Drama "Die Erscheinung": Anna, Jacques und die Jungfrau Maria

Berlin · Was passiert, wenn die Welt des Übernatürlichen in die vermeintliche Wirklichkeit eindringt? Dann wirft das vor allem viele Fragen auf.

 Anna (Galatéa Bellugi) gibt den Menschen Hoffnung.

Anna (Galatéa Bellugi) gibt den Menschen Hoffnung.

Foto: Filmperlen

In Heerscharen pilgern sie in ein Dorf im Südosten Frankreichs: die Hoffenden, die Geschundenen, die Beseelten. Und mitten unter ihnen der ungläubige Jacques Mayano (Vincent Lindon). Was hat der Mann hier in diesem neuen Lourdes zu suchen?

Ausgerechnet er ist im Auftrag der Kirche unterwegs. In dem Dorf soll der 18-jährigen Anna (Galatéa Bellugi) die Jungfrau Maria erschienen sein und der bekannte Journalist, der in den Krisenregionen der Welt immer wieder sein Leben aufs Spiel setzt, soll für den Vatikan dieses angebliche Wunder untersuchen.

Zwei gegensätzliche Welten treffen in dem französischen Film "Die Erscheinung" von Regisseur Xavier Giannoli ("Chanson d'amour") aufeinander. Da ist einerseits die Welt des Übernatürlichen, in der der Glaube an Gott, an Wunder und die Erlösung dominiert. Und da ist Jacques' Welt, in der der Tod, die Einsamkeit und die Desillusionierung vorherrschen.

Die langsame Annäherung von Anna und Jacques, die sich fremder nicht sein könnten und dennoch von Anfang an eine von Sympathie getragene Beziehung aufbauen, ist eine der großen Stärken von Giannolis Drama. Hier die reine Unschuld, das Mädchen, das fest im Glauben verankert ist. Und dort der vom Leben Gezeichnete, dessen zerfurchtes Gesicht von einem aufreibenden Sein erzählt.

Sind Anna und Jacques das Zentrum des Films, so gibt es in der Peripherie zahlreiche zweifelhaft-zwielichtige Menschen. Welche Rolle etwa spielt Père Borrodine, der Anna unter seine Fittiche genommen hat und jeglichen Kontakt mit dem Vatikan verweigert? Und sieht der deutsche Geistliche Anton (Anatole Taubman) nur diabolisch aus oder ist er es auch? Was hat es mit dem blutigen Mantel der Jungfrau auf sich? Alles nur Wahn oder tatsächlich Wirklichkeit?

Vor allem für die Beantwortung der letzten Frage findet Xavier Giannoli letztlich eine clevere Antwort. Dabei fängt der französische Regisseur diese wundersame Welt der Erscheinung zumeist recht nüchtern ein, doch dazwischen schiebt er immer wieder Bilder von großer poetischer und zuweilen erschreckender Kraft, die der "Erscheinung" ein besonderes Leuchten geben.

Anfangs braucht man zwar einen etwas langen Atem, denn Giannoli lässt sich viel Zeit, die Welt von Anna, die bei Pflegeeltern aufwuchs und an deren tiefen Liebe zu Gott kein Zweifel besteht, ausgiebig zu beschreiben. Es wird viel gebetet, es wird viel gesungen. Und Anna gibt all den Pilgern Kraft und Zuversicht.

Aber welche Prüfung diese junge Frau tatsächlich bestehen muss, das wird erst nach und nach deutlich, wenn das Drama um Wunder und Glauben sich in eine ungewöhnliche und spannungsgeladene Richtung wendet. Immer wieder büxt Anna aus, besucht einen Freund und erhält ominöse Briefe. Welches Geheimnis mag dahinterstecken?

Am Ende wird sich für Jacques ein Kreis schließen und ihm, dem Getriebenen, eine neue Welt eröffnen. Und er wird nicht mehr der sein, wie zu Beginn, als er einen ungewöhnlichen Anruf aus dem Vatikan erhielt.

Die Erscheinung, Frankreich 2018, 137 Min., FSK ab 12, von Xavier Giannoli, mit Vincent Lindon, Galatéa Bellugi, Anatole Taubman, Patrick d'Assumçao

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