Dondorf bei Hennef Lärm, viel Ruhe und bis Januar 2014 einzigartiges Wasser

DONDORF · Das Ortsschild rauscht am Auto vorbei. "Dondorf" steht darauf geschrieben, schwarz, auf gelben Untergrund. Allerdings rot durchgestrichen. Das Navi kennt Dondorf schon mal nicht. Eigentlich sollte es zur Ortsmitte führen. Stattdessen führt es 500 Meter weiter. In einen vielversprechend klingenden Ort namens Greuelsiefen.

 Still ruht der Dondorfer See: Vor vielen Jahren gab es hier eine Surfschule, mittlerweile ist das genauso wenig erlaubt wie das Schwimmen und Bootfahren.

Still ruht der Dondorfer See: Vor vielen Jahren gab es hier eine Surfschule, mittlerweile ist das genauso wenig erlaubt wie das Schwimmen und Bootfahren.

Foto: Martin Ochmann

"Sie haben Ihr Ziel erreicht", säuselt die Frauenstimme an der Straße "Kapellenhügel". Das hier ist nicht Dondorf, aber eine gute Wahl. Denn auf dem Hügel steht eine Kapelle, wie man sie in diesem Fachwerkflair nicht vermuten würde. Stahl, Beton und Glas, sehr modern, fast avantgardistisch. Hinter der Kapelle robbt Anna Döhler auf allen Vieren durch das Unkraut, sie schneidet Brennnesseln mit der Gartenschere.

Die 77-Jährige ist eine derjenigen, die sich um die Kapelle kümmern. "1957 bin ich hierher gezogen", sagt sie. Eine arme Zeit sei das damals gewesen. Vielleicht wollten die Menschen deswegen in die Kirche. Aber es gab keine. Also sammelten sie, Monat für Monat, jahrelang. Bis sie das Geld für ihre St. Adelheid Kapelle zusammen hatten. 1974 wurde sie schließlich eingeweiht. Wer sie gebaut hat? "Das weiß ich nicht, irgendein Architekt aus Köln."

Doch mit dem Gotteshaus allein war es nicht getan. Der Förderverein der Kapelle organisiert das Gemeindeleben in Eigenregie. Einmal im Monat wird Messe gefeiert. "Wir haben Menschen, die den Pastor mit dem Auto abholen und wieder wegbringen, wir bezahlen ihn, wir putzen, wir besorgen den Blumenschmuck", sagt die 77-Jährige. Die bunten Blumen, die auf dem Altar stehen, die hat sie dort hingestellt.

An der Vorderseite der Kapelle hängt eine Inschrift. "50 Jahre Damenkomitee Fidele Flotte Dondorf", steht darauf geschrieben. Gründungsjahr 1950. "Das mit dem Schild war so", sagt Anna Döhler. Das Komitee habe seinen Sitz in einem Wirtshaus in Dondorf gehabt. Das brannte ab.

[kein Linktext vorhanden]Das Ausweichquartier, ein weiteres Wirtshaus, machte zu. Also hängt die Plakette jetzt an einer Kapelle. "Aber aus Dondorf ist keiner mehr im Verein", sagt Döhler. Überhaupt, Dondorf, was kann man dazu sagen? Die 77-Jährige zuckt mit den Schultern. "Die hatten mal eine eigene Wasserleitung."

Rund um Dondorf
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Auf nach Dondorf, zu Fuß, entlang der L333. Der Verkehr rauscht ununterbrochen vorbei. Wer die Straße queren will, muss sprinten können. Wem das gelingt, der trifft am Ortsausgang auf Ümit Altin. Er steht in einer Holzbude, vor sich fünf Körbe mit roten Erdbeeren. Seit vier Jahren verkauft er hier Obst.

"Das ist ein guter Ort, um Erdbeeren zu verkaufen", sagt Altin. Laufkundschaft gibt es reichlich. Und der Nachbar, dem der Parkplatz gehört, verlangt keine Standgebühr und versorgt Altin auch noch mit Strom. Viel mehr kann der Verkäufer nicht über den Ort sagen. Er zeigt über die Straße. "Vielleicht der Nachbar?"

Der Nachbar steht in einem Schuppen und schleift einen grünen Fensterladen ab. Er heißt Gerd Porzelt. "Das ist eines der ältesten Häuser hier, gebaut um die Jahrhundertwende", sagt Porzelt. Er ist Werbefotograf und fotografiert Dinge für Kataloge. Aus einem Kombi holt er ein paar Arbeitsproben. Das Foto einer grünen Peperoni. Das einer silbernen Luxusuhr.

Porzelt stammt aus Bad Godesberg, 40 Jahre lang hat er in Düsseldorf gelebt. Der Liebe wegen kam er nach Dondorf. Wie ist es, hier zu leben? "Gewöhnungsbedürftig", sagt Porzelt. Wer in Düsseldorf gelebt hat, für den ist Dondorf etwas zu klein. Doch eines weiß auch Porzelt: "Die hatten hier einen Wasserleitungsverein."

Dondorf liegt zwischen der L 333 und dem Dondorfer See. Eine Straße führt von der Landstraße ins Dorf, die Seestraße. Wer sie befährt, ist in der Regel Anwohner, die Straße endet im Ort. Links und rechts liegen kleine Häuser, teilweise Fachwerk. Davor penibel gepflegte Gärten, Blumen- und Gemüsebeete, Obstbäume und Holzzäune. Wo die Häuser nahe an die Straße rücken, staut sich die Mittagssonne. Sperlinge zwitschern und Schwalben ziehen vorbei.

Nach wenigen hundert Metern geht die Straße in einen Feldweg über, der zum Dondorfer See führt und weiter unter der Bahntrasse her zur Sieg, gesäumt von Feldern und gemähten Wiesen. Es ist eine Welt für einen modernen Tom Sawyer, der mit Grashalm im Mundwinkel über die Felder schlendert, die Höhe der Halme mit der Hand abmessend, runter zur Sieg, um den dicken Zeh ins träge fließende Wasser zu halten.

Die 84-jährige Maria Quadt wäre die perfekte Tante Polly in dieser kleinen Welt. Mit Strohhut und geblümtem Kittel gießt sie schwungvoll Wasser über ihre Blumen und steckt dem Nachbarsjungen, der mit dem Kinderfahrrad auf ihren kleinen Hof gefahren ist, ein "Medizini" zu. "Und immer schön auf die Straße achten", sagt sie. Seit 1964 lebt sie in Dondorf, und die Landstraße, die direkt an ihrem Haus vorbeiführt, stört sie sehr. "Sonst ist es schön hier", sagt sie. "Aber es ist nix los."

Nicht zuletzt diese Ruhe schätzt Werner Tiggeler, der eigentlich aus Aachen kommt. Auch ihn hat die Liebe nach Dondorf verschlagen. Mit dem neunjährigen Schäferhundrüden Enrico, der träge die Mittagshitze weghechelt, hat Tiggeler eine Runde um den Dondorfer See gedreht. "Die Menschen sind sehr freundlich hier, und es ist alles sehr gepflegt", sagt Tiggeler. Man könne wunderbar spazieren gehen. In den See springen darf man allerdings nicht. Naturschutzgebiet. Und Lebensgefahr.

"Baden, Surfen, Segeln, Bootfahren, Paddeln verboten. Untiefen bis 12 Meter", warnen Schilder. Wer den See sehen will, muss sich durch Gestrüpp schlagen. Weiße Pollenflocken treiben auf dem Wasser, einige Enten nehmen Reißaus. Hinter dem See liegt der Bahndamm. Eine Unterführung bringt einen auf die andere Seite. Über die Wiese an der Sieg kommt Vera Trevisany mit Mischlingshündin Bella. Trevisany kommt aus Hennef nach Dondorf.

Trevisanys Vorfahren kommen aus der norditalienischen Stadt Treviso. "Siebzehnhundertundpief kamen sie als Pflasterer nach Bonn", sagt sie. Einige seien hier hängengeblieben. "Aber Adolf fand, dass Trevisani ausländisch klingt." Also habe er aus dem i ein y gemacht.

Mit Geschichte, insbesondere mit der Geschichte von Dondorf, kennt sich Herbert Wuddel aus. Mit seinen 82 Jahren ist er, so sagt er, "der älteste Mann im Dorf". Und er wohnt in einem Haus, in dem sich auch kleine Menschen wie Basketballer vorkommen. Vor ihm auf dem Tisch liegen Bodega Cigarillos und Pfeifen, außerdem Briefumschläge und Briefmarken, die er sortiert. Und im Nebenraum liegt ein Buch. "Dondorf. Das Leben im Dorf, festgehalten auf alten Fotografien, gesammelt von Herbert Wuddel" steht darauf geschrieben.

Wuddel weiß unter anderem, warum die Bushaltestelle an der L 333 "Dondorf Post" heißt. "Früher war da das Gasthaus ,Zum grünen Wald?, da war auch die Post drin", sagt er. Das sei eines von zwei Gasthäusern gewesen. Das zweite stand in der Kurve, unmittelbar vor dem Ortsausgang nach Greuelsiefen. Es war jenes Gasthaus, das abbrannte. Und an dem einst die Tafel hing, die jetzt in Greuelsiefen an der Kapelle hängt. Heute gibt es keine Gasthäuser mehr in Dondorf.

Den Quartettverein gibt es nicht mehr, nicht den Maiklub und auch nicht mehr den Kegelklub "Gut Holz". Und die Schule gibt es seit 1967 auch nicht mehr. Was noch steht, ist die alte Kapelle, gegenüber der Bushaltestelle "Dondorf Post". Am 7. Juli 1878 wurde sie eingeweiht. "Und einmal im Jahr feiern wir das Kapellenfest. Dann gibt es eine Messe, und danach Essen und Trinken bei den Nachbarn", sagt Wuddel. Sein Lächeln verrät, dass dabei kein Wasser getrunken wird.

Stichwort Wasser. "Ach ja, natürlich, entschuldigen Sie, dass ich Ihnen noch nichts angeboten habe." In der kleinen Küche nebenan gibt es ein kaltes Glas echtes Dondorfer Wasser. Es kommt aus dem Hang jenseits der L333. Und es schmeckt. Doch bald ist auch das Geschichte. Ab dem 1. Januar 2014 bekommt Dondorf Wasser aus der Wahnbachtalsperre.

Wie findet der waschechte Dondorfer das? "Naja", sagt Wuddel, und reibt Daumen und Zeigefinger aneinander. "Wir sind mit unserem Wasser eigentlich immer wunderbar ausgekommen." Nach dem Maiklub, dem Kegelklub und dem Quartettverein wird bald auch der Dondorfer Wasserleitungsverein Geschichte sein.

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