Unterwegs mit dem Chef-Statiker So werden Attraktionen auf Pützchens Markt geprüft

Pützchen · Ohne sein Okay läuft auf Pützchens Markt kein Fahrgeschäft. Wilfried Kulasik ist Statiker und prüft mit seinem Team im Auftrag der Stadt Bonn Riesenrad, Wilde Maus und Co.

Er kontrolliert vor allem die Standfestigkeit der Aufbauten und alle vorgeschriebenen baulichen Sicherheitsvorkehrungen. Im Verwaltungsdeutsch nennt sich seine Tätigkeit „Gebrauchsabnahme von fliegenden Bauten“.

Schwindelfreiheit und Trittsicherheit gehören neben fachlichen Kenntnissen zu den wichtigsten Eigenschaften seines Jobs. Wenn es darum geht zu prüfen, ob die Kette am Gitter des Fluchtwegs der Wilden Maus ordnungsgemäß befestigt ist, muss Kulasik über eine schmale Stiege bis zu 30 Meter hoch steigen. Als kleine Entschädigung darf er den Ausblick von der rasanten Achterbahn über das Marktgelände genießen.

Der 651. Pützchens Markt ist Kulasiks 20. und letzte Großkirmes: Am 31. Dezember geht der 65-Jährige in Ruhestand. Wer aber denkt, seinen letzten Job absolviert der gebürtige Beueler nur noch als Routinevorgang, der irrt. Gleich sieben Platzneuheiten muss der Statiker auf Herz und Nieren prüfen. Eine der Top-Attraktionen des diesjährigen Rummels ist das Fahrgeschäft Mine-Tower. Erst seit acht Monaten ist die Kirmesneuheit in Betrieb und stellt für Kulasik Neuland dar.

Der 80 Meter hohe und 180 Tonnen schwere Eisenkoloss, der seit Mittwoch am „Bermuda-Dreieck“ der Kirmes (Kreuzung Marktstraße/Friedenstraße) aufgebaut wird, macht dem Statiker Arbeit: Das sogenannte Baubuch, eine Art Fahrzeugbrief, muss studiert und auf die Feinheiten geachtet werden. „Am wichtigsten ist aber, dass der Freifallturm sicher steht. Die Fundamentierung muss genau geprüft werden“, erklärte der Diplom-Ingenieur. Schausteller Ad Ordelman aus den Niederlanden hat alle Papiere parat und ist bei vielen Fragen der städtischen Mitarbeiter behilflich.

Pützchens Markt beschäftigt das Statiker-Team der Stadt Bonn aber nicht nur an den Kirmestagen. „Wenn alle Schausteller wieder abgereist sind, kontrollieren wir die Marktwiesen auf Druckstellen und andere Veränderungen. Wenn wir bedenkliche Stellen finden, müssen diese bis zur nächsten Kirmes wieder repariert und ausgebessert werden“, sagte Kulassik.

Und wenn das Marktamt mit den Vorbereitungen für den nächsten Jahrmarkt beginnt und die Zuordnung der Fahrgeschäfte auf den Wiesen vornimmt, berät Kulasik seine Kollegen: „Nicht jedes Fahrgeschäft kann auf Grund seiner Größe und seines Gewichts auf jeder Stellfläche platziert werden“, so der in Königswinter lebende Fachmann. Das sei auch der Grund dafür, warum an der Kreuzung Markt-/Friedenstraße die Wiesenfläche gegen Schotter ausgetauscht worden sind. „Das sieht zwar im restlichen Jahr nicht schön aus, aber ohne die zusätzliche Befestigung des Untergrunds könnte dort ein Mine-Tower nicht sicher stehen“, betonte Kulasik.

Wenn er alles geprüft hat, erhält das Fahrgeschäft Stempel und Unterschrift ins Baubuch und ist für Pützchens Markt zugelassen. Und wenn nicht? „Dann wird das Fahrgeschäft notfalls aus dem Verkehr gezogen und darf nicht in Betrieb gehen. Aber so eine Situation habe ich im Vorfeld von Pützchens Markt noch nicht erlebt“, sagte Kulasik, der in seinen 20 Dienstjahren fünf Mal Fahrgeschäfte wegen Unfällen zeitweise stilllegen musste.

Kann er seinen Job einem möglichen Nachfolger empfehlen? „Ja, aber er muss sich im Klaren sein, dass es sich nicht um einen ganz normalen Bürojob handelt. Auf Kirmesplätzen herrscht auch schon mal ein rauer Umgangston und man muss die Sprache der Schausteller sprechen, ansonsten hat man keinen leichten Stand in der Szene.“

Und was wird für ihn der 652. Pützchens Markt im nächsten Jahr bedeuten? „Ganz einfach: Ruhestand, Freizeit, privater Kirmesbesuch. Aber vielleicht werde ich aus Gewohnheit doch mal genauer hinschauen, ob jeder Splint und Sicherungsring an der richtigen Stelle sitzt.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Unwetterwarnungen ernst nehmen
Kommentar zum Abbruch von Pützchens Markt Unwetterwarnungen ernst nehmen
Zum Thema
Aus dem Ressort