Neu im Kino „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ als Reflexion über DDR

Matti Geschonneck verfilmt Eugen Ruges DDR-Roman „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ mit einem herausragenden Bruno Ganz in der Hauptrolle.

 Schnittchen zum 90.: Wilhelm Powileit (Bruno Ganz, Mitte) im Kreise seiner Lieben. Szene aus „In Zeiten des abnehmenden Lichts“. FOTO: VERLEIH

Schnittchen zum 90.: Wilhelm Powileit (Bruno Ganz, Mitte) im Kreise seiner Lieben. Szene aus „In Zeiten des abnehmenden Lichts“. FOTO: VERLEIH

Foto: epd

Kaum ein Roman hat die erstarrte Stimmung in der untergehenden DDR besser eingefangen als Eugen Ruges brillantes Debüt „In Zeiten des abnehmenden Lichts“. Anhand der eigenen Familiengeschichte untersuchte der Autor über vier Generationen hinweg die gescheiterten Hoffnungen und die bittere Wirklichkeit des real existierenden Sozialismus.

Dabei spannte er den Erzählbogen vom mexikanischen Exil während der Nazizeit über den sibirischen Gulag bis hin zur massenhaften Republikflucht am Vorabend des Mauerfalls im Herbst 1989 und blieb doch immer ganz dicht am verwandtschaftlichen Figurengeflecht. Es war nur eine Frage der Zeit, bis der ausgezeichnete Roman verfilmt würde. Der Stoff bot sich geradezu für einen TV-Mehrteiler im ARD-Degeto-Format an, hat aber nun unter der Regie von Matti Geschonneck („Boxhagener Platz“) glücklicherweise eine ganz und gar unmonumentale Form angenommen. Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase („Solo Sunny“/„Sommer vorm Balkon“) hat die Vorlage geradezu kongenial entschlackt und in ein intensives Kammerspiel verwandelt.

Gräben der familiären Beziehungen werden sichtbar

Das alleinige Zentrum der Erzählung ist der 90. Geburtstag des aufrechten Kommunisten Wilhelm Powileit (Bruno Ganz) im Oktober 1989. Seit siebzig Jahren ist der Mann in der Partei, hat als Antifaschist gegen die Nazis gekämpft, floh mit seiner Frau Charlotte (Hildegard Schmahl) ins mexikanische Exil und baute nach dem Zweiten Weltkrieg die DDR mit auf. Altersstarrsinn, stalinistisches Gedankengut und fortschreitende Demenz vermischen sich im Denken und Handeln des Jubilars auf zunehmend unschöne Weise.

Sein Stiefsohn Kurt (Sylvester Groth) wollte als junger Mann in der Roten Armee auch gegen die Nazis kämpfen. Aber von Moskau fuhr der Zug Richtung Osten, und er landete in einem sibirischen Arbeitslager, aus dem er erst Mitte der 1950er Jahre mit seiner russischen Frau Irina (Evgenia Dodina) in die DDR zurückkehrte, wo er sich als Historiker mit dem System arrangierte.

Ihr gemeinsamer Sohn Sascha (Alexander Fehling) ist in der Nacht vor Großvaters Geburtstag in den Westen abgehauen – dabei ist er der Einzige, der den riesigen Ausziehtisch für das Büfett aufbauen kann. Und so macht sich der alte Powileit mit Hammer und Nägeln über das sperrige Möbelstück her, das im Verlauf der Feierlichkeiten nicht allein zu Bruch gehen wird. Denn während Jungpioniere ein Ständchen schmettern, der stellvertretende Bezirksvorsitzende seine Laudatio in Szene setzt und dem störrischen Geburtstagskind den Stern der Völkerfreundschaft in Gold verleiht, werden die Gräben in den familiären Beziehungen immer tiefer aufgerissen.

Herausragendes Ensemble des Filmes

Altmeister Kohlhaase zeigt sich auch hier wieder als Drehbuchautor, der komplexe Themen dialogisch auf den Punkt bringen und das Ungesagte zwischen den Zeilen mitschwingen lassen kann. Denn natürlich wird über die Abwesenheit des Enkels genauso wenig gesprochen wie über die prekäre Lage der Republik. Gerade im ungelenken Drumherumreden spiegeln sich die familiären wie politischen Erstarrungen eines untergehenden Systems.

Geschonneck entwickelt wie schon in „Boxhagener Platz“ ein feines humoristisches Gespür, das nie in die bloße Karikatur abgleitet. Selbst die herbeizitierten Kollegen aus dem Molkereikombinat, die linkisch ihrer sozialistischen Gratulationspflicht nachkommen, werden nicht der Lächerlichkeit preisgegeben. Dabei kann sich Geschonneck voll und ganz auf sein herausragendes Ensemble verlassen. Dass Bruno Ganz auch den stalinistischen Patriarchen spielen kann, ist keine wirkliche Überraschung. Aber wie Groth den Historiker, der selbst durch die Mühlen des gewalttätigen 20. Jahrhunderts gegangen ist, mit einer resignierten Herzenswärme füllt, ist eine ganz leise Offenbarung.

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