleich neben Schneemann „Olaf“. Die Trainer des Nordic Teams zeigen, wie man das Gewehr beim Biathlon halten muss, um die 50 Meter entfernten Scheiben zu treffen. Die Gewehre entsprechen in Größe und Gewicht denen der Profis, enthalten aber keine Munition.

Skibedarf-Verleiher vor Ort und zwei Skischulen helfen Anfängern in die Spur. Nordic-Team-Mitglied und diplomierter Langlauftrainer Michael Leiter macht Mut: „Du gehst mit den Langlaufskiern erstmal im Kreis, gewöhnst dich ans Angleiten. Dann geht es in die Loipe rein. Langlaufen ist ein gezogener Gangschritt mit Gleitphase dazwischen. Wer ein bisschen mit Nordic Walking zu tun hat – Nordic Walking kommt ja vom Langlauf – kann es schnell packen.“ Die Anfängerkurse gehen über drei Tage, jeweils zwei Stunden am Tag. „Dann entscheidet es sich: Will ich dabei bleiben oder wird es eh nix“, sagt Leiter. Doch jeder könne es mit Geduld und etwas Kondition locker-leicht lernen.

 Gerhard Griesser mit Lama Winnie: Seit 2019 hält er auch elf Alpakas, die mit den zehn Lamas in einer Herde leben.

Gerhard Griesser mit Lama Winnie: Seit 2019 hält er auch elf Alpakas, die mit den zehn Lamas in einer Herde leben.

Foto: Uta Effern-Salhoub

Langlaufanfängern erleichtert die Plateaulage von Niederthai die Sache: „Wir haben sehr flache Stellen. Unser Loipenplan hebt die blauen leichten Strecken besonders hervor“, sagt Leiter. Der supersportliche Mittvierziger ist ein vielbeschäftiger Mann: Mit seiner Familie betreibt er den Bio-Bauernhof „Veitenhof“ mit Pension, acht Appartements und Haflingerzucht. Vater Gustl fährt gerade mit der mit Gästen besetzten Pferdekutsche vorbei: Die Haflinger sind sein ganzer Stolz.

Abends senkt sich tiefe Stille über Niederthai. Im Ötztaler Brauhaus von Yannick Allombert im alten Poststüberl unweit der Dorfschmiede brennt Licht. Die Gäste werden vom Chef persönlich bekocht und auch bedient. Der gebürtige Elsässer Gastronom stellt frisch gebraute Biersorten aus nachhaltig regionalem Anbau her. Zutaten: Tiroler Urgerste, Ötztaler Wildhopfen und lokales Gletscherwasser.  „Wir brauen wie vor 200 Jahren“, sagt Allombert.

 Im Stehen und im Liegen kann man sich auf der Laserschießanlage beweisen.

Im Stehen und im Liegen kann man sich auf der Laserschießanlage beweisen.

Foto: Uta Effern-Salhoub

Zu den markanten Typen in Niederthai zählt auch Gerhard Griesser, der Trekking-Touren mit Lamas und Alpaka-Wanderungen anbietet, etwa Übergänge nach Griess oder Küthai. Seine Seniorlamas Romero und Winnie avancierten im August 2019 zu TV-Werbestars für den E-Smart. Gedreht wurde der Spot auf dem nahen Gletscher in Sölden, der einen Andenpass darstellte.

 Wahrzeichen: Der Schneemann „Olaf“.

Wahrzeichen: Der Schneemann „Olaf“.

Foto: Uta Effern-Salhoub

Griessers zehn Lamas, ein Babylama und elf Alpakas „sind sehr geländegängig, in den Anden bewegen sie sich ja auch zwischen 4000 und 5000 Meter Höhe auf schmalen Pfaden.“ Winterkälte stört die Tiere nicht, „sie schlafen sehr gerne draußen bei minus 20 Grad“. 14 Pferde vom Shetlandpony bis zum Tiroler Noriker gehören ebenfalls zum Hof von Gerhard Griesser. Der 43-Jährige ist immer in Aktion. „Arbeit macht nicht krank“, sagt der Lamazüchter, Reitlehrer, Imker, Wirt (50 Betten im Gästehaus „Alpin Appart“) und stolze Familienvater grinsend und freut sich schon auf den Sommer, der sei „ganz stark im Kommen, wir hatten 2019 mehr Nächtigungen als im Winter“. Dann helfen die kleinen Gäste bei der Heuernte und beim Pferdestriegeln. Ihre Eltern sind oft selber als Steppkes hier herumgetobt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Saudi-Arabien im Aufbruch
Wandel an allen Ecken und Enden Saudi-Arabien im Aufbruch
Zum Thema
Aus dem Ressort