Auf den Spuren der Vergangenheit Mehr Kurfürst als Kur in Bad Godesberg

Bad Godesberg · Im einstigen Kurort fließt noch immer das Heilwasser aus der Quelle: Seit mehr als vierzig Jahren verkauft Helmut Fiehl täglich, außer sonn- und feiertags, Godesberger Heilwasser. Im Pavillon an der Brunnenallee zapft er es direkt aus Draitsch- oder Kurfürstenquelle, den Liter zu 30 Cent.

"Wer das Wasser drei Monate lang trinkt, wird merken, dass es ihm gesundheitlich besser geht", sagt Fiehl und meint damit speziell Sodbrennen und Magenbeschwerden. An guten Tagen gehen um die 500 Liter Wasser über die Theke.

Es war Kurfürst Max Franz, der einen Brunnen für die Draitschquelle hatte bauen lassen und den Ort 1790 zum Kur- und Badeort ernannte. Im Eröffnungsjahr beschrieb der Chemiker Ferdinand Wurzer das Draitschwasser als "säuerlich, stechend, prickelnd, wie Champagner und eisenhart". Dann ging es vier Jahre lang rund: Gäste von Rang und Namen kamen, in fünf Sanatorien wurden Magen- und Darmleiden, Nerven- und Gemütsleiden, Rheuma und sogar Alkoholismus behandelt. "Aber", so Yvonne Leiverkus vom Stadtarchiv Bonn, "die Gäste interessierten sich nicht nur für die Kurmöglichkeiten. Auch der Rhein und das Siebengebirge lockten viele Gäste an."

Die Redoute wurde gebaut, um dort die Kurgäste mit Theater, Bällen, Konzerten und Glücksspielen bei Laune zu halten. Doch die goldene Zeit fand 1794 ein jähes Ende, als der Kurfürst vor den französischen Revolutionstruppen Reißaus nehmen musste. Heute ist die Redoute eine der nobelsten Adressen Bad Godesbergs. Hochzeiten werden hier gefeiert oder auch Krimi-Dinner veranstaltet.

Bergauf ging es mit Godesberg nach der Napoleonischen Zäsur erst wieder, als 1902 die Gemeinde den Brunnen der Draitschquelle kaufte. Das Heilwasser wurde auf Weltausstellungen prämiert und selbst am englischen Hof getrunken, obwohl es wegen des hohen Eisengehalts nicht gerade nach Champagner schmeckt.

Nach dem Ersten Weltkrieg erlangte Bad Godesberg die große Bedeutung als Kurort nicht wieder, auch nicht durch den Namenszusatz "Bad", den Godesberg 1926 erhielt. "Der Namenszusatz sollte das Image heben, auch wenn die Bedeutung des Kurbetriebs nachließ", sagt Leiverkus. Und tatsächlich: Nur wenig erinnert noch an die großen Kurzeiten.

Aus einem engen rostigen Rohr fließt das Wasser der Kurfürstenquelle, die erst 1962 angebohrt wurde, in einen kleinen Brunnen im Kurfürstenbad. Kostenlos können sich die Badegäste hier bedienen, aber der Brunnen sieht alles andere als sauber aus. Auch die Fenster hat wohl schon lange niemand mehr geputzt; die Sonnenstrahlen schaffen den Durchbruch kaum. Fast jede Fuge des Bades ist veschmutzt, die Fliesen teilweise porös.

Ein paar Plastikstühle stehen verlassen am Beckenrand. Und auf der Liegewiese wachsen Unkraut und Gras. Da trifft es sich gut, dass das Bad in der Sommersaison geschlossen hat.

Der gegenüberliegende Stadtpark hieß ursprünglich Kurpark. Um aber zu signalisieren, dass hier nicht nur Kurgäste willkommen sind, wurde der Park 1958 umbenannt. Straßennamen wie "Am Kurpark" oder das "Hotel am Kurpark" erinnern noch an früher. Zwar ist der Springbrunnen ganz nett anzusehen, die fleckigen alten Campingstühle mitten auf dem Weg jedoch weniger. Saubere Stühle stehen dafür vor der Stadthalle. Hier spielen im Sommer Bands kostenlos Musik. Es werden aber eher die Bad Godesberger selber zuhören als Kurgäste.

Auch heute noch gibt es rund um den Park Kliniken, aber hauptsächlich für Menschen, die an einem neuen Aussehen interessiert sind. Gesichtslifting, Fett absaugen oder ein Paar neue Brüste - die Bad Godesberger Schönheitschirurgen machen es möglich.

In direkter Nähe die "Alte Apotheke Bad Godesberg". Sie wirbt mit dem Gesicht des Kurfürsten Max Franz, der in Bonn ohnehin an vielen Stellen präsent ist. Nicht nur durch das Porträt, sondern auch wegen solcher Namen wie "Kurfürstenallee" oder "Kurfürstenbad". Und so ist heute zwar wenig Kur in Bad Godesberg zu finden, dafür aber viel Kurfürst. Der beschert den Bad Godesbergern noch Jahrhunderte nach seinem Tod noch etwas feudalen Glanz.

Max Franz starb übrigens 1801 verbittert in Wien - an Fettleibigkeit, Depressionen und Schlafsucht leidend. Der Kurort Bad Godesberg scheint dagegen langsam aus seinem Dornröschenschlaf zu erwachen. So stimmen die Bonner zurzeit in einer offenen Befragung über die Zukunft des Kurfürstenbades ab, dessen Sanierung zehn Millionen Euro kosten würde. Vielleicht erinnert bald wieder mehr an die glänzenden Zeiten von einst.

Von Köln nach Bonn: Studenten der Kölner Journalistenschule sind für den General-Anzeiger in Bonn und der Region unterwegs. In lockerer Folge stellen wir ihre Sommer-Reportagen vor.

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