Rückkehr einer Musical-Legende Mary Poppins zaubert wieder

Bonn · Emily Blunt schlüpft in die Rolle des Kindermädchens, die einst Julie Andrews berühmt machte. Die Handlung springt in der neuen Geschichte eine Generation weiter ins London der 30er Jahre.

 Musik, Tanz und Fantasie: Emily Blunt in „Mary Poppins Returns“.

Musik, Tanz und Fantasie: Emily Blunt in „Mary Poppins Returns“.

Foto: dpa

Wer sich mehr als ein halbes Jahrhundert mit einer Fortsetzung an dem populären Musical-Klassiker „Mary Poppins“ (1964) messen will, muss den richtigen Weg zwischen Nostalgie und Innovation finden. Diesbezüglich geht Regisseur Rob Marshall in „Mary Poppins' Rückkehr“ kein Risiko ein und hält sich eng umschlungen am geliebten Original fest. Das gilt nicht nur für das Handlungsgerüst und das bekennende Retro-Design, sondern auch für die musikalische Gestaltung, in der jeder Song der Vorlage eine neu komponierte Entsprechung zu finden scheint.

Über so viel Ergebenheit kann man die Nase rümpfen, aber letztlich ist es genau dieses offene Bekenntnis zum nostalgischen Vergnügen, das den beträchtlichen Unterhaltungswert dieses Spät-Sequels bestimmt. Die Handlung springt eine Generation weiter ins London der 30er Jahre zur Zeit der Weltwirtschaftskrise. Michael Banks (Ben Wishaw) hat vor wenigen Jahren seine geliebte Ehefrau verloren und kümmert sich mit Schwester Jane (Emily Mortimer) um die Erziehung der drei Kinder. Am Morgen klopfen die Gerichtsvollzieher an der Tür. Die Raten für die Hypothek wurden nicht rechtzeitig bezahlt und nun droht die Räumung. Mitten in dieses Sorgenszenario schwebt Mary Poppins ((Emily Blunt übernimmt die Rolle, die Julie Andrews im Original berühmt machte) mit dem aufgeklappten Regenschirm vom grauen Londoner Himmel herab und landet auf der Wiese so selbstverständlich, als wäre sie gerade aus einem Bus gestiegen. Vater und Tante wundern sich, dass ihre frühere Nanny nach all den Jahren vollkommen unverändert vor ihnen steht. „Über das Alter einer Dame spricht man nicht“, ermahnt Poppins ihre früheren Zöglinge und nimmt sich der drei Kinder an.

Die Kraft der Illusion

Gegen die triste, scheinbar ausweglose Realität setzt die Gouvernante die Kraft der Illusion und nimmt zusammen mit dem sangesfreudigen Lampenputzer Jack (Lin-Manuel Miranda) die Geschwister mit auf ihre fantastischen Reisen. Durch den Badewannenabfluss geht es schnurstracks hinaus aufs Meer und über die Scherben einer zerbrochenen Vase mitten hinein in einen Jahrmarkt, wo fotorealistische Welt und Zeichentrickfilm ineinanderfließen. Gestärkt durch diese Ausflüge in die Traumwelten finden die Kinder Hoffnung und Kraft, um gegen die Pläne des finsteren Bankiers Wilkins (Colin Firth) anzugehen. Regisseur Marshall („Chicago“) schöpft das luxuriöse Disney-Budget in vollen Zügen aus und weiß vor allem in den Großchoreografien zu überzeugen. Wenn sich die gesamte Londoner Lampenputzer-Innung auf die Fahrräder schwingt und die Leitern im Takt der Musik übereinanderstellt, um hoch oben im Big Ben die Zeit zurückzudrehen, setzen die genau ineinandergreifenden Bewegungen cineastische Glückshormone frei.

Die Song- und Tanzeinlagen – samt eines Gastauftritts von Meryl Streep als exzentrische, russische Reparatur-Expertin – sind zahlreich und ausufernd. Wer mit dem Genre nichts anfangen kann und nach tragfähigen Handlungsbögen sucht, ist hier so gut wie verloren. Das eigentliche Herz der zuckersüßen Inszenierungsorgie ist und bleibt die stets fabelhafte Emily Blunt, die in die Rolle der legendären Nanny hineingeboren scheint. Sie verleiht ihrer Mary Poppins einen wunderbare Strahlkraft unterlegt mit einer sanften Ironie, durch die die Eitelkeit, zickige Dominanz und britische Akzentuiertheit der Figur genussvoll herausgearbeitet wird.

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