GA-Serie "Rheinland für Entdecker" In der Abtei Brauweiler kann man 1000 Jahre Geschichte erleben

PULHEIM · Ein Rundgang mit dem früheren NRW-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers durch die ehemalige Benediktinerabtei Brauweiler. Die Abteikirche Sankt Nikolaus zählt zu den großen romanischen Kirchenbauten des Rheinlands.

 Mit Jürgen Rüttgers in Brauweiler: Die Abteikirche St. Nikolaus ist ein architektonisches Kleinod.

Mit Jürgen Rüttgers in Brauweiler: Die Abteikirche St. Nikolaus ist ein architektonisches Kleinod.

Foto: Maria Machik

Sie ist ein Kleinod und eines der bedeutendsten Kulturdenkmäler des Rheinlandes. "Hier ist rheinische, hier ist europäische Kultur spürbar", sagt Jürgen Rüttgers bei einem Rundgang durch die ehemalige Benediktinerabtei Brauweiler.

Der NRW-Ministerpräsident a. D. ist ein glühender Fan dieses einzigartigen Gebäudeensembles im Herzen von Brauweiler. "Die Abtei fasziniert mich, weil überall Geschichte erlebbar ist, aber immer etwas Neues dazukommt. Da denkt man, jetzt lebst du fast schon 67 Jahre hier, kennst alles und weißt alles und plötzlich stelle ich wieder fest, du weißt gar nichts." Solch ein Beispiel sei dort drüben, sagt Jürgen Rüttgers, und zeigt auf eine Nische rechts neben der Sakristei in der Pfarrkirche St. Nikolaus. Das prachtvolle romanische Gotteshaus mit Fresken aus dem 14. Jahrhundert hat den Zweiten Weltkrieg nahezu unbeschadet überstanden. Bei der Lektüre des vom LVR herausgegebenen Buches "Die Abtei Brauweiler in drei Gängen" (Siehe Infotext) habe er erfahren, was es mit der Nische auf sich habe. In dem schlichten Hochgrab sei Wolfhelm, der dritte Abt des Klosters, beigesetzt. "Ich entdecke permanent Neues."

Fasziniert ist Jürgen Rüttgers auch "von der unglaublichen Vielfalt, die sich hinter den Mauern des Gebäudeensembles abspielt". Mitarbeiter des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR), der Eigentümer der Abtei ist, restaurieren dort Materialien aus verschiedenen Jahrhunderten und Kunstwerke aus nahezu allen Epochen, sie digitalisieren Archivalien oder sichern sie auf Filmstreifen, ein Team der Gesellschaft zur Sicherung von schriftlichem Kulturgut (GSK) entsäuert Papier. Um nur einige Beispiele zu nennen.

Jahr für Jahr ist die Abtei Kulisse für die Kunsttage Rhein-Erft; der Freundeskreis Abtei Brauweiler, kurz FAB, dessen Vorsitzender Jürgen Rüttgers ist, bietet Konzerte in St. Nikolaus sowie im Marienhof Lesungen und Ausstellungen an. "Herausragende Ereignisse" verspricht das Programm des FAB auch für die zweite Jahreshälfte. Eine zentrale Rolle kommt den beiden Orgeln in St. Nikolaus zu. Die auf den "deutsch-romantischen Klangbereich" spezialisierte neue Chororgel der Firma Eule und die Barockorgel (Westorgel) mit dem historischen Prospekt auf der Empore, die die Firma Weimbs vor ein paar Jahren gebaut hat, erlauben es, die Orgelmusik aller Epochen zu spielen. Mit den beiden neuen Orgeln werde Brauweiler, neben dem Kölner Dom und dem Altenberger Dom, einer "der drei großen Standorte für Orgelmusik sein", ist sich der FAB-Vorsitzende sicher.

Ort voller persönlicher Erinnerungen

Die Abtei Brauweiler mit ihrer fast 1000-jährigen wechselvollen Geschichte - sie war Kloster, Bettleranstalt, Arbeitsanstalt, psychiatrisches Landeskrankenhaus, 1988, nach einer zehnjährigen Sanierung der Klostergebäude, schlug der LVR ein neues Kapitel der Abteigeschichte auf und richtete mehrere Dienststellen in den früheren Klostergebäuden ein - ist für Jürgen Rüttgers ein Ort voller persönlicher Erinnerungen, dem er sich eng verbunden fühlt.

"Ich bin hier aufgewachsen, ich kenne das Gebäudeensemble aus meiner Zeit bei den Pfadfindern, aus der Zeit, als es noch Arbeitsanstalt war, damals gingen sechs Meter hohe Mauern durch den Ort. Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen, aber auch aus der Zeit danach, als ich ein bisschen helfen konnte an der einen oder anderen Stelle", sagt er, anspielend auf seine diversen politischen Ämter.

Eng mit seiner Kindheit und Jugend sind auch die Erinnerungen an den Gutshof neben dem Feldtor verbunden. In dem Ursprungsbau "wohnte mein bester Freund Hubert, sein Vater war der Bauer des Landschaftsverbandes, sozusagen der Landwirtschaftsmeister". Jahre später, damals war Jürgen Rüttgers nordrhein-westfälischer Ministerpräsident, kam die Idee auf, in dem leerstehenden Gutshof ein Archiv für Künstlernachlässe zu gründen. 2009 leitete er mit dem ersten Spatenstich die Sanierung des Gebäudes ein. 2,9 Millionen Euro hat der Umbau gekostet, eine Million Euro hat der LVR übernommen, den Rest das Land NRW. Inzwischen lagern im Archiv für Künstlernachlässe, das die Stiftung Kunstfonds dort betreibt, mehr als 50 000 Exponate und Arbeiten, darunter Gemälde, Grafiken, Skulpturen, Zeichnungen, wie Jürgen Rüttgers erfährt. Die Arbeiten haben die 34 Künstler dem Archiv noch zu ihren Lebzeiten,also als Vorlass überlassen, aber auch als Nachlass. Eine Auswahl wird im Frühjahr/Frühsommer und im Herbst im Winterrefektorium der Abtei gezeigt, in der Adventszeit zeigt das Archiv Grafiken, die dann auch verkauft werden.

Maulbeerbaum ist legendenumwoben

Legendenumwoben ist der Maulbeerbaum im weitläufigen Abteipark. Es heißt, dass der Adelige Ezzo seiner Frau Mathilde, der Klostergründerin, zum Hochzeitstag einen Zweig des Baumes schenkte und in den Rasen steckte mit den Worten "Ich schenke dir das Land und alles, was darauf steht." Eine andere Legende besagt, dass Mathilde unter dem Maulbeerbaum einnickte und träumte, sie und ihr Mann Ezzo würden auf dem Gelände in der Nähe des Baums ein Kloster gründen. Nicht vorstellbar, aber belegt: Im Jahr 1896 kam die Idee auf, den Maulbeerbaum zu fällen, wie Jürgen Rüttgers bei einem Blick in die "Special-Acten betreffend den historischen Maulbeerbaum" erfährt, die im Archiv des LVR aufgehoben werden.

Jürgen Rüttgers Verbindung zur Abtei Brauweiler ist ein innige, eine besondere. Denn "hier ist meine Heimat. Ich lebe in diesem Ort, in dieser Gegend, ich kenne die Leute, ich bin regelmäßig hier, das ist der Ort, wo ich zu Hause bin, wo ich ruhig werde, es war mir in all den Jahren, auch als Minister und Ministerpräsident wichtig, einmal in der Woche hier zu sein, um wenigstens mal für eine Stunde Ruhe zu haben - samstags oder sonntags bei den Gottesdiensten oder bei den Konzerten. Es war mir immer unglaublich wichtig, dass es einen Ort gibt, an den ich zurückkommen kann."

Dieser Ort ist Brauweiler. Darum auch wird Jürgen Rüttgers nicht müde, für seinen Ort zu werben. "Wenn man 1000 Jahre Rheinland sehen möchte, dann muss man hierher kommen. Es lohnt sich."

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