Jeder hat seine eigene Marlene im Kopf

Interview mit Joseph Vilsmaier

Joseph Vilsmaiers Film über die Dietrich bewegt sich atemlos durch 16 aufwühlende Jahre zwischen Berlin und Hollywood - Interview mit dem Regisseur Der Münchner Josef Vilsmaier dreht seit zehn Jahren gehobene Unterhaltungsfilme, die nicht im Trend-Wasser schwimmen. Seine Hauptwerke "Herbstmilch", "Stalingrad", "Schlafes Bruder" und "Comedian Harmonists" waren allesamt Kassenerfolge und sammelten Filmpreise. Mit dem "Marlene"-Regisseur Joseph Vilsmaier sprach Uwe Mies.

General-Anzeiger: Wie teuer war der Film?

Joseph Vilsmaier: 17,8 Millionen Mark. Das ist viel für Deutschland, aber in Amerika könnte man damit nicht mal eine Wohnzimmer-Satire wie "American Beauty" finanzieren. Ich gebe gern zu, "American Beauty" hat ein geniales Drehbuch und tolle Schauspieler, aber den Film an sich könnte man bei uns locker für zehn Millionen Mark drehen.

GA: Wie haben Sie dann mit nicht einmal dem Doppelten an Geld einen Kostümfilm über die dreißiger und vierziger Jahre drehen können?

Vilsmaier: Das war schwierig, was schon mit dem Thema anfängt. Marlene hat sich immer geweigert, in einem schlechten Kostüm zu stehen. Wir hatten dann das Glück, Unterstützung aus der Mode zu bekommen. Escada hat die ganzen Kostüme geschneidert, La Perla die Unterwäsche. Das hat uns alles nichts gekostet. Es ging den Firmen ums Renommee.

GA: Gab es Überlegungen, die umfangreiche Geschichte knapper zu fassen?

Vilsmaier: Ja, da gab es einmal die Idee von einem Tag aus Marlenes Leben. Die war von Louis Malle. Da lag uns auch das Drehbuch vor. Aber, das hat mir nicht so gefallen. Dann: Ein Film über den "Blauen Engel" und wie der gemacht wurde. Aber da sah Marlene noch nicht so aus, wie man sie gemeinhin kennt. Es ist furchtbar. Hundert verschiedene Filme hätte man drehen können. Oder auch einen Vier-Stunden-Film. Ein richtiges Epos. Jannings, Pommer, Sternberg, Gary Cooper.

GA: Ist es nicht frustrierend, wenn ein Thema von interessanten Figuren überquillt - und sie können keiner wirklich gerecht werden?

Vilsmaier: Das stimmt absolut. Man müsste sich auf einen kleineren Zeitraum beschränken oder eben wirklich Sternberg und Marlene machen. Aber dann wäre wieder die Geschichte mit ihrem Mann und dem Kind nicht genügend wiedergegeben. Ganz gerecht kann man ein Leben einfach nicht erfassen. Das ist ganz klar. Der Film steckt auch so voller Anekdoten und Sachverhalte.

GA: Aber im romantischen Zentrum ist der Marlene eine fiktive Figur zur Seite gestellt. Warum?

Vilsmaier: Ja, da haben wir auch lange überlegt und alle möglichen Kanäle angebaggert. Marlene soll ja viele Liebhaber gehabt haben, um einen gibt es aber ein Geheimnis. Ich vermute aufgrund der ganzen Briefe und Biografien, dass Jean Gabin ihre große Liebe war. In einem Zeitungsartikel stand kürzlich, dass Marlene von Gabin schwanger gewesen war. Und dass sie bei seinem Tod gesagt hat: Ich bin Witwe geworden. Wir haben jetzt Heino Ferch als deutschen Offizier, und der steht nun für den Liebhaber, den Marlene hundertprozentig gehabt hat.

GA: Es ging also ums Melodram und nicht um eine Geschichtsstunde?

Vilsmaier: So ist es. Denn letztlich hat jeder seine eigene Marlene im Kopf.

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