Selbstversuch auf der Kirmes So weit kommt man mit 25 Euro auf Pützchens Markt

Pützchen · Pützchens Markt verspricht viel Spaß, aber auch ein leeres Portemonnaie. Nathalie Dreschke und Nicolas Ottersbach setzen sich ein Limit und schauen, wie schnell Ebbe in der Kasse ist.

Zu Beginn ein kleines Rechenspiel: Wer alle 44 Fahrgeschäfte auf Pützchens Markt testen will und jedes im Schnitt fünf Euro pro Fahrt kostet, braucht mindestens 220 Euro in der Kirmeskasse. Und dann hat man noch nicht einmal etwas gegessen, getrunken oder eine Rose für die Liebste geschossen. Rummel ist teuer – schafft man es trotzdem, mit nur 25 Euro auszukommen?

Gut vorbereitet sollte man sein – oder sich zumindest gut auskennen. Denn das günstigste Erinnerungsfoto gibt es versteckt am Eingang des Bayernzeltes. Die Stadt Bonn hat dort ihre Fotobox vor einer grünen Leinwand aufgebaut, die sich auf dem Bildschirm in verschiedene Hintergrundmotive verwandelt. Beethoven ist zwar das Wahrzeichen, aber für Pützchens Markt gibt es auch eine Variante mit Lebkuchenherz.

Völlig kostenlos wird der Schnappschuss ausgedruckt. Ab jetzt zählt jeder Cent. Die einen wollen möglichst schnell und hoch hinaus, die anderen verbringen die Zeit an der Bierbude. Für Marktleiter Harald Borchert darf keinesfalls die Currywurst fehlen. „Das ist mein Volksfest-Klassiker“, erzählt er. Ob er Tipps zum Sparen hat? Leider nicht. Stattdessen zieht er einen der Marktpläne aus der Innentasche seines Sakkos. „Damit haben Sie zumindest einen Überblick.“ Und er verrät, dass jeder Toilettengang auf Pützchens Markt einheitlich 50 Cent kostet. In der Not braucht man also nicht sinnlos herumsuchen.

Auf zu Borcherts Currywurst. Vier Euro kostet eine Portion inklusive Brötchen. „Wir verkaufen ein paar Hundert davon“, sagt Imbissbetreiberin Marion Hölzgen. Die genaue Zahl will sie nicht nennen. „Dann könnte ich Ihnen ja direkt sagen, was ich verdiene.“ Wie gut es laufe, hänge vom Wetter ab – aber auch von den Tagen. „Pützchen ist Durchschnitt.“ Freitag, Samstag, Sonntag: „ordentlich.“ Montag, Dienstag: nicht so ordentlich. „Aber wenn es sich nicht lohnen würde, würden wir nicht kommen.“

Zwischenstand: 21 Euro

Kein Pützchens Markt ohne Riesenrad. Mittlerweile kostet die Fahrt sieben Euro. Der Ausblick ist unbezahlbar, aber lohnt er sich wirklich? Sieben Euro fühlen sich nach viel Geld an, ein Drittel des aktuellen Kontostandes wäre verprasst. Nach kurzem Hadern ist Entscheidung gefallen: lieber weitergehen. Denn auch der letzte Sparversuch scheitert. Nathalie Dreschke ist mit ihren 1,62 Metern recht klein, geht aber nicht als Kind durch – die fahren nämlich günstiger. „Die Altersgrenze liegt bei elf Jahren“, sagt die Kassiererin.

Die Achterbahn Alpencoaster ist einen Euro günstiger, dafür kommt man aber nicht so hoch hinaus. Als perfekte Alternative schwebt der Kettenflieger über dem Rummel. In 80 Metern Höhe, satte vier Minuten Fahrzeit. Das hat auch die Freundinnen Lotte (13), Borbala (14) und Clara (13) dazu bewogen, einzusteigen. Was sie mit 25 Euro anstellen würden? Lotte und Clara würden sofort auf die Überschlagschaukel Konga gehen. „Nee, für mich ist das nix“, sagt Borbala. Eine Runde mit der Achterbahn wäre gerade noch in Ordnung.

Zwischenstand: 15 Euro

Endlich wieder Boden unter den Füßen. Jetzt muss etwas weniger Nervenaufreibendes her. Und am besten etwas, mit dem man bei der Begleitung Eindruck schinden kann: die Schießbude. Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht, die rote Plastikrose zu ergattern. „Auf die Sterne zu schießen ist leichter, die sind größer“, sagt die Dame hinter der teppichbeklebten Theke. Mindesteinsatz sind 2,50 Euro – fünf Schuss. Zwar gehen drei daneben, aber die zwei Treffer reichen.

Ausreden a la „der Lauf ist doch krumm“ ziehen bei Schaustellerin Christine Sterzenbach-Schmidt nicht, sie ist schlagfertig. Die Gewehre seien geeicht. „Die Kinder schießen besser als all die gestandenen Kerle, die Eindruck schinden wollen.“ Auch für den Möchtegern-Rosenschützen hat sie ein Urteil parat. „War nicht so gut, ne? Beim nächsten Mal besser zielen.“ Das sitzt und spornt den Ehrgeiz an. Die Schaustellerin weiß eben, wie sie die Kunden an sich bindet. Aber dafür ist diesmal kein Geld da.

Zwischenstand: 12,50 Euro

Der Autoscooter ist gerade gut gefüllt, beim Vorbeigehen wummert der Bass in der Magengrube. Das Angebot ist verlockend: Ein Fahrchip 2,50, drei Fahrchips 6,50 Euro. Und der Betrag halbiert sich noch einmal, wenn man sich zu zweit in den Flitzer setzt. Nathalie packt drei Euro dazu, die Fahrt kann losgehen. Alle sind sie da: Der Lässige mit dem Kopfhörer im Ohr. Der Vater mit der Tochter, die er mit dem einen Arm immer davor bewahrt, zu stark herumgeschleudert zu werden. Und der kleine Junge, der einen ständig verfolgt – und dann auch noch mit Wucht in den Autoscooter kracht. Wie man sie zu sich lockt, braucht man Karl-Heinz Kipp nicht mehr beizubringen – obwohl er erst 21 ist.

„Als Schausteller wirst du geboren“, erzählt er, während er die bunten Plastikmünzen austeilt. Es mache durchaus einen Unterschied, wer am Mikrofon sitze. „Es geht um die Musikauswahl, was du sagst, wie du Stimmung machst.“ Aber auch den Preis, der wohl überlegt sein müsse. Auf dem Dorf sind die Fahrten günstiger, weil die Schausteller weniger Platzmiete und Strom zahlen. „Du darfst nirgendwo zu viel nehmen. „Ich hab lieber zehn Leute für 2,50 am fahren, als fünf für 3,50.“

Zwischenstand: 9 Euro

Trinkpause bei den Bonner Stadtsoldaten. Das 0,2-Liter-Glas Wasser kostet 1,70 Euro – so wie fast überall. „Am besten geht Kölsch“, sagt Karnevalist Michael Orth. Um den Verkauf anzukurbeln, gibt es dieses Jahr erstmals einen Bauchladen mit Snacks und Schnäpsen. „Der läuft richtig gut.“ Dazu gibt es ein spontanes Ständchen an der Theke: „Du bes die Stadt“, da muss man mitsingen und sich in den Arm nehmen. Der Erlös des Standes fließt in die Senioren- und Jugendhilfe des Corps.

Zwischenstand: 7,30 Euro

Keine Kirmes ohne Crêpes. „Früher war die Lieblingsvariante Zimt und Zucker, heute ist es eindeutig Nutella“, sagt Verkäuferin Laila Al-Bayyari aus Bad Neuenahr. Die ist aber 50 Cent teurer, deshalb ist die Wahl schnell getroffen. Claudia Emons entscheidet sich hingegen für Kinderriegel. Sie ist mit ihrer Tochter Ariana und Mutter Britta gekommen. Über die 25 Euro kann sie nur schmunzeln. „Für mich und meine Kleine hatte ich 90 Euro, das ist jetzt alles weg.“ Dafür gab es aber auch Achter- und Wasserbahn. „Wenn ich ins Phantasialand fahre, ist auch so viel Geld weg“, sagt sie. Und zur Not hilft „Oma Britta“ ihrer Enkelin aus.

Zwischenstand: 4,30 Euro

Es wird knapp. Für eine 200-Gramm-Tüte gebrannte Mandeln reicht es nicht mehr. Kurzerhand wird wieder zusammen geschmissen, um zu sparen. 6,50 Euro kostet die Portion – happig. Aber günstiger wird es nicht, die Schausteller achten auf die Preise der anderen

Zwischenstand: 1,30 Euro

„Oma Britta“ ist nicht dabei, und so muss die Volontärin angepumpt werden. Sie hat noch 2,50 Euro im Portemonnaie – dafür gibt es zehn Lose. Der Verkäufer lässt aber mit sich handeln: Für einen Euro mehr darf die glückliche Hand noch zwei Lose ziehen. Am Ende gibt es 50 Punkte und einen kleinen Preis. Die 25 Euro und fünf Stunden sind viel zu schnell umgegangen. Aber das war es wert. Und siehe da: 30 Cent sind noch über.

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