The Beach

Wenn er kommt, bebt der Boulevard. Die B.Z. ("Berlins größte Zeitung") hatte die Nachricht zuerst auf der Titelseite.

"Er ist da", freute sich das Blatt aufmachermäßig über den Besuch aus Hollywood und lobte dann auch gleich eine Belohnung aus: "1000 Mark für die Berlinerin, die es schafft, Leonardo DiCaprio zu küssen - Sofortauszahlung bei Fotobeweis."

DiCaprio, eine der attraktivsten Wasserleichen der Filmgeschichte, Romeo auf der untergehenden Titanic, war mit den derzeit wichtigsten Frauen in seinem Leben, Mutter Irmelin DiCaprio und Oma Helene Indenbirken aus Oer-Erkenschwick bei Castrop-Rauxel, angereist. Im Gepäck hatte er seinen neuen Film "The Beach"; der Mime kann vom Wasser nicht lassen.

Das "Trainspotting"-Team um Drehbuchautor John Hodge und Regisseur Danny Boyle schickt die Kino-Ikone auf eine Reise ins Herz der Finsternis. Dort kommt Leonardo DiCaprio indes nicht an; er schafft es nur bis zur blauen Lagune.

Der Film nach dem Roman von Alex Garland begleitet den jungen Amerikaner Richard auf einer Erlebnisreise nach Thailand ("where the hungry come to feed"). Er will alles, und zwar sofort: Gefahr, Aufregung, Marihuana und nicht zuletzt Françoise, verkörpert von Virginie Ledoyen.

Die Begegnung mit dem vom Drogenkonsum gezeichneten Daffy (noch ein Berlinale-Freak, den Robert Carlyle stilsicher darstellt) bringt ihn in den Besitz einer Landkarte. Sie zeigt eine kleine unbekannte Insel, auf der sich Richards Leben und seine Persönlichkeit dramatisch verändern sollen.

DiCaprios Anziehungskraft können naturgemäß weder Ledoyen noch Tilda Swinton widerstehen, die als Anführerin einer Hippie-Kolonie auftritt. Der Mond, die Sterne, die Unendlichkeit - ein weiteres Kapitel in der unendlichen Geschichte mit dem Titel "Lover Leo".

Doch der Kontakt mit der Natur, dem Prinzip von Fressen-oder-gefressen-werden setzt in DiCaprios Richard Urinstinkte frei. Wie Martin Sheen in Francis Ford Coppolas "Apocalypse Now" taucht er als charismatischer Killer aus dem Wasser auf.

Er hat sein altes Ich wie eine Schlangenhaut abgestreift und bewegt sich wie ein Raubtier durch die nun surreal verkleidete Natur. Der Aufenthalt im Paradies wird zum mörderischen Psychotrip. Boyle und sein Hauptdarsteller betreten den dunklen Pfad, doch sie gehen ihn nicht zu Ende.

DiCaprio gibt das Böse mit wissender Zurückhaltung. Das schlechte Gewissen ist immer dabei; der 25-jährige Teenie-Schwarm ist offenbar auf sein makelloses Image bedacht.

Das Missliche dieses leidlich unterhaltsamen Films ist nicht, was er ist - sondern was er und sein Darsteller hätten sein können. Den Mut zu einer Grenzüberschreitung hat Hollywood diesmal nicht aufgebracht.

(Film-Kritik aus dem General-Anzeiger)

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort