GA-Serie "Rheinland für Entdecker" Kurzweilige Zeitreise zu den Schlössern Rheydt, Wickrath und Dyck

MÖNCHENGLADBACH · Bei der Schlösser- und Architekt(o)ur am linken Niederrhein kommt es auf das Auge des Betrachters an. Wer in der Wunderkammer von Schloss Dyck sucht, findet den Stein der Weisen.

 Schloss Rheydt stammt aus der Renaissance.

Schloss Rheydt stammt aus der Renaissance.

Foto: Jana Bauch

Ein prächtiger Pfau, der sich vor einer malerischen Schlosskulisse präsentiert, Rad- und Wanderwege in Dutzenden Schattierungen von Grün, die geometrische Strenge eines schlichten Nachkriegs-Kaufhauses oder ein kunstvoll verschnörkeltes, goldüberzogenes Salzgefäß aus dem 17. Jahrhundert - Schönheit ist individuell. Ein Ausflug mit dem Auto oder per Fahrrad zu den Schlössern Rheydt, Wickrath und Dyck sowie in die Innenstadt von Mönchengladbach-Rheydt bietet entsprechend unterschiedliche Facetten an - es wird eine kurzweilige Zeitreise.

Das Renaissance-Schloss Rheydt, auch für seine 20 frei umherlaufenden Pfauen bekannt, wäre beinahe zur Ruine verfallen; die nahe Rheydter Innenstadt wurde im Zweiten Weltkrieg durch Luftangriffe zu einer grauen Trümmerwüste. Engagierte Bürger sammelten von 1988 bis 1997 umgerechnet knapp eine Million Euro als finanzielle Grundlage, um die marode Schlossanlage doch noch zu retten. Die Stadt selbst hatte kein Geld für die teure Sanierung, die am Ende mehr als zwölf Millionen Euro kosten sollte. Um eine attraktive Rheydter City kämpfen die Bürger und Kommunalpolitiker zurzeit. Der erste Erfolg: Sie ist als denkmalgeschützt anerkannt worden, was Hauseigentümer und Gastronomen verstärkt in die Pflicht nimmt.

Die Bildungsreise in Sachen Stadtgeschichte und Architektur sollte von außen in die Stadt führen, empfiehlt der Rheydter Ulrich Elsen, seit 1989 im Stadtrat und seit 2014 Mönchengladbachs Zweiter Bürgermeister. "Ich würde noch Liedberg im Kreis Neuss einbinden. Das Pfadfindergrab am Liedberger Schloss war für mich als Kind ein magischer Ort. Und dann kann man im Restaurant von Schloss Rheydt die erste Kaffeepause machen."

Das historische Liedberg, an der Bundesstraße 230 auf einer Quarzit-Kuppe gelegen und zum Rhein-Kreis Neuss gehörend, ist mit seinen liebevoll restaurierten Fachwerkhäusern, einer Kirche und dem Mühlenturm einen Abstecher wert, auch wenn das Schloss in Privatbesitz und damit öffentlich nicht zugänglich ist. Unmittelbar vor dem Gebäude, 1166 erstmals in Dokumenten erwähnt, führt ein Pfad nach links in eine Senke. Dort wurden am 22. Juni 1930 drei Jungen aus Düsseldorf in einem Felsenkeller vom lockeren Quarzsand verschüttet. Ein Denkmal erinnert daran. Biegt man kurz vor der Unglücksstelle an der Weggabelung nach rechts ab, eröffnen sich reizvolle Ausblicke in die Landschaft.

Zu schade für einen kurzen Zwischenstopp

Schloss Dyck liegt nur knapp vier Kilometer entfernt, Schloss Rheydt etwas mehr als sechs und Schloss Wickrath rund zwölf. Wählt man nicht das Auto, lässt sich aus den jeweils kurzen Entfernungen eine attraktive Fahrradrundstrecke zusammenstellen. Das Schloss Rheydt ist allerdings für einen nur kurzen Zwischenstopp "viel zu schade": Es gehört zu den wenigen erhaltenen deutschen Schlössern aus der Renaissance, die Vorgängerbauten stammen aus dem Mittelalter. Im Städtischen Museum kann man Stunden verbringen, zum Beispiel in der "Wunderkammer", einer einzigartigen Sammlung von Objekten, die die Denkweise der Menschen in der Renaissance und des Barock näherbringt. So zeigt der Museumspädagoge Klaus Möhlenkamp den kostbar eingefassten, aus den Harry-Potter-Büchern bekannten "Stein der Weisen": "Es handelt sich in Wirklichkeit um eine Versteinerung aus dem Magen einer Ziege, der man besondere heilsame Wirkung zuschrieb.

In "Flashback" (Rückblick), der ständigen Ausstellung zur Stadtgeschichte, erfährt der Besucher unter einer "Hördusche" über Lautsprecher, dass Fußball in Japan erst durch deutsche Kriegsgefangene im Ersten Weltkrieg eingeführt worden ist. Zur legendären Elf von Ninoshima, deren Foto zu sehen ist, gehörte 1916 ein Spieler aus dem heutigen Mönchengladbach. Im Rittersaal verwirren zwei Gemälde der Reichsfreiherren Wilhelm und Otto von Quadt den kundigen Betrachter zunächst. Sie waren nämlich einst die Herren von Schloss Wickrath. "Die Bilder sind hier aber sicherer verwahrt", erläutert Möhlenkamp. Das Wasserschloss Wickrath im Süden Mönchengladbachs ist durch die Gartenschau Euroga 2002 "wachgeküsst" worden. Die Gebäude wurden im historischen "Ochsenblut-Rot" neu gestrichen, die sehenswerten barocken Außenanlagen saniert.

Wer hier nicht verweilen will, den führt auf dem Rheydter Marktplatz eine schnelle Zeitreise in die 50-er Jahre. "Der Stadtplaner Alfons Leitl und sein Team haben 1947 die Chance genutzt, die zu über 90 Prozent zerstörte Innenstadt neu entstehen zu lassen", berichtet Ulrich Elsen. "Leitl setzte in der Architektur auf eine streng geometrische Anordnung. Wer Fachwerkidylle zum Maßstab nimmt, findet die Stadt furchtbar. Die Schönheit der klaren Linien erschließt sich nicht auf den ersten Blick." Leitls Architektur ist an der Hauptstraße, von ihm als neue Hauptgeschäftsstraße geplant und eine der ersten Fußgängerzonen in der jungen Bundesrepublik, besonders gut zu erkennen: "Die vor- und zurückspringende Häuserzeile hat ihren eigenen Reiz und wird als Kammbebauung bezeichnet", sagt der Bürgermeister. Leitls Ideen hätten den Wiederaufbau in Deutschland geprägt. Beinahe sei dem auch das prächtige, 1896 fertiggestellte Rathaus zum Opfer gefallen, weil es zur Nüchternheit der Nachkriegsarchitektur nicht passte. "Rheydter Bürger haben sich dagegen erfolgreich gewehrt", berichtet Elsen.

Zwei Hauptbahnhöfe und zwei Citys

Mönchengladbach und Rheydt, das waren vor der kommunalen Neuordnung 1974 zwei selbstständige Städte. Daraus resultierende Kuriositäten sind zwei Hauptbahnhöfe und zwei Citys - und die Trennung in den Köpfen mancher Alteingesessener. Zwei Innenstädte verschärften mutmaßlich den Leerstand der Ladenlokale, den Elsen nicht verschweigt. So ist der großen Straßenkreuzung das Kino "Atlantis" längst untergegangen. "Aber an der Nordseite des Marktplatzes gibt es die Evangelische Hauptkirche von 1902, die einen Besuch wert ist. Und das nostalgische Eiscafé Sagui kann ich nur empfehlen."

Zwischen Rheydt undt Alt-Mönchengladbach liegt in der Mitte die Hochschule Niederrhein. Ulrich Elsen: "Die Brucknerallee ist unsere erste Fahrradstraße. Die sollten Radtouristen nutzen, um von Rheydt aus zum Beispiel das Museum Abteiberg für moderne und zeitgenössische Kunst zu besuchen. Die Allee zeugt von seinerzeitigen Selbstbewusstsein der Rheydter Bürgerschaft und setzt damit den schon am Rathaus erkennbaren Repräsentationswillen im weiteren Stadtbild fort."

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